Geld, Macht und Sklaverei

Ein dunkles Bild, Feuer und eine Bildercollage: Bei „All the money“ werden die Zuschauer:innen in die Vergangenheit gestoßen, in eine Zeit der Unterdrückung und Sklaverei. Wer musste dafür leiden? Wer hat profitiert? Antworten auf Fragen wie diese werden hier gegeben.
Das schwarze Bild weicht schnell einem Stapel Papier, der brennend die Leinwand in Gelbtönen erleuchtet, bevor grauer Rauch es ersetzt und ein Cut zu einem britischen König folgt. Vor schwarzem Hintergrund werden die verschiedenen Bilder präsentiert. Blaue Handschuhhände bewegen sie hastig. Leise spielt ein Klavier dazu. Die einzelnen Töne erklingen und verbreiten sich wie ein Echo im Raum. Nach einigen Sekunden ist die tiefe Stimme eines Mannes zu hören.
So startet am 4. April um 20 Uhr „All the money“ im Kino Sweet Sixteen in Dortmund. Im Rahmen der langen Filmnacht des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund+Köln e.V. (IFFF) wurde das Musikvideo gezeigt. Dieses kunstvolle Edit zu dem gleichnamigen Lied von Moor Mother hinterfragt den Wohlstand Großbritanniens beziehungsweise der englischen Königsfamilie und dessen Ursprung. Regisseurin Cauleen Smith hat eine Collage aus verschiedenen Bildern geschaffen, die im Takt der Musik auf der Leinwand erscheinen und sich mit den Tönen in der Zeit fortbewegen zu scheinen.
Moor Mother oder auch Moor Mother Goddess alias Camae Ayewa ist eine amerikanische Musikerin, Künstlerin und Aktivistin, deren Songtexte sowohl spirituell als auch politisch gedacht sind. Geprägt von Jazzsängern und Hip-Hop-Bands wie den legendären Beastie Boys in ihrer Kindheit hat die Künstlerin einen eigenen Klang erschaffen aus einer Mischung aus Hip-Hop, Jazz, Punk und Gedichten. Afroamerikanische Aktivist:innen während der Bürgerrechtsbewegung wie Malcolm X haben sie nachhaltig in ihrer Kindheit beeindruckt, wodurch die Lieder der aus Maryland stammenden 43-Jährigen meist sehr direkt sind. Sie umschreibt nicht die Probleme, die sie wahrnimmt, sondern geht sie geradewegs an, sei es in ihrer Kunst oder ihrer aktivistischen Arbeit in ihrer lokalen Gemeinde.
Erhabene Köpfe und Handschellen
Die Männerstimme bietet eine akustische Stütze, indem sie den Kontext zwischen Botschaft und Bildern herstellt. Sie spricht von Geldsummen, Gebäuden mit gestohlenen Artefakten und Orten, die nur durch angehäuften Reichtum entstanden. Abwechselnd zu sehen sind ausgedruckte Bilder, Nebel, die Hände und später das Feuer in Nah- und Totalaufnahmen. Die zunächst unaufgeregte Abfolge hebt Details hervor wie Handschellen von Sklaven oder Juwelen auf Kronen, die auf erhobenen Köpfen platziert sind.
Immer wieder zu sehen sind Hände. Hände in Plastikhandschuhen, die Fotos zurechtrücken, nur um sie dann auf den schwarzen Untergrund zu klatschen und sie regelrecht aus dem Bild herauszuziehen. Die Farbe eines grellen Blaus steht in starkem Kontrast zur schwarzen Fläche und den ausgedruckten Bildern. Es wirkt, als zeige ein Archivar oder eine Historikerin emsig Bilder oder gar Beweise für die angedeuteten Verbrechen. Die Aufnahme und darin enthaltene Elemente (Musik, gesprochener Text, Bewegungen der Hände, immer schnellere Cuts zwischen den Szenen) werden im Laufe des Films hektischer. Unterstützt wird diese Stimmung durch ein melodisches Heulen einer Frau und eine Frauenstimme, die die Wortfetzen des Sprechers wiederholt. Bilder von gotischen Kirchen werden mit Tinte überschüttet. Ob sie das Blut Ausgebeuteter durch die (katholische) Kirche darstellt? Die Einschätzung bleibt den Zuschauenden überlassen.
„All the money“ beschreibt in Szenen wie diesen den Wert, den Geld im Vergleich zu Menschenleben einnimmt. Um circa 1550 begann der britische Sklavenhandel durch gerissene Akteure wie Sir John Hawkins of Plymouth, welcher portugiesische Sklavenschiffe überfiel und die versklavten Afrikaner weiterverkaufte. Mit ihren ersten amerikanischen Kolonien ab Mitte des 17. Jahrhunderts stieg der Menschenhandel exponentiell an, denn Sklaven wurden auf den Plantagen gebraucht. Mitte des 18. Jahrhunderts hatte England dann die größten Population afrikastämmiger Menschen.
Die Parallele zu heute ist unverkennbar. So erlangten in den Vereinigten Staaten von Amerika ehemalige Sklaven ihre Freiheit durch den Bürgerkrieg, was nicht zwangsläufig bedeutete, dass sie als gleichberechtigt galten. Obwohl die afroamerikanische Bevölkerung inzwischen über die gleichen Rechte verfügt, verspricht die hart errungene Rechtssprechung nicht, dass sie auch dieselbe Chancengleichheit wie ihre weißen Mitbürger:innen genießt.
Tiefe Schwere
Das wenige Minuten dauernde Video löst eine tiefe Schwere aus. Sklaverei zu thematisieren und durch einen fast schon gruselig wirkenden Sound zu untermalen, verstärkt die gegensätzliche Wahrnehmung zu prunkvollen königlichen Juwelen. Wer allerdings von klassischen „Musikvideos“ spricht, wird sicher nicht an Projekte wie „All the money“ denken, dessen Botschaft in künstlerischer sowie interpretatorischer Hinsicht hervorragend umgesetzt wurde.
Die Herkunft des Reichtums etwa Großbritanniens liegt in der Grausamkeit der Sklaverei begraben. Am Ende etwas eingeschüchtert von der gewöhnungsbedürftigen, schweren und leicht beängstigenden Tonspur dazustehen, war sicherlich das Ziel Cauleen Smiths. Unterdrückung für Wohlstand und Reichtum ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte der gesamten Menschheit, dessen Folgen immer noch zu spüren sind und deshalb sollten wir ihn nicht vergessen: den Ursprung von „All the money“.