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Hinter den Blumen

Von kamilachilewski / 8. März 2014
Quelle des Titelbildes: Jens Wolf/dpa

Für Jens Schneider bedeutet der 8. März viel Arbeit. „Der Weltfrauentag ist für unser Geschäft wichtiger als Valentins- und Muttertag zusammen“, sagt der Leiter des Blumengroßhandels Nordflor in Mecklenburg-Vorpommern. Liebesbeweise in Form von Blumensträußen stehen nach wie vor hoch im Kurs. Mehr als drei Milliarden Euro geben die Bundesbürger laut des Verbands des Deutschen Blumen-Groß- […]

Für Jens Schneider bedeutet der 8. März viel Arbeit. „Der Weltfrauentag ist für unser Geschäft wichtiger als Valentins- und Muttertag zusammen“, sagt der Leiter des Blumengroßhandels Nordflor in Mecklenburg-Vorpommern. Liebesbeweise in Form von Blumensträußen stehen nach wie vor hoch im Kurs. Mehr als drei Milliarden Euro geben die Bundesbürger laut des Verbands des Deutschen Blumen-Groß- und Importhandels BGI jährlich für Blumen aus. Deutsche Schnittblumenproduzenten wie Jens Schneider decken jedoch nur knapp 20 Prozent des Bedarfs. Der Rest wird importiert, größtenteils über die Blumenauktion in den Niederlanden.

Außerhalb der Europäischen Union zählen Kenia, Äthiopien, Kolumbien und Ecuador zu den wichtigsten Lieferanten. Aus finanziellen Gründen verlagert sich die Blumenproduktion mehr und mehr in südliche Entwicklungsländer. Trotz der weiten Handelswege ist die Klimabilanz von Blüten aus tropischen Ländern günstiger, da in Europa eine energieintensive Beheizung und Beleuchtung notwendig ist. Dafür schuften die Arbeiter in diesen Ländern häufig unter miserablen Umständen, wie Menschenrechtsorganisationen anprangern.

Niedrige Löhne, mangelnder Arbeitsschutz
„Auf vielen Blumenplantagen im globalen Süschutzden herrschen ausbeuterische Bedingungen“, sagt Gertrud Falk von FIAN, dem „FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk“. „Die Löhne sichern oft nicht einmal die Existenz der Arbeiter. Die Blumenbranche befindet sich bei Tariflöhnen in der untersten Kategorie der Landwirtschaft.“ Die meisten Arbeiter sind weiblich, viele davon alleinerziehend. Ein Arbeitstag dauert bis zu 16 Stunden. Weil Schnittblumen eine kurze Lebensdauer haben, müssen eingehende Bestellungen umgehend erfüllt werden. Vor Tagen wie dem Valentins-, Mutter- oder eben Weltfrauentag müssen die Arbeiter auf den Blumenfarmen viele Überstunden leisten, erläutert Falk.

Die Anforderungen der Kunden sind hoch, die Importbestimmungen der EU streng. „Um ein makelloses Produkt zu liefern, kommen hochgefährliche Pestizide zum Einsatz“, sagt Gertrud Falk. Diesem giftigen Nebel seien die Arbeiter oft direkt ausgesetzt, weil der eigentlich erforderliche Ganzkörperschutz fehle. „Immer wieder kommt es zu Unfällen mit schweren gesundheitlichen Folgen bis hin zum Tod. Für die medizinische Behandlung zahlen die Arbeitgeber oft nicht.“ Wer sich beschwert, wird entlassen, so Falk. Vor allem in Lateinamerika, aber auch in afrikanischen Produktionsländern, dürften sich die Blumenarbeiter oft nicht in Gewerkschaften organisieren. „In Kolumbien haben multinationale Unternehmen viele Plantagen mit starken gewerkschaftlichen Vertretungen geschlossen.“

Bewusstsein der Verbraucher steigt langsam
Nicht nur die Schäden für die Arbeiter sind immens, auch die Umwelt leidet. „Der Wasserverbrauch ist erheblich, oft werden schmutzige Abwässer in Flüsse und Seen geleitet. Leere Pestizidbehälter und Gewächshausfolien werden nicht fachgerecht entsorgt“, beschreibt Gertrud Falk. Es sei darum wichtig, auf Blumen aus dem fairen Handel zu setzen. Noch sei das Bewusstsein für die gravierenden Folgen der industriellen Blumenproduktion zu gering. Dabei helfe es schon, wenn Blumenkäufer sich nach der Herkunft der Blumen erkundigten und nicht fair gehandelte Blumen vermeiden würden. Dabei helfen Siegel, zum Beispiel das des Flower Label Program (FLP). Die mit dem Flower Label ausgezeichneten Blumenfarmen erfüllen strenge Auflagen im Bereich von Menschenrechten und Umweltschutz.

Seit 2005 gibt es auch das Fairtrade-Gütesiegel für Blumen. Gesetzliche Mindestlöhne, Gesundheitsschutz und sichere Arbeitsbedingungen seien auf den Fairtrade-gesiegelten Farmen garantiert, sagt Claudia Brück von TransFair. Zudem würden Gemeinschaftsprojekte vor Ort, wie etwa der Bau von Schulen, mit Prämien aus dem Fairtrade-Programm finanziert. Brück ist überzeugt, dass das Bewusstsein von Händlern und Kunden wächst. 2012 waren etwa 20 Prozent der insgesamt 260 Millionen in Deutschland verkauften Rosen fair produziert und gehandelt. „In mehr als 22.000 Geschäften gibt es inzwischen faire Blumen“, sagt Brück. „Darunter sind viele Supermärkte und mehr als 1000 Floristen.“

Eine davon ist Sonja Traub, Inhaberin eines Stuttgarter Blumenladens. Seit dem vergangenen Jahr bietet sie Fairtrade-Rosen an. Schon allein für ihre Gesundheit und die ihrer Mitarbeiter versuche sie, möglichst unbelastete Blumen zu verkaufen, erzählt Traub. „Früher waren meine Hände oft ganz grün von den vielen giftigen Schutzmitteln. Mittlerweile habe ich den Eindruck, es werden weniger Pestizide verwendet.“ Floristin SonjaTraub ist es wichtig, regionale Anbieter zu unterstützen. Sie vermeidet möglichst Blumen aus Entwicklungsländern, selbst wenn diese Fairtrade-Siegel tragen. Doch um ganzjährig exotische Sträuße anbieten zu können, seien Importblumen unverzichtbar. „Ohne könnten wir nicht überleben.“

Autorin: Isabell Stettin

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2 Antworten auf „Hinter den Blumen“

  1. Von Jano Gaam am 8. März 2014

    Heute kaufe wohl keine Blumen für meine Frau… Gibt keinen Fair-Trade-Blumenladen in meiner Nähe… ;-(

  2. Von Jens Höhn am 8. März 2014

    Ich habe mir von der Blumenhändlerin, bei der ich soeben die Blumen für meine Freundin gekauft habe, versichern lassen, dass sie aus Regionen ganz aus der Nähe Berlins kommen – bei Narzissen kann man das ja vielleicht auch glauben:) Also: nie mehr Rosen im Winter!!! Danke für den sehr aufschlussreichen Bericht.

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