ContraBock auf Veränderung!
Das Konzept Arbeit hat sich stark gewandelt, jetzt muss der Jobmarkt nachziehen. Ohne die Forderungen der Generation Z, wäre Wandel unmöglich.
„Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand unseres Landes nicht erhalten können“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Mitte Mai bei der Jahreskonferenz des CDU-Wirtschaftsrats in Berlin. In diesem Satz steckt nicht nur die erneute Debatte, um eine sich wandelnde Arbeitswelt, sondern auch der oft beschriebene Generationenkonflikt, wenn es um die Arbeitswilligkeit geht. Den Wohlstand, den Merz meint, hätten schließlich er und die vorangegangenen Generationen erarbeitet. Nun sei es an den jungen Menschen, diesen zu erhalten. Doch viele von Merz‘ Altersgenossen wundern sich darüber, dass für junge Menschen scheinbar nur Freizeit zählt.
Dass die Generation Z, sprich die Jahrgänge von 1995 bis 2010, arbeitsfaul sei, stimmt allerdings nicht. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sogar mehr Menschen zwischen 20 und 25 Jahren erwerbstätig sind als in den vergangenen Jahrzehnten. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fand heraus, dass so viele 20- bis 24-Jährige arbeiten wie seit etwa 30 Jahren nicht mehr. Trotzdem hält sich das Vorurteil der trägen jungen Menschen hartnäckig und sorgt für Reibereien in der Arbeitswelt.
Fakt ist, dass junge Menschen Arbeit anders definieren und sie im Leben anders gewichten. Arbeit ist heutzutage nicht mehr die Schicht in der Fabrik, sondern auch die Mail, die man auf dem Weg ins Büro schreibt und der Anruf, den man an der Supermarktkasse doch noch entgegennimmt. Zudem ist Arbeit nicht nur Lohnarbeit. Die Kinder vom Kindergarten abholen ist Arbeit. Häusliche Pflege ist Arbeit. Aktivismus auf Social Media ist Arbeit. Das Konzept „Arbeit“ hat sich verändert, also muss sich auch unser Umgang mit ihr ändern.
Weil die Grenze zwischen Arbeit und Feierabend so fließend ist, und es schwer ist, abzuschalten, fordern junge Menschen mehr Freizeit ein für eine bessere sogenannte Work-Life-Balance. Sie wollen das Geld, was sie erwirtschaften, ausgeben können. Die Wohnung, deren teure Miete sie zahlen, nutzen. Freundschaften und romantische Beziehungen pflegen und Zeit mit ihren Kindern verbringen. Das ist keine naive Träumerei, wie sie oft dargestellt wird, sondern ein normales Bedürfnis sozialer Wesen und eine Lehre aus den vergangenen Jahren.
Der Sinn des Lebens ist leben
Die Finanzkrise von 2008 wie auch die starke Inflation 2022 haben jungen Menschen gezeigt, wie unsicher der Arbeitsmarkt und der Wert ihrer Arbeit sind. Den Job kann und muss man manchmal wechseln, das macht diese Generation öfter und williger als die davor. Auch, weil ihnen durch die in Rente gehenden Babyboomer viele Möglichkeiten offen stehen und junge Menschen sich dessen bewusst sind. Das Private jedoch, das bleibt und ist für die Generation extrem wichtig.
Nach den Entbehrungen der Covid-Pandemie steht der Gen Z die Welt offen. Es ist nur verständlich, sie auch erleben zu wollen. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens wird diese Generation wohl nie „Arbeit“ antworten, sondern es mit dem Gen Z- und Millennial-Idol und Sänger Casper halten: „Der Sinn des Lebens ist leben.“
Das Bewusstsein für diesen Lebenssinn ist wertvoll und schafft eine Generation, die sich über mehr definiert als ihre Arbeit. Diese Generation kann mit ihren Forderungen die Arbeitswelt revolutionieren. So wie es um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts, die Arbeiter*innen-Bewegung getan hat. Ohne ihre Forderungen gäbe es heute keine Fünf-Tage-Woche. Auch der 8-Stunden-Tag musste hart erkämpft werden. Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und acht Stunden Schlaf, so der Sozialrechtler Robert Owen, waren damals eine enorme Neuerung. Für viele Menschen, vor allem Frauen, sind die acht Stunden Freizeit und Erholung jedoch auch mit Arbeit gefüllt. Für Freizeit bleibt oft wenig Zeit. Mit Faulheit oder Null-Bock hat der Wunsch nach Veränderung also wenig zu tun.
Wir brauchen eine neue Revolution in der Arbeitswelt
Mehr als 100 Jahre nach der Einführung des Acht-Stunden-Tages muss Arbeit erneut neu gedacht werden. Damals wie heute führt der Ruf nach Veränderungen zu Querelen in der Arbeitswelt und verlangt der ein oder anderen Chefin oder dem Chef einiges ab. Einiges, aber nicht zu viel.
Denn in den Forderungen der Gen Z spiegelt sich eine Generation wider, die nicht nur für die Arbeit lebt und sich nicht in den Burnout arbeiten möchte. Wer in der Lohnarbeit entlastet wird, kann sich vor der Care-Arbeit eine Pause erlauben und sich ausruhen. Im Endeffekt hieße das sogar, dass sie der Arbeitswelt womöglich länger erhalten bleiben. Gleichzeitig würden sich Zeitfenster öffnen, in denen Menschen einem Ehrenamt nachgehen und der Gesellschaft auf diese Weise etwas zurückgeben könnten.
Von positiven Veränderungen in der Arbeitswelt, die über den Obstkorb im Büro hinausgehen, profitieren alle. Auch jene, die jetzt noch über die Gen Z spotten. Mehr Homeoffice sorgt für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Benefits wie Sportangebote verbessern die mentale und körperliche Gesundheit von Arbeitenden und entlasten auf lange Sicht das Gesundheitssystem. Job-Fahrräder und Jobtickets regen an, das Auto stehenzulassen und tragen so zu niedrigeren Emissionen bei.
In weiteren 100 Jahren wird man dankbar auf die Errungenschaften schauen und die Arbeitswelt erneut anpassen und verändern. Vielleicht auch schon früher.