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ContraUngleichmacher Vielehe

Von Milan Ziebula / 27. April 2018
picture alliance / dpa | Philipp Schulze

Ein Mann, der zwei oder mehr Frauen heiratet – das ist in Deutschland verboten. Und das sollte auch in Zukunft so bleiben.

Im März wurde im nordbayerischen Landkreis Neumarkt über die Vielehe eines irakischen Geflüchteten diskutiert. Der Mann hat 13 Kinder von zwei Frauen. Eigentlich gilt der Familiennachzug in Bayern nur für eine Ehefrau. In besonderen Härtefällen kann jedoch auch die zweite Frau nachziehen. Die Behörden hatten bei der Registrierung der Familie die Vielehe anerkannt, weil sie im Ausland geschlossen wurde. In Deutschland hätte der Mann nicht mehrfach heiraten können.

Polygamie ist eine Lebensform, die in sehr verschiedene Kulturen und seit langer Zeit gelebt wird. In ihrem Buch „Sex – Die wahre Geschichte“ beschreiben die Wissenschaftler Christopher Ryan und Cacilda Jethá, wie sich vor etwa zehntausend Jahren überlappende sexuelle Beziehungen in Gruppen wandelten und die polygamen Beziehungen zurückgingen. Bis heute ist aber Polygamie in allen muslimischen Ländern außer in Tunesien und der Türkei legal. Die muslimische Vielehe soll in diesem Text im Fokus stehen, auch, weil Geflüchtete ein solches Ehemodell in Deutschland präsenter machen.

Mehrfachehen benachteiligen Frauen

In Deutschland dürfen Vielehen offiziell nicht geschlossen werden. Aber es ist möglich, dass Imame sie arrangieren, auch wenn sie rechtlich nicht anerkannt sind. Belastbare Statistiken über Vielehen von Muslimen in Deutschland gibt es nicht. Der libanesische Sozialarbeiter Bed Chaaban aus Berlin-Neukölln, der eingewanderte Familien in ihrem Alltag unterstützt, schätzt, dass 30 Prozent aller arabischen Männer in Berlin zwei Ehefrauen haben. Eine von Amtswegen anerkannte, offizielle Ehefrau und eine inoffizielle, die von einem Imam verheiratet worden ist.

Diese religiöse Vielehe ist problematisch: Da die deutsche Gesetzeslage nicht mehr als eine Ehefrau akzeptiert, hat diese zweite Frau weniger Rechte als die erste. Durch die Ehe ist sie an einen Mann gebunden, der aus staatlicher Sicht keinerlei finanzielle Verpflichtungen ihr gegenüber hat.

Selbst wenn eine Mehrfachehe einvernehmlich zu Stande gekommen ist, garantiert sie nur die Souveränität des Mannes. Eine muslimische Frau kann nicht entscheiden, wie viele Männer sie heiraten will. Laut dem Koran kann ein Mann bis zu vier Frauen haben. Während eine Frau aber nicht mit mehreren Männern zeitgleich in einer Partnerschaft leben darf. Diese geschlechtliche Benachteiligung widerspricht dem deutschen Grundgesetz, welches in Artikel 3 die Gleichberechtigung von Mann und Frau vorschreibt.

Die Vielehe kann schließlich dazu führen, dass Frauen nicht nur rechtlich benachteiligt werden, sondern auch emotional. Männer können sich viele Frauen aussuchen, aber eine Frau muss ihren Mann mit anderen Frauen teilen. Dabei nur schwer vorstellbar, dass der Mann jeder Frau die verdiente gleichwertige Zuneigung geben kann.

Weniger für die Kinder

Hinzu kommt, dass die Kinder von Männern, die mehrfach verheiratet sind, finanziell ein Nachsehen haben. Seit 2018 müssen Väter, die nicht mit ihrem Nachwuchs leben, nach der neuen Düsseldorfer Tabelle, die den Unterhaltssatz festlegt, abhängig von Alter und Einkommen je Kind 348 bis 844 Euro Unterhalt zahlen. Viel Geld für ein kleines Einkommen. Manchmal reicht dieses nicht aus und lässt die Kinder mit leeren Händen dastehen.

Dann springt der Staat ein. Laut Unterhaltsvorschussgesetz erhalten Kinder bis 17 Jahre pro Monat immerhin 342 bis 460 Euro – weniger also, als sie eigentlich bekommen sollten, zumal das staatliche Kindergeld in diesem Fall nicht ausgezahlt wird.

Keine Ehegattensplitting-Regelung

Auch steuerrechtlich sind Mehrfachehen sehr kompliziert. In Deutschland kann laut Paragraph 26 Einkommenssteuergesetz die Ehegattensplitting-Regelung in Anspruch genommen werden, wenn beide Ehepartner einkommenssteuerpflichtig sind. Dabei wechselt ein Partner in eine schlechtere, weil teurere Steuerklasse, damit der andere (meist der besser Verdienende von beiden) in eine vorteilhafte, weil billigere Steuerklasse kommt. Am Ende freut sich das Paar über mehr gemeinsames Nettoeinkommen.

Was geschieht aber, wenn es drei oder vier Verdienende gibt, wie es bei Mehrfachehen passieren kann? Darauf hat die Gesetzgebung bis jetzt keine Antwort. Und selbst wenn sie eine hätte, wäre diese wahrscheinlich noch komplizierter als es das deutsche Steuerrecht ohnehin schon ist.

Wozu das Ganze also, wenn die Entscheidung, die aus gutem Grund längst getroffen wurde, doch schon steht: Die Vielehe sollte verboten bleiben, damit niemand benachteiligt wird.



Eine Antwort zu “Ungleichmacher Vielehe”

  1. Von Michael Zachau am 27. Juni 2019

    Ähm, das mit dem Ehegattensplitting ist nicht richtig wiedergegeben. Dort werden die Einkommen aller zusammengerechnet und durch die Anzahl der Köpfe geteilt…damit wird der Steuersatz ermittelt. Die Steuerklassen haben nur etwas mit der Vorauszahlung auf das Einkommen von Angestellten zu tun. Sie ändern nichts an der Steuerlast der Familie.

    Zum Thema Unterhalt: bei Männern, die seriell monogam leben und viele Nachkommen zeugen ist das Problem doch häufig anzutreffen. Warum soll es ausgerechnet bei einer Vielehe zu Tage treten? gerade dieses Beispiel wäre doch ein Pro, denn wenn der gesellschaftliche Druck nicht wäre könnte eine Frau einen zweiten Mann oder ein Mann eine zweite Frau heiraten.

    Wäre es nicht besser für ein Land wie das Unsere, eine Regelung dazu zu treffen? Die Mehrfachehe so aufzustellen, dass hinzuziehende Frauen nicht mehr benachteiligt sein können? Woher nehmen wir das Recht, Familien auseinander zu reißen, nur weil wir einer Regelung nachhängen, die im ersten Vatikanischen Konzil von lauter alten Männern mit mehreren Geliebten gemacht wurde? Die das Privileg, mehrere Frauen zu haben nicht dem „Pöbel“ geben wollten. Die darauf beharrten, das diese Art des Zusammenlebens nur den Bessergestellten vorbehalten sein darf. Verstehe ich nicht.

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