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DebatteSind wir eine Generation Null-Bock?

Von Milena Tries / 30. Mai 2025
picture alliance/Westend61/Alena Kuznetsova

Die Arbeitswelt ist im ständigen Wandel: Die eine Generation geht in Rente, die nächste rückt nach – und hinterfragt dabei die bestehenden Strukturen. Zwischen dem Fokus auf die Work-Life-Balance und einer digitalen Dauererreichbarkeit kursieren viele Urteile über die Generation Z und ihrer Einstellung zur Arbeit: von anmaßend und verwöhnt bis innovativ und systemkritisch.

„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus […] und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.“

Dieses vermeintlich aktuelle Zitat stammt von Sokrates, der sich schon vor über 2.400 Jahren über die nachfolgende Generation empörte. Es ist ein Muster, das sich seither durchzieht: Die Jungen gelten als weniger belastbar und ihnen wird nachgesagt, zweifelsfrei weniger zu arbeiten als die vorausgegangene Generation. Es bildet die vielleicht einzige Konstante, in der sich ansonsten ständig wandelnden Arbeitswelt.

Die 5-Tage-Woche und Arbeitsrechte waren früher utopisch

Zur Zeit des deutschen Kaiserreichs betrug eine normale Arbeitswoche ca. 70 Stunden, Anfang des 20. Jahrhunderts immerhin noch 55–60 Stunden. Mittlerweile liegt die durchschnittliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigen laut Statistischem Bundesamt bei 40,2 Stunden pro Woche – insgesamt also ein Rückgang von über 40 % in den letzten 150 Jahren.

Was einst als utopisch galt, beispielsweise die Fünf-Tage-Woche, ist heute die Norm. Doch nicht nur arbeiten Menschen heute kürzer, sondern auch unter anderen Bedingungen: Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz und Mindestlohn zählen zu den Errungenschaften der Gewerkschaften der letzten Jahrzehnte und sind heute kaum noch wegzudenken. Parallel dazu kletterte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) weiter nach oben und die Produktivität nahm bis ins 21. Jahrhundert kontinuierlich zu – scheinbar eine Win-win-Situation. Nicht zuletzt aufgrund des wirtschaftlichen Strukturwandels stagnierte die durchschnittliche Produktivität in den letzten Jahren allerdings und ist seit 2023 leicht rückläufig. Dabei kann man durchaus die Frage stellen, ob sich das Muster der verbesserten Arbeitsbedingungen bei gleichzeitig stetigem Wirtschaftswachstum mit der Generation Z so noch fortsetzen lässt.

Es wird gerätselt: Was wollen junge Arbeitnehmer*innen?

Coworking bei Flat White in Kreuzberg oder nur kurz den Laptop am Pool auf Bali aufklappen: Glaubt man manchen Stimmen, wollen junge Menschen nur noch so arbeiten oder gleich gar nicht mehr. Buzzwords wie Work-Life-Balance und Sabbatical bestärken den Eindruck mancher, die Gen Z sei fordernd, aber kaum noch leistungsbereit. Also, was wollen sie denn nun wirklich, die jungen Leute?

Online werben zahlreiche Recruitingfirmen damit, ganz genau zu wissen, was die jungen Arbeitskräfte auszeichnet und wie man sie als Arbeitnehmer*in für sich gewinnt. Die Generation Z – also alle, die heute ungefähr zwischen 15 und 30 Jahre alt sind – gilt als gut ausgebildet, digital versiert und vor allem: gefragt. Da der geburtenstarke Jahrgang der Babyboomer nun nach und nach in Rente geht, sind sie als Arbeitskräfte begehrt und können es sich durchaus leisten, gewisse Ansprüche an Unternehmen zu stellen. Zu diesen zählen mehrheitlich ein angemessenes Gehalt, flexible Arbeitsgestaltung und ein Fokus auf psychische Gesundheit sowie ausreichend Freizeit. Gleichzeitig sind je nach Quelle aber auch Faktoren wie intellektuelle Herausforderungen, Weiterbildungsangebote und selbstständiges und innovatives Arbeiten von hoher Bedeutung.

Dabei geht es den meisten nicht nur um einen festen Homeoffice-Tag pro Woche, sondern darum, die Arbeitswelt grundsätzlich weiterzudenken und in diesem Zuge bestehende Definitionen und Strukturen zu hinterfragen.

Die Generation Z erweitert unser Verständnis von Arbeit

Arbeit, der Dreh- und Angelpunkt der Debatte. Dabei ist es gar nicht so einfach zu definieren, was Arbeit überhaupt ist. Rein ökonomisch bezeichnet man damit die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen. Im weiteren Sinne umfasst Arbeit jedoch eine „spezifisch menschliche Tätigkeit, die vor allem dazu dient, die zur Existenzsicherung notwendigen Mittel zu beschaffen.“

Letzteres umfasst ein sehr viel breiteres Spektrum und darum geht es auch der Generation Z: Sie stellt nicht nur die Arbeitsbedingungen in Frage, sondern auch unser Verständnis von Arbeit und Leistung selbst. Neben der klassischen Lohnarbeit, wird auch auf Sorgearbeit, “mental load“ und Ehrenämter verwiesen – also all jene Arbeit, die nicht im BIP auftaucht, aber trotzdem von erheblichem Wert für die Gesellschaft ist.

Was die verschiedenen Formen der Arbeit eint, so viele Vertreter*innen der Generation Z, ist der zentrale Aspekt der Kooperation, des Zusammenarbeitens. Egal, ob ein Vater sein Kind in die Kita oder eine Busfahrerin Menschen von A nach B bringt: Sie alle tragen zum Erhalt eines Systems und des gesellschaftlichen Wohlstands bei. Junge Menschen finden: Arbeit verläuft auf zwei Ebenen, der privaten und der gesellschaftlichen. Der Generation Z ist es wichtig, bei der Gestaltung unserer Arbeitswelt beide im Blick zu behalten. Zu Recht?



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