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ContraVon wegen Generation „Warum?“: Wir fragen noch lange nicht genug

Von Lara Falkenberg / 6. November 2015
picture alliance / Mint Images | Mint Images

Die Generation Y hat ihren Namen nicht verdient. Angeblich stellt sie klassische Arbeitsstrukturen in Frage. Doch ihre Forderungen sind angepasst an eine sich wandelnde Berufswelt. Es wird Zeit, dass die Generation „Warum“ sich neu definiert und anfängt, mutigere Fragen zu stellen – Fragen, die nicht nur ihren eigenen Lebensweg, sondern die Gesellschaft betreffen.

Wir sind ein Alptraum. Oder doch heimliche Revolutionäre? Wir sind Anfang 20 oder auch Mitte 30 und damit Teil der sogenannten und vielbeschriebenen Generation Y. Gesprochen wie das englische „Why“ passt dieser Name angeblich zu uns, da wir alles hinterfragen.

Daher versuchen Soziologen und Redaktionen die vielfältigen, individualisierten Lebenswege all derer, die nicht mehr in das Bild der vorhergegangenen Generation X passen, mit diesem Begriff zu fassen – und füllen Bücher, Zeitungen und Blogs mit der Auseinandersetzung darüber, wie das zu bewerten sei. Gibt es noch etwas, das wir zu dieser Diskussion beitragen könnten? Ja. Wir könnten unseren Namen ernst nehmen und endlich anfangen, mutigere Fragen zu stellen.

Die angepassten Revolutionäre

Was haben die heute 20- bis 35-Jährigen bislang hinterfragt? Wir fallen vor allem dadurch auf, dass wir angeblich klassische Erwerbsstrukturen in Frage stellen, indem wir Wert auf eine selbstbestimmte und flexible Arbeit legen und statt hohen Gehältern vor allem Selbstverwirklichung suchen.

Manche klagen deshalb, wir seien Traumtänzer, die einfach zu verwöhnt sind, um sich noch auf Jahre des harten Durchbeißens einlassen zu wollen. Andere sehen uns als Vorkämpfer für eine neue Berufswelt. Für den Berliner Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann sind wir sogar „heimliche Revolutionäre, denen man ihr Umstürzlertum nicht ansieht“.

Doch kämpferisch oder verwöhnt wirken die Forderungen nach Gleitzeit, Elternzeit, Homeoffice und Sabbatical nur, wenn man Leistung noch nach der Stempeluhr bemisst. Unsere Fragen nach einem Wandel in der Berufswelt kommen weder von Träumern noch Idealisten, sondern von leistungsbereiten Pragmatikern.

Die Shell-Studie, die Deutschlands Jugend alle paar Jahre vermisst, hat 2010 gezeigt: Die Leistungsbereitschaft unter den 12- bis 25-Jährigen ist die höchste, die je gemessen worden ist. Wir wollen arbeiten – nur anders. Weil es nur noch anders geht. Während der Begriff „Krise“ die Nachrichten bestimmt hat und die Generation Y mit dem Internet aufgewachsen ist, haben sich auch die Arbeitsstrukturen verändert. Unsicherheit wurde zu unserem Lebensgefühl erhoben. In unserer Welt ist vieles möglich, aber nichts von Dauer. Verträge kennen wir nur noch befristet und an eine sichere Rente glauben wir schon lange nicht mehr.

Ausbeutung 2.0: Dasselbe in Bunt

Doch statt etwas dagegen zu tun, passen wir uns an. Wir beseitigen die Zwänge nicht, wir übernehmen sie. Unternehmen müssen uns nicht zwingen. Kommen sie unseren Bedürfnissen entgegen und funktioniert der Kaffeeautomat, machen wir freiwillig mit. Wir machen Überstunden, weil wir unseren Job spannend finden. Wir verlassen vielleicht früher das Büro, aber arbeiten dafür zu Hause weiter. Mit Laptops und Smartphone sind wir unser eigenes mobiles Büro.

Viel mehr als der Arbeitswelt verlangen wir uns selbst ab. In der „Freizeit“ betreiben wir biografisches Selbstmanagement: Unsere Lebensläufe quellen über vor Praktika, Auslandsaufenthalten und sozialem Engagement. Mit den neuen Unsicherheiten und Flexibilitäten unseres Arbeitslebens verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Leben zunehmend. Und wir arbeiten daran mit, indem wir uns dieses geschickte System der Selbstausbeutung so nett wie möglich einrichten.

Wir sollten mutigere Fragen stellen

Genau deswegen sind wir bequem. Denn diejenigen der sogenannten Generation Y, die Forderungen auf dem Arbeitsmarkt stellen können, fordern nur, wenn es sich für sie persönlich lohnt. Namensgebend für die Generation Y ist ein kleiner Teil dieser Jahrgänge, der den Arbeitsmarkt so gut ausgebildet, vielsprachig und international erfahren betritt, wie keine Generation zuvor. Diese Young Professionals sind informiert und global genug aufgewachsen, um das Prekäre einer globalisierten Wirtschaft zu erkennen.

Doch statt die steigende Unberechenbarkeit und Unsicherheit des weltweiten Arbeitsmarktes als gesellschaftspolitisches Projekt zu verstehen, machen wir es zu unserer persönlichen Aufgabe, möglichst gut darin zu funktionieren. Unsere Fragen kreisen vor allem um unsere eigenen Zukunftsperspektiven. Wären wir wirklich die Generation „Warum?“, würden wir andere Fragen stellen: Nicht nur danach, wie wir eine kleine Nische für uns selbst schaffen können.

Stattdessen würden wir die Wirtschaft auf ihre Nachhaltigkeit prüfen und fragen, ob sie das Leid der Menschen mindert. Wir können unsere Möglichkeiten zu mehr nutzen als zum Polieren des Lebenslaufs. Das Y ist auch eine Weggabelung. Wir sind eine Generation der Möglichkeiten und wir können entscheiden, in welche Richtung wir weitergehen wollen. Doch wir fragen noch lange nicht genug.



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