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Alles neu

Von Barbara Engels / 3. April 2020
picture alliance / photothek | Ute Grabowsky

Nichts verändert den Körper in so kurzer Zeit so stark wie eine Schwangerschaft. Hormone, Herz-Kreislauf-System, Stoffwechsel, Organe und Körperbau – ab dem Zeitpunkt der Befruchtung ist nichts mehr wie es war. Unsere Autorin macht diese Mama-Metamorphose gerade durch.

Zeit für einen kurzen Rückblick? https://sagwas.net/nicht-heute/

„Was hechelst du denn so?“ Mein Freund steht in der Wohnungstür und beobachtet kopfschüttelnd, wie ich mein Rennrad an diesem Tag die zwei Stockwerke zu unserer Wohnung hochtrage und dabei – zugegebenermaßen heftig – nach Luft japse. „Ach“, winke ich ab, „bin nur ziemlich schnell Rad gefahren“.

Zwei Wochen später zeigt sich, dass meine Atemlosigkeit einen weit besondereren Grund als schnelles Radfahren haben sollte. Zwei Striche auf einem Test, der die Welt bedeuten kann: Ich bin schwanger, zum ersten Mal. Nicht ungeplant, aber viel schneller als erwartet. Nur ein halbes Jahr vorher habe ich noch geschrieben, dass ich „nicht heute“ Mutter werden will. (Aus beruflichen Gründen damals sogar noch ohne meine Identität preiszugeben.)

Mein Freund und ich können unser Glück nicht fassen. Im allerwahrsten und allerbesten Sinne des Wortes. Wir haben doch gerade erst angefangen, es “zu probieren“? „Ein Schuss, ein Treffer“, kommentiert mein Freund scheinbar lapidar. Tatsächlich ist er stolz wie Oskar.

Der Körper spielt verrückt

Meine Welt stellt sich von einem Tag auf den anderen auf den Kopf. Ich fühle und denke anders als vorher. Mein Körper überrascht mich jeden Tag auf’s Neue: Mal schmeckt alles nach Metall, mal rieche ich wie der beste Spürhund der Welt, mal kann ich nur noch liegen und in die Luft starren, weil mir so übel ist.

Gleichzeitig muss ich nach außen hin so tun, als wäre alles wie immer. Denn wir wollen niemandem von der Schwangerschaft erzählen, bis die kritischen ersten drei Monate vorbei sind. Versucht mal, ein Geheimnis für euch zu behalten, wenn dieses Geheimnis fast das Einzige ist, an das ihr denken könnt!

Selten hatte ich solche Schwierigkeiten, die Fragen „Wie geht’s dir?“ und „Was gibt’s Neues?“ zu beantworten. „Och, nichts Besonderes“, „alles wie immer“, „der übliche Stress“, lüge ich. Während ich am liebsten verlautbaren würde: „Meine Welt steht Kopf!“ Doch das denke ich nur.

Sofern ich denken kann. Denn ich bin müde. Sehr, sehr müde. Ich stehe nach neun Stunden Schlaf müde auf, schleppe mich ins Büro, wo ich müde meinen Kaffee versenke. (Nur einen! Zuviel Koffein ist nicht gut für’s Kind!) Danach – ihr ahnt es – bin ich weiterhin sehr müde. Irgendwie schaffe ich es durch den Tag, eine Dienstreise jagt die andere, da bin ich zumindest in Bewegung, wenn auch eher körperlich denn geistig anwesend.

Jede Schwangerschaft verläuft anders

Auch wenn jede Schwangerschaft anders verläuft, ist Müdigkeit eine der Begleiterscheinungen, unter denen alle Schwangeren zumindest zeitweise leiden. Im ersten Schwangerschaftsdrittel ist es am schlimmsten: Das Schwangerschaftshormon Progesteron übernimmt das Kommando, und das macht vor allem schläfrig. Ein veränderter Stoffwechsel, niedriger Blutdruck und die erhöhte Blutproduktion sind Energieräuber, ebenso wie das emotionale Auf und Ab, das bei manchen Schwangeren stärker, bei anderen schwächer ausgeprägt ist.

Jeden Sonntag nötige ich meinen Freund, ein Foto von meinem Bauch zu machen. Letzterer lässt allerdings auf sich warten. Während ich abgeschlagen, atemlos und deshalb unsportlich bin, nicht länger als eine Stunde gehen kann und mich idealerweise dabei alle fünf Minuten hinsetze, mich also fühle wie Anfang 80, sieht mein Körper – bis auf die wachsenden Brüste – von außen aus wie eh und je. Als wäre gar nichts passiert. Auch jetzt noch, in der 17. Schwangerschaftswoche, zeigt sich nur ganz langsam und vorsichtig eine Wölbung, die man auch auf meinen stark erhöhten Süßigkeitenkonsum zurückführen könnte.

Da sind sie, die Muttergefühle

Ach! Die Gelüste. Noch nie zuvor ist mir so oft das Wasser im Mund zusammengelaufen wie in den ersten Wochen meiner Schwangerschaft. Schokoriegel, Gummibärchen und Unmengen an Schokoladeneis machen mich sehr zufrieden. Aber wehe, es sind mal keine Süßigkeiten im Haus! Dann kann’s auch schon mal laut und zickig werden.

Insgesamt lassen meine sozialen Kompetenzen stark nach. Auf Weihnachtsfeiern halte ich es nicht länger als eine Stunde aus, Smalltalk fällt mir schwer. Ohne das soziale Schmiermittel Alkohol komme ich bei abendlichen Veranstaltungen nicht in die Gänge. Obwohl ich einem Glas Wein sonst nie abgeneigt bin, fällt mir der völlige Verzicht in der Schwangerschaft weniger schwer als gedacht. Zwar denke ich ab und an an schwere Rotweine und spritzige Weinschorlen, gleichzeitig steht es aber außer Frage, dass ich auch nur einen Tropfen trinke,

Das müssen sie sein, die Muttergefühle. Ich übernehme Verantwortung für ein Lebewesen, das in mir wächst. Ein Kind, das völlig von mir abhängig ist. Für das ich die ideale Umgebung bin, um lebensfähig, um groß zu werden.

Gerne gebe ich meinen Körper dafür her. Irgendwann werde ich ihn zurückbekommen. Sicherlich nicht in der Vormutterschaftsversion. Aber ich bekomme ihn zurück. Und ich bin jetzt schon bereichert durch die zahlreichen Veränderungen, die ich erleben darf.

Eine Antwort zu “Alles neu”

  1. Von Andrea am 11. Juni 2020

    Alles Gute für den weiteren Verlauf Deiner Schwangerschaft und die bevorstehende Geburt. Lass Dich gut beraten, aber nicht verrückt machen. Ich weiß nicht wie viele Ratschläge ich damals bekam, Du sicher auch, sobald Dein Umfeld es weiß. Such Dir die besten aus. Und auch nach der Geburt wird Dein Körper nicht gleich Dir gehören. Wenn es Dir möglich ist, stille so lange Du es für Dich angenehm empfindest (bei mir war es jeweils voll Stillen 6 Monate, danach ein ganz langsamer Ausstieg bis um den 15. Monat, ab dem meine Töchter dann keine Brust mehr brauchten und es für mich auch schon etwas nervig wurde). Ich hätt es nicht missen mögen, obwohl auch während dieser Zeit einige Sachen weiterhin tabu sind. Dafür hast Du dann jedes Mal eine Menge Oxytocin im Blut, das macht Stillen zu unvergleichlich schönen Momenten. Dafür kann man gerne auf eine Weinschorle verzichten.
    Auch danach, glaub‘ nicht, dass Du danach je Deinen Körper wirklich wieder ganz „zurück“ haben wirst. Das viele Umarmen, bis heute, wo sie schon erwachsen sind, die stete Bereitschaft, für die Sorgen der Kinder ein offenes Ohr zu haben – Mutter wird man und bleibt es dann für den Rest seines Lebens. Vater übrigens auch. Dass er mal nicht neidisch wird, weil er keine Brust geben kann, und dass er immer stolz wie Oskar bleibt, und an Deiner Seite zum „besten Papa der Welt “ mutiert, das wünsche ich Euch.

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