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ContraEin Grundeinkommen hilft den Ärmsten nicht

Von Madlen Schäfer / 28. April 2017
picture alliance / CHROMORANGE | Christian Ohde

Eine bedingungslose Grundsicherung scheint für viele die Lösung zur Schaffung sozialer Gerechtigkeit zu sein. Tatsächlich würde es die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen.

Wenn jeder Bürger ein bedingungsloses Grundeinkommen zur Verfügung hätte, könnte jeder seine Existenz unabhängig vom eigenen Gehalt sichern. Dadurch würde die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen ermöglicht. Vor allem Bedürftige würden von diesem Konzept profitieren. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Denn was in der Theorie logisch erscheint, ist in der Praxis nicht haltbar. Das fängt bereits bei der grundlegenden Frage an, wie das Prinzip des Grundeinkommens funktionieren soll. Es würde den deutschen Staat komplett umformen. Per Rechtsanspruch würde fortan jedem Bürger dieses Geld monatlich zustehen. Dafür muss der Staat enorme Summen aufbringen.

Wer soll das bezahlen?

Ein gleichwertiges Einkommen für jeden Bürger ist auf Dauer schlicht nicht finanzierbar. Zwei Herangehensweisen versuchen dennoch zu beschreiben, wie das nötige Kleingeld für das Vorhaben realisiert werden soll.

Der finanzielle Aufwand könnte beispielsweise über die Mehrwertsteuer, die jeder Bürger auf Konsumgüter zahlen muss, erwirtschaftet werden. Dadurch würde diese Steuer, die aktuell bei 19 Prozent (in Ausnahmefällen bei sieben Prozent) liegt, steigen. Sie müsste für das Grundeinkommen vermutlich auf das Doppelte erhöht werden. Auf diese Weise würden sämtliche Güter und Dienstleistungen deutlich teurer werden. Jeder müsste tiefer in die Tasche greifen. Das ist problematisch, denn sowohl Geringverdiener als auch Reiche würden für das Grundeinkommen zur Kasse gebeten. Mit einem großen Unterschied: Geringverdiener würden unter der Last der Mehrwertsteuer am meisten leiden und hätten trotz Grundeinkommen deutlich weniger Geld am Ende des Monats zur Verfügung.

Eine weitere Option wäre eine Finanzierung gekoppelt an die Einkommenssteuer, die jeder Arbeitende mit seinem Gehalt zahlt. Jedoch wäre in diesem Fall das als gerechter geltende Grundeinkommen nicht mehr fair, da Besserverdiener in höherem Maße für dieses aufkommen müssten. Es kann davon ausgegangen werden, dass es zu einer massiven Steuersenkung kommen würde, um diese Einkommen nicht zu sehr zu belasten.

Beide Finanzierungsvarianten sind nicht praktikabel, um ein wirklich bedingungsloses Grundeinkommen zu schaffen, das vor allem Schwächere der Gesellschaft unterstützen und ihnen mehr Freiheiten geben soll. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Einkommen für jeden überhaupt bedingungslos sein sollte. Bei einem Rechtsanspruch würde wirklich jeder Bürger dieses Geld erhalten – eine Bedürftigkeitsprüfung gäbe es nicht. Darum würden auch Reiche das Grundeinkommen bekommen, obwohl sie es nicht benötigen. Der Topmanager mit Riesengehalt würde genauso Anspruch darauf haben wie die alleinerziehende Mutter. Das kann wohl kaum Sinn der Sache sein.

Die Falschen würden profitieren

Ein Grundeinkommen könnte dazu führen, dass genau die, die das zusätzliche Geld so dringend bräuchten, am Ende als Verlierer dastünden und Reiche noch reicher würden. Denn die staatliche Leistung könnte zu einer Art Kombilohn verkommen.

Unternehmen könnten die Gehälter der Angestellten einfach an das Grundeinkommen anpassen. Durch das monatliche Einkommen vom Staat wäre die Existenz der Arbeitnehmer ja gesichert, wodurch es zu einem Ausbau des Niedriglohnsektors kommen könnte, weil das Firmengehalt gekürzt würde. Unternehmen könnten so ihre Gewinne erhöhen und am Grundeinkommen kräftig gewinnen. Arbeitnehmer hätten am Ende also weniger Geld zum Leben.

Es bliebe außerdem am Ende nichts anderes übrig, als den Sozialstaat als solches bei der Einführung eines Einkommens für jeden Bürger grundlegend umzukrempeln. Es würde nur noch eine Leistung seitens des Staates gezahlt werden. Ein allzu schlanker Sozialstaat wäre die Folge und wohl letztendlich keine Wohltat für Bedürftige.

Profitieren würden von einem bedingungslosen Grundeinkommen also insgesamt nicht diejenigen, denen der soziale Aufschwung propagiert wird, sondern vielmehr diejenigen, die sowieso schon reich sind. Soziale Gerechtigkeit sieht anders aus.

 

Lies weiter bei…

Debatte | Existenzsicherung für lau?

Pro | Gerechtigkeit durch Grundeinkommen



2 Antworten auf „Ein Grundeinkommen hilft den Ärmsten nicht“

  1. Von Natalie Rammelt am 23. November 2017

    Wenn das Grundeinkommen nur 1000 Euro Brutto beträgt, ist das genausoviel wie Hartz 4 Grundsicherung. Aber das ist genau worum es geht: Mehr Geld für die Ärmsten in Deutschland. Hartz 4 soll angeblich unter der deutschen Armutsgrenze liegen. Ein Grundeinkommen sollte daher bei mindestens 1200 Euro Brutto liegen. Die PDS fordert 1500 Euro Brutto, wenn ich es richtig verstanden habe. Hartz 4 Empfänger brauchen mehr Geld egal ob bei Hartz 4 oder BGE.

  2. Von Falco am 9. Juni 2018

    Das Grundeinkommen bemisst sich an der Bedürftigkeit eines Menschens. Steigen die Lebenserhaltungskosten (Mehrwertsteuer auf die Produkte mit einberechnet) stiege auch das Grundeinkommen. Das Grundeinkommen ist nicht „vermutlich nicht“ finanzierbar, im Gegenteil. Hier helfen schwammige Formulierungen wenig. Deshalb mal dieser Modellrechner, der die angeblich komplexe Rechnung sichgenau aufdröselt:
    http://www.bge-rechner.de/finanzierung.html

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