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Die Nordsee wird gasförmig – was soll’s?!

Von Sagwas-Redaktion / 29. März 2012
picture alliance / ESTADAO CONTEUDO | MARCIO FERNANDES

Die Katastrophen-Berichterstattung hat ein neues Fressen gefunden: Aus einem Leck der Nordsee-Förderplattform Elgin strömt unter großem Druck unkontrolliert Gas aus. Seit dem 25. März  sind es jeden Tag etwa 200.000 Kubik­meter, die aus 6.000 Metern Tiefe an die Meeres­oberfläche aufsteigen. Das Leck konnte bisher noch nicht lokalisiert werden. Experten denken bereits über eine Entlastungs­bohrung nach, um den […]

Die Katastrophen-Berichterstattung hat ein neues Fressen gefunden: Aus einem Leck der Nordsee-Förderplattform Elgin strömt unter großem Druck unkontrolliert Gas aus. Seit dem 25. März  sind es jeden Tag etwa 200.000 Kubik­meter, die aus 6.000 Metern Tiefe an die Meeres­oberfläche aufsteigen. Das Leck konnte bisher noch nicht lokalisiert werden. Experten denken bereits über eine Entlastungs­bohrung nach, um den Druck, mit dem das Gas ausströmt, deutlich zu reduzieren. Aber selbst wenn das den erhofften Effekt hätte, würde diese zweite Bohrung bis zu sechs Monate dauern. Der Börsenkurs des Betreibers der Platt­form, der französische Energiekonzern Total, brach bereits am Dienstag dieser Woche dramatisch ein.

Soweit die Fakten. Dazu kommen Stellungnahmen der üblichen Verdächtigen: Die konzerninternen Experten stellen ihrem Katastrophenmanagement ein gutes Zeugnis aus und beruhigen, dass keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung bestehe. Unabhängige Umweltorganisatoren, wie zum Beispiel die internationale Vereinigung Bellona mit Sitz in Oslo oder Greenpeace, glauben dem Frieden nicht, machen sich ein eigenes Bild vor Ort und warnen mit Slogans wie „Well of Hell“ (Bohrloch der Hölle) vor einem Horror­szenario: Die Gaswolke könnte sich entzünden und explo­dieren. Auch die Auswirkungen auf Wasserqualität und Meeresbewohner seien nicht abzuschätzen.

Wenn es nun aber nicht zu einer sagenhaften Explo­sion kommen sollte, wird die Havarie der Elgin bald wieder in den medialen Hintergrund treten, und so nach und nach aus unserem Gedächtnis verschwinden. Monate später kann man dann wieder, in meist kürzeren Artikeln, nachlesen, wie schlimm die Auswirkungen der Katastrophe auf die Umwelt waren und welcher Gesamtschaden für die Versicherungs­wirtschaft entstanden ist. Der Aktienkurs hat sich bis dahin wieder eingependelt, und ansonsten ändert sich meist wenig bis nichts.

So zumindest war es bisher bei der Katastrophe auf der Ölplattform Deepwater-Horizon im Golf von Mexiko 2010, beim Leck während der Tiefseebohrung im brasilianischen Gewässer Bacia de Campos 2011 oder auch beim Untergang einer russischen Ölplattform im Ochotskischen Meer einen Monat später.

Es geht noch tiefer
Nun könnte man meinen, dass die Konzerne aufgrund der vor allem hohen wirtschaftlichen Risiken freiwillig von Tiefseebohrungen absehen würden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Suche nach Öl und Gas in den tiefsten Abgrün­den des Meeres wird sich immer mehr ausdehnen. Denn um die westliche Energieversorgung der Zukunft zu garantieren und ihr Wachstum gegen die Ölstaaten zu behaupten, haben Ölkonzerne wie Exxon, BP oder Shell nur eine Chance: Sie müssen ihren Wissensvorsprung bei Offshorebohrungen ausnutzen und auf immer risikoreichere Fördermethoden ausweichen, um an die begehrten Rohstoffe zu kommen. Denn bei den ölreichen Staaten, von Russland über Iran bis hin zu Saudi Arabien, haben die westlichen Konzerne schon lange sehr schlechte Karten. Und auch in Afrika oder Südamerika gehen die begehrten Förderlizenzen für meist kleinere Ölvorkommen oft an Chinesen oder Inder.

Parallel zu den schwindenden Ressourcen wie Öl und Gas, steigt der Energiebedarf der Welt. Immer mehr Menschen können sich ein Auto leisten, wollen in den Urlaub fliegen oder, viel bescheidener, im Winter nicht frieren. Mit jedem Prozent Wachstum steigt allein das globale Verkehrs­aufkommen um 1,7 Prozent. Und nach Wachstum streben alle Staaten. Ein Umdenken hin zu erneuerbaren Energien steckt – global gesehen – noch in den Kinderschuhen. Wie auch, wenn wir seit Jahrzehnten bei unserer gesamten Wirtschaftsweise auf billiges Öl setzen?

Nach Katastrophen wie der aktuellen blickt die Welt schaudernd auf den Ort des Geschehens. Stimmen, die „Weg vom Öl“ oder „Stoppt die Tiefseebohrung“ fordern, werden dann lauter. Aber nur für kurze Zeit. Denn eins ist klar: Wenn wir weiterhin so viel Energie verbrauchen wie bisher und uns nicht in die Abhängigkeit der Ölstaaten begeben wollen, dann müssen wir auch in Zukunft mit Umwelt­schäden wie die der Nordsee-Plattform Eglin leben. Das muss die Umwelt aushalten.

Dazu gibt es keine Alternative! Oder etwa doch?
Was können Staaten machen? Was kann jeder einzelne tun?

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