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DebatteWie gut ist Globalisierungskritik noch?

Von Camilla Lindner / 7. April 2018
picture alliance / NurPhoto | Maciej Luczniewski

Globalisierung bringt einer breiten Masse noch nie dagewesenen Wohlstand. Trotzdem gibt es weltweit Globalisierungsgegner. Solche, die Gerechtigkeit für alle fordern, und andere, die ihre Kritik an ein nationales Plädoyer koppeln. Ist Globalisierungskritik also noch zeitgemäß?

Mangos aus Puerto Rico, Maracujas aus Chile, Äpfel aus Spanien. Die Vielzahl der Herkunftsländer allein bei Obst und Gemüse in deutschen Supermärkten ist kaum zu übersehen. Aber nicht nur beim Kauf von Lebensmitteln spiegeln sich Globalisierungsprozesse wider. So machten die Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkte sowie Eisen- und Stahlexporte aus der EU laut Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2016 je 38 Prozent des gesamten Weltexportes aus. Auch im Autohandel profitieren besonders EU-Staaten mit 50 Prozent weltweit massiv vom Export nationaler Kraftfahrzeuge.

Güter, Informationen und Menschen ohne großen Aufwand Grenzen überschreiten zu lassen, ermöglicht vor allem hier im Westen vielen ein komfortableres Leben, als es noch vor 30 Jahren überhaupt vorstellbar war. Das neueste iPhone aus China? Kein Problem. Ein günstiger Flug ins Ausland? Machbar. Globalisierungskritiker hingegen betonen die Nachteile vieler Transfers.

Kritiker in Süd und Nord

In Brasilien wurde Globalisierungskritik bereits Ende der 70er Jahre laut. Infolgedessen gründete sich 1984 das Movimento dos Trabalhadores Rurais sem Terra (MST) – zu Deutsch: Bewegung der Landarbeiter ohne Boden. Zahlreiche Landarbeiter hatten ihr Auskommen verloren, weil immer mehr staatliches Land an eine kleine Anzahl wohlhabender Privatpersonen verteilt worden war. Die anschließende Steigerung der Exportproduktion kam durch immer mehr Mechanisierung in den Arbeitsabläufen zustande, weshalb etliche Landarbeiter ihre Arbeitsplätze verloren. Bis heute setzt sich die MST für eine gerechtere Landreform ein. Mehrere tausend Titel Land wurden bereits an Kleinbauern vergeben.

1999 war der Begriff der Globalisierungskritik auch im globalen Norden kein Fremdwort mehr. In jenem Jahr kam es in der US-amerikanischen Stadt Seattle zu massiven Protesten der Bevölkerung gegen die dritte Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO). Während dieses „Battle of Seattle“ wandten sich wütende Globalisierungsgegner gegen den damaligen und teilweise noch immer praktizierten Abbau sozialer Rechte durch Deregulierung sowie gegen die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Umgestaltung der Sozialhilfe. Erstmals erhielt dieser gesellschaftliche Unmut über die widersprüchlichen Ergebnisse neoliberaler Globalisierungsprozesse auch international großen Zuspruch. Während die Praktiken von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Verruf gerieten.

Für eine gerechte Zukunft für alle?

Ein Jahr zuvor war in Frankreich die „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen“ gegründet worden, die heute besser bekannt ist unter ihren Akronym Attac. Ursprünglich wollte Attac lediglich die sogenannte Tobin-Steuer einführen, um kurzfristige Börsenspekulationen einzudämmen. Inzwischen beschäftigt sich das transnationale Netzwerk mit allen möglichen Schattenseiten der Globalisierung nach dem Motto „Die Welt ist keine Ware!“ und „Eine andere Welt ist möglich“. Attac versteht sich „als Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise“.

Insgesamt ist die Organisation jeweils autonom in 50 Ländern vertreten und zählt nach eigenen Angaben rund 90.000 Mitglieder. Attac ist zwar hauptsächlich, aber nicht mehr gänzlich, in westlichen Ländern zu finden. Unter anderem gibt es Ableger auch in Lateinamerika und China. Das Ziel aller Unterstützer ist es, durch Proteste sowie Bildungsangebote die aktuelle Weltwirtschaftsordnung für alle Menschen gerechter zu organisieren und die Demokratisierung der Gesellschaften sowie die Entmilitarisierung der Außenpolitik voranzubringen.

Globalisierungskritik ist jedoch längst kein exklusives Thema mehr der politischen Linken. Auch die politische Rechte kritisiert Globalisierungsprozesse – jenseits der ökonomischen Ebene. Themen wie „Überfremdung“ werden verstärkt mit Globalisierung in Verbindung gebracht, weshalb Wissenschaftler die Globalisierungskritik rechtsgesinnter Akteure als Hetz- oder Agitationsthema bezeichnen. Die Ablehnung der Globalisierung erfolgt in diesem Fall mit Blick auf die zu bewahrende völkisch-nationale Identität als Ganzes. Oberflächlich betrachtet, nähern sich linke und rechte Globalisierungskrtiker jedoch immer mehr an. So warb die NPD 2017 mit dem Werbespruch „Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre“ für eine gerechtere Gesellschaft. Ein Slogan, der auch von linken Globalisierungskritikern kommen könnte.

 

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PRO | Ohne Kritik geht es nicht

CONTRA | Zeit für zeitgemäße Vorgehensweise



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