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Loyalität ist keine Einbahnstraße

Von Bilkay Öney / 17. Mai 2013
picture alliance / JOKER | Peter Albaum

Das Staatsangehörigkeitsrecht muss einbürgerungsfreundlicher werden. Deshalb hat die Landesregierung von Baden-Württemberg beschlossen, einen Gesetzentwurf zur Liberalisierung der Regelungen in den Bundesrat einzubringen. Es ist höchste Zeit, Einbürgerungshemmnisse, die in vielen westlichen Staaten längst kein Thema mehr sind, auch in Deutschland zu beseitigen. Dazu gehört das Dogma, wonach ein Deutscher neben seinem deutschen Pass keine weiteren […]

Das Staatsangehörigkeitsrecht muss einbürgerungsfreundlicher werden. Deshalb hat die Landesregierung von Baden-Württemberg beschlossen, einen Gesetzentwurf zur Liberalisierung der Regelungen in den Bundesrat einzubringen. Es ist höchste Zeit, Einbürgerungshemmnisse, die in vielen westlichen Staaten längst kein Thema mehr sind, auch in Deutschland zu beseitigen. Dazu gehört das Dogma, wonach ein Deutscher neben seinem deutschen Pass keine weiteren Nationalpässe besitzen darf. Selbst einzelne Unions- und FDP-Politiker drängen in diesem Punkt auf Änderungen.

Unsere Bundesratsinitiative hat zum Ziel, Mehrstaatigkeit zuzulassen und die Optionspflicht abzuschaffen. In anderen Ländern ist die Hinnahme von Mehrstaatigkeit weder für den Staat noch für die Betroffenen ein Problem. So wird in den USA toleriert, dass Neubürger ihre alte Staatsangehörigkeit beibehalten. Auch in Europa ist der Trend eindeutig: Frankreich, die Niederlande, Belgien und andere Staaten sind hier liberaler. Im europäischen Vergleich rangiert Deutschland am Ende der Skala. Als Global Player und Einwanderungsland sollten wir gleichziehen.

Das Argument der Konservativen, dass Zuwanderer nur einem Land gegenüber loyal sein können, ist überholt: Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit wird bereits vielfach durchbrochen, zum Beispiel bei EU-Bürgern. Seit Jahren erfolgen rund 50 Prozent der Einbürgerungen in Deutschland unter Hinnahme von Doppelpässen. Auch bei unmöglichen, willkürhaften oder unverhältnismäßig aufwendigen Entlassungsverfahren der Nicht-EU-Staaten ist Mehrstaatigkeit zugelassen. Damit hängt es oftmals an anderen Ländern, ob in Deutschland jemand zwei Pässe haben darf oder nicht. Das ist eine Ungleichbehandlung und diskriminierend für diejenigen, die ihren bisherigen Pass abgeben müssen.

Auch die Optionspflicht entspricht nicht der Realität einer modernen Einwanderungsgesellschaft. Sie schafft nicht nur Deutsche erster und zweiter Klasse, sondern auch Staatsbürger auf Zeit. Seit dem Jahr 2000 erwerben Kinder mit zwei ausländischen Elternteilen durch die Geburt in Deutschland die deutsche Staatsbürgerschaft – vorausgesetzt ein Elternteil hat seit acht Jahren seinen dauerhaften und rechtmäßigen Aufenthalt hier und besitzt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. In der Regel haben diese Kinder zudem die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern. Sie müssen sich zwischen dem 18. und 23. Geburtstag für eine Staatsangehörigkeit entscheiden und verlieren automatisch die andere.

Es ist richtig, dass die meisten Optionspflichtigen den deutschen Pass wählen und nur relativ wenige gleichzeitig ihre ausländische Staatsangehörigkeit behalten wollen. Das darf aber nicht zu dem Schluss verleiten, dass diese Entscheidung ohne innere Konflikte abgeht. Im Zweifel entscheiden sich die jungen Menschen für das Land, in dem sie aufgewachsen sind und ihre sozialen Bindungen haben. Wir wissen aber aus Studien des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass rund die Hälfte der Optionspflichtigen gerne auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern neben der deutschen behalten würden. Die familiären Wurzeln und Traditionen sind ein Teil ihrer Identität. Warum sollen wir ihnen diese absprechen? Hinzu kommt: Die Optionsregelung verursacht viele weitere Probleme. So hat die erwähnte BAMF-Studie ergeben, dass rund einem Drittel der Optionspflichtigen nicht bewusst ist, wie weitreichend die Folgen sein können, wenn sie sich auf Schreiben der Behörden nicht melden. Es gibt schon erste Fälle, bei denen die deutsche Staatsangehörigkeit ungewollt verloren gegangen ist. Auch aus Verwaltungssicht ist die Optionsregelung problematisch. Sie verursacht einen enormen Beratungs- und Bürokratieaufwand in den zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörden.

Wir leben heute nicht mehr in einer Welt abgegrenzter Nationalstaaten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Realität sind Staaten, deren Menschen sich nicht an Grenzen orientieren, sondern an grenzüberschreitenden Lebensmöglichkeiten. Die Loyalität gegenüber einem Staat richtet sich dabei nicht per se gegen einen anderen Staat. Andere Länder machen uns dies vor – ohne Probleme. Investieren wir in die Chancen und nicht in die Ängste.

7 Antworten auf „Loyalität ist keine Einbahnstraße“

  1. Von Klaus Uwe Benneter am 22. Mai 2013

    Danke für die neue Initiative, die wir immer, immer wieder wiederhollen müssen. Steter Tropfen hölt den Stein!Irgendwann wird es auch in Deutschland mit dieser unterschwelligen latenten Fremdenangst vorbei sein.

  2. Von Manfred Bobke, Dr. RA am 22. Mai 2013

    Richtig. Eine gute Initiative.

  3. Von Rusta.Dr. am 22. Mai 2013

    Die Möglichkeiten der Bürger zu erweitern statt einzuschränken, ist ein Gebot der Zeit des integrierten Europas und der Globalisierung. Die Politik, die diesem Gebot folgt, wird bessere Staatsbürger hevorbringen, als die Apologeten des abgegrenzten Nationalstaates es je vermuten könnten. Das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht muss dringend modernisiert werden, deshalb ist diese Iniiative uneingeschränkt zu begrüßen.

  4. Von Dr. Klaus Schaefer am 22. Mai 2013

    Wir haben über 3 Mio. türkische Mitbürger mit steigender Tendenz. Für diese Mitbürger fordert Ministerpräsident Erdogan türkische Schulen. Dies würde zu einem Staat im Staate führen, den Erdogan sicher nicht in der Türkei für die deutsche Bevölkerung wünscht. Mir ist unbekannt, ob diese Deutschen das Recht auf die türkische Staatsangehörigkeit bei Beibehaltung der deutschen haben. Das Optionsrecht für Erwachsene ist keine Belastung. Man kann sich frei entscheiden. Für die Integration ist jedenfalls die Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit hilfreich. EU-Bürger ist etwas anderes.

  5. Von Faudel am 22. Mai 2013

    @DR. KLAUS SCHAEFER
    Warum immer diese Vergleiche mit der Türkei und anderen Ländern. Das bestätigt doch genau das, was völlig zurecht von Menschen wie Bilkay Öney kritisiert wird: Werfen Sie doch bitte nicht die in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln in einen Topf mit Erdogan. Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Und sich im Rahmen des Optionsmodells FÜR die dt. Staatsbürgerschaft zu entscheiden, ist kein Indikator gelungener Integration. Wer so etwas behauptet, hat die Komplexität der Lage nicht erkannt.

  6. Von Peter Godbersen am 22. Mai 2013

    Ich unterstütze die Wahl einer doppelten Staatszugehörigkeit im oben ausgeführten Sinne.

  7. Von Monika Ganseforth am 22. Mai 2013

    Eine gute Initiative. Sie entspricht der Lebenswirklichkeit der Menschen. Ich hoffe, sie hat Erfolg.

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