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Von Sagwas-Redaktion / 21. Dezember 2011

Lobbyist will hierzulande keiner sein. Der Begriff ist so negativ besetzt, dass statt Lobbyvereinen lieber Interessensverbände gegründet werden, Mitarbeiter für „Public Affairs“ zuständig sind und Unternehmen „politische Kommunikation“ betreiben. Bei der Namensgebung aber endet die Zurückhaltung, denn Lobbyismus betreiben schließlich alle: Wirtschaftsbereiche, das Sozialwesen, Kirchen, Kulturbetriebe und die Wissenschaft. Alleine in Berlin tummeln sich etwa […]

Lobbyist will hierzulande keiner sein. Der Begriff ist so negativ besetzt, dass statt Lobbyvereinen lieber Interessensverbände gegründet werden, Mitarbeiter für „Public Affairs“ zuständig sind und Unternehmen „politische Kommunikation“ betreiben. Bei der Namensgebung aber endet die Zurückhaltung, denn Lobbyismus betreiben schließlich alle: Wirtschaftsbereiche, das Sozialwesen, Kirchen, Kulturbetriebe und die Wissenschaft. Alleine in Berlin tummeln sich etwa 5.000 Lobbyisten. Der Verband der Automobilindustrie hat hier ebenso seinen Sitz wie Greenpeace oder die Architektenkammer. Sie alle haben nur eines im Sinn: Entscheidungsträger und Meinungsmacher in ihrem Sinne zu beeinflussen. Bei Veranstaltungen mit Vortrag und Häppchen und bei Treffen in Edelrestaurants à la Borchardts werden die entsprechenden Informationen an den Mann gebracht.

Ist Lobbyismus nun aber eine Gefahr für den Parlamenta­rismus, wie viele Kritiker immer wieder betonen? Oder ist er angesichts der immer komplexer werdenden, inhaltlichen Zusammenhänge eine notwenige Form der Informations­aufbereitung für die Parlamentarier? Ein Argument, das Interessens­verbände und PR-Agenturen nicht müde werden zu behaupten. Sie wollen lediglich Hilfestellung geben und wichtige Fakten liefern. Das aber sei nichts anderes als verdeckte Einflussnahme und schädlich für unsere Demo­kratie, meinen Initiativen wie etwas LobbyControl. Denn sie fördere nur die Politikverdrossen­heit und könne darüber hinaus zu Korruption führen.

Führend im Kampf gegen Korruption und für mehr Transparenz ist die Organisation Transparency International (TI), die mit 90 eigenständigen lokalen Einrichtungen weltweit vertreten ist. Der Geschäftsführer der Deutschen Sektion ist Dr. Christian Humborg. Seit Anfang 2007 steht er dem Berliner Büro vor und setzt sich unter anderem für mehr Transparenz im deutschen Finanzwirrwarr der Behörden ein. Konfrontativ geht die Organisation nicht vor. Nach ihrem Selbstverständnis ist es das Schmieden von Koalitionen mit Regierung, Verwaltung und Politik, das langfristig Erfolg verspricht. Bisher scheint diese Strategie aufzugehen. Immerhin gehört Deutschland mit Platz 14 von 183 Plätzen – auf dem jährlich von TI publizierten Korruptionsindexes von Dezember 2011 – zu den relativ sauber arbeitenden Ländern. Innerhalb der EU arbeiten Dänemark und Finnland aber noch transparenter.

Doch dieser Platz im oberen Bereich reichen TI und Dr. Christian Humborg noch lange nicht aus. Ganz aktuell fordern sie ein neues Instrument um das Lobbyisten-Dickicht zu lichten: ein verbindliches und öffentlich einsehbares Lobbyistenregister, das Auskunft gibt über Namen des Lobbyisten, seine Auftraggeber, Kunden und Budgets. In den USA ist das schon seit langem gang und gäbe und Dänemark steht kurz vor der Einführung. Die EU selber führt zwei Register auf freiwilliger Basis und verknüpft die Eintragung mit Vorteilen für die Lobbyisten wie zum Beispiel ein vereinfachter Zutritt zum Europaparlament.

In Deutschland hingegen gibt es bisher lediglich eine öffentliche Liste über alle beim Bundestag registrierten Verbände und Vertreter. Unternehmen oder Lobbyagen­turen sind hier gar nicht erst verzeichnet. Und bei den Eingetragenen werden keine Informationen über Kunden oder Themen registriert. Das soll sich jetzt ändern, zu­mindest für Berlin. Die Grünen haben in den frisch angetre­tenen Senat einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingebracht. Bisher stehen alle Parteien dem Vorhaben positiv gegenüber. Die CDU ist ein weniger zögerlich was die Verbindlichkeit angeht, und die Piratenpartei will mit einem Änderungsantrag erreichen, dass sich das Register auch auf kirchliche Aktivitäten erstrecken soll.

Doch ist so ein Register wirklich ein geeignetes Mittel gegen Intransparenz und Korruption? Oder ist es nur ein stumpfes Schwert, das gegen die Auswüchse des Lobbyismus keine Chance hat?

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Als Geschäftsführer von Transparency International Deutschland hat Dr. Christian Humborg jede Menge zu tun: Er schreibt Artikel, gibt Interviews, spricht mit Politikern und Interessens­vertretern, informiert Journalisten und hält Vorträge – immer geht es dabei um Aufklärung, um ein Werben für mehr Transparenz in Politik und Wirtschaft, um der Korruption und ihren oft verheerenden Folgen Herr zu werden.

Diesmal hat Humborg auf sagwas.net mit Euch diskutiert und wollte wissen, was ihr von der Einführung eines Lobbyistenregisters haltet. Eure Beiträge und Argumente hat er sich gut angesehen und dabei eine ordentliche Portion Skepsis ausgemacht. Ist das wirklich ein schlagkräftiges Instrument? Reicht das? Muss man nicht noch mehr tun, um die Lobbyisten in ihre Schranken zu verweisen? Die Kommentare haben Humborg auch gezeigt, dass die weiter reichenden Forderungen von Transparency International Deutschland bei Euch durchaus auf fruchtbaren Boden fallen würden. Aber hört selbst, was Christian Humborg zu Eurer Debatte sagt.

10 Antworten auf „Registrier Dich! Jetzt!“

  1. Von Holly G. am 7. Dezember 2011

    Das wäre ja schön, wenn das funktionieren würde: Ein Register,in das man sich als guter Lobbyist einträgt und der Lobbyismus ist gezähmt. So ein Register schadet sicher nichts, aber ich glaube außer zusätzlichem Bürokratieaufwand bringt das nichts.

  2. Von D. Mahler am 7. Dezember 2011

    So ein Rfegister schadet bestimmt nichts, aber was nützt es? Wird damit wirklich die Einflussnahme der Lobbyisten auf die Politiker verringert? Nein, aber man kann nachvollziehen, wer es versucht. Dazu müsste es aber auch jemanden geben, der das Register auswertet und Rückschlüsse zieht. Wer soll das machen? Wir ertrinken ja doch eh schon alle in einer Datenflut. Da würde dann ein Register so zum Wohlfühl-Faktor werden. Ja, die Lobbyisten sind registriert, da ist alles gut jetzt, da ist alles geregelt. Am Kernproblem aber ändert das nichts.

  3. Von Antonia R. am 7. Dezember 2011

    Was ist denn eigentlich immer so schlimm am Lobbyismus? Da werden Interessen vertreten – das macht jeder, jeden Tag wenn es um die eigenen geht. Warum soll es dann negativ sein, wenn es andere professioneller machen? Aber zu sehen, wer mit wie viel Geld auftritt, das wäre interessant. Denn schließlich ist es die Geldmenge, die die Potenz des Lobbyvereins zeigt. Das im Auge zu haben, das wäre schon klasse. Aber kann so ein Register das tatsächlich leisten? Wer überprüft denn, ob die Angaben stimmen?

  4. Von peterk am 7. Dezember 2011

    @Antonia R.: Und was soll das bringen, dass ich dann sehe wie hoch die Ausgaben der Pharmaindustrie für Lobbyarbeit sind? Am Ende schreiben die dann doch nur wieder an den Gesetzen mit. Das muss endlich verhindert werden. Die Macht muss endlich wieder vom Volk ausgehen. Das Gemeinwohl muss wieder im Vordergrund stehen und nicht Partikularinteressen.

  5. Von Charly am 7. Dezember 2011

    Ich finde so ein Register einen guten ersten Schritt. Aber sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Und es bleibt auch die Frage: Wer überprüft den die Angaben? Wer achten darauf, dass die immer aktualisiert werden? Und wieso gibt es kein Zentralregister, sondern unterschiedliche Standards in den einzelnen Ländern? Aber es ist immerhin ein Anfang um mehr Transparenz zu schaffen.

  6. Von Molinari am 7. Dezember 2011

    So eine Register ist schon mal ein Fortschritt zu der jetzigen Liste. Aber richtig helfen wird das auch nicht. In den Hinterzimmern werden die Strippen gezogen und da zählt nur Geld. Wer viel Geld hat, der setzt sich da auch durch langfristig. Daran ändert so ein Register auch nichts. Und auch das kann man ja manipulieren.

  7. Von Antonia R. am 8. Dezember 2011

    @Peter K.: Natürlich bringt das was, wenn man sieht wie viel Geld von dem in die Lobbyarbeit investiert wird. Denn dann weiß man, wo die wahe Macht sitzt und kann denen dann besonders intensiv auf die Finger schauen. Besser als sie unbeobachtet vor sich hin arbeiten zu lassen. Und ja, ich gebe Ihnen recht, es wäre schön, wenn es weniger direkte Einmischung der Lobbyisten in das Gesetzgebungsverfahren gäbe. Aber auf der anderen Seite: Glauben Sie unsere Parlamentarier sind wirklich in der Lage die ganze Komplexität verschiedener Themen überhaupt noch zu durchblicken?

  8. Von kenny am 8. Dezember 2011

    Ich finde, dass die Idee von TI schon in die richtige Richtung geht. Ich frage mich, ob mit diesem Register der Lobbyapparat in Berlin wirksam überwacht werden kann. Ich sehe hier eher praktische Schwierigkeiten. Wer überprüft die Summen und wie geht man am Ende mit den gesammelten Infos um? Dass die Tabakindustrie mehr Geld für Lobbyarbeit ausgibt als bspw. der Verband für Menschen mit Behinderung kann ich mir auch jetzt schon ausmalen. Lieber Herr Dr. Humborg, welche Konsequenzen hat das Register für die Lobbyisten ganz genau und wie kann es zu mehr Transparenz im Gesetzgebungsverfahren führen?

  9. Von Johann am 8. Dezember 2011

    Die Strippen, die die Lobbyisten ziehen lassen sich nicht durch so ein Register aufdecken. Denn das zeigt ja nur einen kleinen Teil – nämlich wie die Lobbyisten auf die Parlametarier einwirken. Aber was ist mit den Managern, den Pressevertretern? In diesen BEreichen werden doch genauso Interessen vertreten. Und müsste das Register, um es schlagkräftig zu machen, nicht unbedingt verpflichtend sein – und das am besten auf europäischer Ebene und in jedem der EU-Länder? Aber davon sind wir wohl noch Lichtjahre entfernt.

  10. Von Bella M. am 9. Dezember 2011

    Lobbyisten arbeiten als Beamte in den Behörden, Lobbykanzleien schreiben unsere Gesetze, Parlamentarier wechseln nach ihrer Zeit als Abgeordneter einfach auf die Lobbyisten-Seite und spielen das Spiel weiter. Das macht unsere Demokratie kaputt. Denn wer von den Wählern kann den noch glauben, dass seine Stimme auch nur irgendwas zählt….Und dagegen soll ein Register helfen?

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