Der neue Tradwife-Feminismus

Frauen geben im Namen der Selbstbestimmung ihre Weiblichkeit auf. Stattdessen sollten sie sich mehr auf traditionelle Werte besinnen und weniger arbeiten.
Seit Jahrzehnten kämpfen feministische Bewegungen für die Befreiung weiblicher Lust, für Selbstbestimmung und gegen die Scham, die lange auf weiblicher Sexualität lastete. Heute scheint dieser Kampf an einem neuen Höhepunkt angekommen zu sein. In der Popkultur zeigen Künstlerinnen wie Shirin David oder Nicki Minaj ihren Körper offensiv, feiern ihre Sexualität als Machtinstrument und präsentieren sich als Sinnbild der modernen, starken Frau.
Gleichzeitig wächst eine Gegenbewegung: der „Tradwife“-Trend (traditionelle Hausfrau). Auf Instagram hat der Hashtag mehr als 100 Millionen Aufrufe. Frauen dokumentieren dort bewusst ihre Rolle als Hausfrau und Mutter – ein Lebensmodell, das sie als Rückkehr zu echter Weiblichkeit verstehen.
Auch ich habe mich lange Zeit intensiv mit dem Feminismus auseinandergesetzt – mit jener Form des Feminismus, die Frauen dazu ermutigt, hart zu sein, unabhängig um jeden Preis, immer stark. Lange bemerkte ich nicht, wie ich mich Schritt für Schritt von der Liebe entfernte. Wie sich ein unterschwelliger Hass gegen Männer und das Patriarchat in mein Herz schlich und mich fast vergessen ließ, was eigentlich tief in mir lebte: der Wunsch, eines Tages Mutter zu sein. Eine Familie zu haben. Mit meinen Liebsten an einem Tisch zu sitzen, selbstgekochtes Essen zu teilen – und am Abend in die Arme meines Mannes zu fallen, ohne meine Weichheit als Schwäche zu empfinden.
Sanftheit als weibliche Qualität
Heute, als werdende Mama und Frau in einer heterosexuellen Beziehung, sehe ich vieles mit anderen Augen. Ich erkenne, wie sehr mich gewisse feministische Ideale von meiner „weiblichen Urkraft“, wie ich sie nenne, entfernt haben. Und ja – ich sehe die Gefahren, die in manchen Formen des Feminismus liegen können: wenn sie Frauen von ihrer Sanftheit entfremden, anstatt sie darin zu stärken.
Für viele mag es auf den ersten Blick wie ein Rückschritt wirken, doch bei genauerem Hinsehen ist es eine Rückbesinnung auf weibliche Qualitäten, die in der modernen Selbstinszenierung fast verloren gegangen sind. Kulturell und gesellschaftlich wird Weiblichkeit seit Jahrtausenden mit Weichheit, Intuition und Fürsorge assoziiert. Frauen schenken Leben, tragen emotionale Tiefe und Bindung in sich. In traditionellen Gesellschaften übernehmen Männer dagegen die Rolle des Beschützers und Versorgers. Sie geben Stabilität, während die Frau den einfühlsamen Teil übernimmt. In diesem Zusammenspiel sehe ich eine natürliche Balance, in der eine für mich echte, tiefgründige und langfristige Beziehungen gedeihen kann.
Aus meiner Sicht wird diese Balance heute zerstört: Junge Frauen werden ermutigt, Härte zu entwickeln, ihre Sexualität als Waffe einzusetzen und Macht durch Provokation zu definieren. In dem Versuch, sich „selbst zu befreien“, entfernen sie sich von etwas, das man als „wahre weibliche Essenz“ beschreiben könnte. Traditionelle Beziehungsmodelle, in denen sich Mann und Frau ergänzen, werden dadurch immer seltener. Auch wenn viele Frauen nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung streben: Die Sehnsucht nach echter Nähe und Geborgenheit bleibt tief im Innersten meist bestehen. Kann es sein, dass Liebesbeziehungen heute schneller zerbrechen, weil die natürliche Polarität zwischen männlicher und weiblicher Energie verloren ist?
Diese Entfremdung ist tatsächlich nicht gut für Frauen. Der weibliche Zyklus ist ein biologischer Rhythmus, der nicht nur Fruchtbarkeit, sondern auch Energielevel, Konzentration, Belastbarkeit und emotionale Sensitivität beeinflusst. Während Männer auf konstantem Energielevel funktionieren, brauchen Frauen in bestimmtem Phasen Rückzug und Erholung. Der klassische 9-to-5-Job orientiert sich am männlichen Rhythmus; für Frauen ist er biologisch ungünstig. Wer permanent gegen den eigenen natürlichen Zyklus arbeitet, riskiert hormonelle Störungen, chronische Krankheiten und Burnouts.
Unabhängigkeit um jeden Preis
Der Versuch, in männlich geprägten Systemen zu bestehen, führt also nicht zu echter Emanzipation, sondern im Gegenteil, er schadet Frauen langfristig körperlich und seelisch. Und doch wird genau dieser Weg heute oft als „feministischer Fortschritt“ verkauft. Ursprünglich kämpfte der Feminismus für fundamentale Rechte: das Wahlrecht für Frauen, die Anerkennung von Vergewaltigung in der Ehe als Straftat, die Möglichkeit zu arbeiten. Das waren echte Probleme, die Frauen tatsächlich in ihrer Freiheit beschränkt haben. Dass heute Themen wie der Gender-Pay-Gap als gleichwertig schwerwiegende Probleme gelten, hat auch damit zu tun, dass stabile, lebenslange Partnerschaften zunehmend als unrealistisch oder gar unerreichbar gelten. In einer Zeit, in der Sicherheit oft mit Unabhängigkeit gleichgesetzt wird, sollen Frauen möglichst wirtschaftlich eigenständig sein – nicht zuletzt, um im Fall einer Trennung abgesichert zu sein. Die Idee, sich „ein Hintertürchen offen zu halten“, wird fast schon zur Pflicht aus Angst davor, sich in eine emotionale oder finanzielle Abhängigkeit zu begeben, wenn ein Mann eben doch nicht bleibt.
Aber ich wage sogar noch einen Schritt weiter: Was heute als Befreiung gefeiert wird – etwa die offene Zurschaustellung des Körpers oder der Druck, Karriere auf männliche Weise machen zu müssen – sind oft Erste-Welt-Probleme einer saturierten westlichen Gesellschaft, die vergessen hat, wofür Feminismus einst stand. Das ist nicht nur traurig, sondern auch zutiefst frustrierend. Denn echter Feminismus, in seiner ursprünglichen Form, verdient Ernsthaftigkeit, nicht die Degradierung zu einem Lifestyle-Slogan.
Was Künstlerinnen wie Shirin David oder Nicki Minaj vorleben, ist keine Befreiung. Es ist eine neue, schillernde Verpackung eines alten Problems: Frauen werden weiterhin auf ihre Körper reduziert. Nur diesmal unter dem Vorwand der Selbstbestimmung. Dazu kommt die Erwartung, sich männliche Muster anzueignen, statt die eigene weibliche Kraft zu ehren. Wahre Emanzipation aber bedeutet nicht, sich neuen Rollen zu beugen, sondern sich wirklich von ihnen zu befreien. Und das beginnt mit einer ehrlichen Rückbesinnung darauf, was Weiblichkeit im Kern wirklich bedeutet.
Das heißt gewiss nicht, dass jede Frau Mutter werden muss oder gar sollte. Es gibt Frauen, die in ihrer Berufung aufblühen und für die genau das der Weg ist, auf dem sie ihre Kraft leben. Und dennoch ist es meiner Meinung nach gerade heute wichtiger denn je, jungen Frauen wieder vorzuleben, wie schön Weichheit, Intuition und Hingabe sein können. Wie erfüllend Weiblichkeit sein kann, fern von künstlich erzeugten Stereotypen oder modischen Überlagerungen. Alte Rollenbilder sind nicht per se überholt oder „falsch“, nur weil sie alt sind. In manchen von ihnen liegt Weisheit, wenn wir sie bewusst und aus freiem Herzen heraus wählen.