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Heimat, endlich!

Von Bilkay Öney / 29. Oktober 2013
picture alliance / Zoonar | benis arapovic

Integration und Migration sind Zukunftsthemen, denen die neue Bundesregierung einen größeren Stellenwert einrichten sollte. Es ist richtig, dass Integrationspolitik eine klassische Querschnittsaufgabe ist. Das heißt aber nicht, dass sie überall und nirgends zu Hause ist. Dass niemand richtig verantwortlich ist. Dass Integration ein Nebenbei-Feld der Politik bleiben muss. Ändert sich in Zukunft nichts, dann bleibt […]

Integration und Migration sind Zukunftsthemen, denen die neue Bundesregierung einen größeren Stellenwert einrichten sollte. Es ist richtig, dass Integrationspolitik eine klassische Querschnittsaufgabe ist. Das heißt aber nicht, dass sie überall und nirgends zu Hause ist. Dass niemand richtig verantwortlich ist. Dass Integration ein Nebenbei-Feld der Politik bleiben muss. Ändert sich in Zukunft nichts, dann bleibt Integration ein Zukunftsthema und wir verschlafen einmal mehr die Chancen und Potenziale einer aktiven Gesellschaftspolitik.

Nach zweieinhalb Jahren an der Spitze des Ministeriums für Integration in Baden-Württemberg ist meine Erfahrung: Integrationspolitik muss institutionell verankert und mit Kompetenzen ausgestattet sein. Das Thema Integration war unter der alten Landesregierung zersplittert. Zum einen gab es beim Justizministerium eine Stabsstelle Integration, zum anderen lagen Zuständigkeiten im Innenministerium. Wir haben die Integrationspolitik in einem Haus gebündelt. Das ist der Grund, warum wir in kurzer Zeit sehr viel anstoßen und erreichen konnten. Mein Haus geht Gesetzesvorhaben an und nutzt seine Spielräume aus.

Da ist zum Beispiel das von uns eingebrachte Änderungsgesetz zum Staatsangehörigkeitsgesetz, welches der Bundesrat verabschiedet hat. Damit streben wir die Zulassung der doppelten Staatsangehörigkeit in Deutschland an. Auf Landesebene novellieren wir das Flüchtlingsaufnahmegesetz und schaffen mit dem Landesanerkennungsgesetz eine Grundlage für die Prüfung von im Ausland erworbenen Qualifikationen.

Nur wenn sich die vielzitierte Willkommenskultur genauso in den gesetzlichen Rahmenbedingungen wie in den Köpfen der Menschen widerspiegelt, machen wir bei der Integration weitere Fortschritte. Strukturelle und persönliche Diskriminierungen bedingen und verstärken sich. Wir werden die Teilhabe benachteiligter Menschen nur dann ändern, wenn wir sowohl die Aufnahmegesellschaft sensibilisieren und mitnehmen als auch unser Bildungssystem, unseren Arbeitsmarkt und unseren Wohnungsmarkt chancengerechter machen.

Die interkulturelle Öffnung der Behörden, Unternehmen, Verbände und Vereine ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Unsere Gesellschaft ist plural. Die Menschen haben verschiedene soziale und ethnische Wurzeln. Sie verfolgen unterschiedliche Lebensziele und Lebensweisen. Um angemessen auf die Forderungen von Kunden, Mitarbeitern, Mitgliedern, Wettbewerbern, Anteilseignern, Steuerzahlern und anderen Anspruchsgruppen eingehen zu können, muss sich die Vielfalt in unseren Institutionen, Ämtern und Firmen abbilden. Nur dann sind sie für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet.

Ich erwarte von der künftigen Bundesregierung, dass sie der Integrationspolitik eine Heimat gibt, dass sie sie mit Kompetenzen und Ressourcen ausstattet, dass sie Zuständigkeiten bündelt und Transparenz herstellt, dass sie Teilhabe und Chancengerechtigkeit fördert, dass sie strukturelle Hindernisse und Benachteiligungen abbaut und dass sie sich für eine interkulturelle Öffnung unserer Gesellschaft aktiv einsetzt.

7 Antworten auf „Heimat, endlich!“

  1. Von AnnaR am 29. Oktober 2013

    Momentan sieht es ja wahrlich so aus, als ob die Große Koalition kommt: und mit ihr dann hoffentlich auch die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft! Da scheint ja die CSU der SPD entgegen zukommen zu wollen. Ein längst fälliges Zeichen für die jungen Leute mit Migrationshintergrund in unserem Land!!

  2. Von HuberTUS am 29. Oktober 2013

    Ja, aber mit der doppelten Staatsbürgerschaft ist es ja dann bei Weitem noch nicht getan! Wie Frau Öney schreibt, es geht um die Willkommenskultur und die interkulturelle Öffnung – die aber nicht nur auf dem Papier in den Verwaltungen als Leitlinie stehen darf, sondern GELEBT werden muss. Und da scheinen die Deutschen gerade in den einschlägigen Institutionen noch im Lichtjahre entfernt zu sein!
    Oder sehe ich das zu negativ??

  3. Von Max S am 30. Oktober 2013

    Soviel ich weiss, sind sich die meisten SPD geführten Länder einig, dass die doppelte Staatsbürgerschaft kommen soll. Hoffentlich wird sie kein Bauernopfer der Koalitionsverhandlungen mit Angela M. Danke für den Blog, Frau Öney

  4. Von LinkeKlebe am 30. Oktober 2013

    Wer einen intelligente und fortschrittliche Integrationspolitik will, muss Schwarz-Rot ablehnen. Nur Rotgrün oder Rotrotgrün könnten das leisten. Eine Mehrheit für das zweite gibt es schon, allein der Wille fehlt.

  5. Von Klaus Wittmann am 30. Oktober 2013

    @linkeklebe: Der Hinweis auf die Mehrheit im Bundestag links von der Union darf nicht mit einer gesellschaftlichen Mehrheit verwechselt werden! Immerhin haben bei der Bundestagwahl mehr als 50% CDU, FDP und AfD gewählt! Integrationspolitik „von oben“ ohne Rücksicht auf die Meinugnen der Bürger könnte dazu beitragen, dass es mehr Rechtspolulismus gibt.

  6. Von Türkan am 5. November 2013

    Was soll das vorsichtige Gerede? Wir brauchen ein Bundesintegrationsministerium und zwar eines, das stärker ist und mehr Ressourcen hat, als das vergleichsweise kleine Haus von Frau Öney. Ich kann das ganze Gerede von „wir brauchen…“ und „man müsste…“ nicht mehr hören!

  7. Von Rheingold am 6. November 2013

    Nein, ich sehe das nicht so. Ein Bundesintegrationsministerium kann das auch nicht alles richten!! Das wäre dann doch der Klassiker: dann schiebt man alle Zuständigkeiten für Integration nur da hin und sagt: Nicht unser Job! Nein, Integration ist eine Querschnittsaufgabe und gehört daher als Aufgabe in alle Ministerien und Behörden!!

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