Wie alle sportlich werden können

Bewegung ist gesund und doch bleiben wir auf der Couch sitzen. Nicht immer ist Faulheit der Grund, die Ursachen liegen oft tiefer.
Ich weiß noch genau, wie ich meine Freundin Nele endlich überzeugt hatte, einmal mit ins Fitnessstudio zu kommen. Zehn Minuten Laufband, fünfmal Geräte umkreisen – dann saß sie wieder auf der Bank. „Das soll also Spaß machen?“, fragte sie und schaute mich an, als würde ich freiwillig Zahnarzttermine buchen. Während ich beim Sport Energie tanke und mich danach glücklicher fühle, bedeutet Bewegung für sie vor allem eins: Überwindung.
Sie ist damit nicht allein. Obwohl wir alle wissen, wie gut uns Bewegung tut – körperlich wie mental –, fällt es vielen schwer, regelmäßig Sport zu treiben. Das allgemeine Urteil ist eindeutig: „Sport ist gesund, macht glücklich, verlängert das Leben.“ Aber warum geht es trotzdem so vielen Menschen wie Nele und so wenigen wie mir?
Warum wir keine Lust auf Bewegung haben
Faulheit, mangelnde Disziplin und schlechte Gewohnheiten sind gängige Erklärungen. Aber sie greifen zu kurz. Denn es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die beeinflussen, wie leicht oder schwer uns Bewegung fällt. Da wären zum einen Erfahrungen in der Kindheit. Wer seit der Schulzeit Sport nur mit Versagensängsten und Scham verbindet, empfindet ihn selten als etwas Positives. Auch der Körper spielt eine zentrale Rolle. Unser Gehirn belohnt nicht jede Aktivität sofort, sondern erst nach Wiederholung. Setzen beim Sport zunächst keine Glücksgefühle ein, fehlt ein zentraler Motivator. Manchmal macht uns auch der Alltag einen Strich durch die Rechnung: Wir haben vielleicht wenigZeit, keinen Zugang zu Sportangeboten, fehlende Vorbilder oder schlicht einen stressiger Job. All das macht Bewegung zur Ausnahme statt zur Routine.
Und dennoch ist es fatal, dass so viele Menschen sich die positiven Effekte von Sport entgehen lassen. Studien zeigen: Wer sich im mittleren Alter regelmäßig bewegt, senkt sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und sogar Demenz. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche oder 75 Minuten intensiven Sport. Dazu zweimal Krafttraining. Klingt machbar. Aber was, wenn allein der Gedanke an Volleyball oder Yoga schon die Laune senkt?
Der Kick im Kopf – wie wir es schaffen, Lust am Sport zu bekommen
Die finnische Universität Turku hat dazu geforscht und etwas Faszinierendes herausgefunden. Sport verändert den Gehirnstoffwechsel. Wer sich regelmäßig bewegt, erlebt nach dem Training stärkere Glücksgefühle. Der Körper schüttet stimmungsaufhellende Botenstoffe wie Dopamin aus. Die Forscher:innen stellten fest: Das Gehirn von Menschen, die regelmäßig Sport treiben, ist empfänglicher für die Glücksgefühle nach dem Training und speichert diese Belohnung intensiver ab. Das Resultat? Wer sich nach dem Sport gut fühlt, hat mehr Lust, es zu wiederholen. Doch wie fängt man an?
Fünf Wege, Sportlust zu entwickeln
- Die richtige Sportart finden
Nicht jede:r muss joggen. Vielleicht passt Tanzen besser, Akrobatik, Wandern, Rudern oder Handball. Wer Teamgeist liebt, fühlt sich im Verein wohl. Entscheidend ist: ausprobieren. - Kindheitserinnerungen aktivieren
Was hat dir als Kind Spaß gemacht? Trampolin? Rollschuhfahren? Bewegung, die positive Assoziationen weckt, fühlt sich weniger nach Pflicht an – und mehr nach Freude. - Den Perfektionismus ablegen
Niemand ist nach zwei Trainingseinheiten ein Profi. Wer den Anspruch hat, sofort topfit zu sein, verliert schnell die Lust. Besser: Spaß an der Tätigkeit selbst entwickeln, nicht am Ergebnis. - Selftracking & kleine Belohnungen
Fortschritte sichtbar machen – ob mit einer App oder einem Kalender – kann motivieren. Und kleine Belohnungen nach dem Sport helfen, die neue Gewohnheit positiv zu verankern. - Routinen schaffen
Der schwierigste Teil ist der Anfang. Aber wer Bewegung fest in seinen Alltag integriert – zur festen Zeit, mit festem Ort –, reduziert die Entscheidungshürde. Es wird zur Gewohnheit.
Sport soll motivieren, aber nicht dominieren
Es gibt jedoch auch die andere Seite. Was bei manchen schwer in Gang kommt, nimmt bei anderen überhand. Sportsucht ist ein reales Phänomen. Auch wenn es sich oft hinter gesundem Ehrgeiz versteckt. Wenn die Lust also zum Zwang wird, dann ist Vorsicht geboten. Warnsignale sind etwa Schuldgefühle bei Pausen, exzessives Training trotz Krankheit oder Vernachlässigung anderer Lebensbereiche. Sport darf motivieren, aber nie dominieren.
Ich packe meine Sporttasche. Nele schaut vom Sofa hoch. „Vielleicht versuch ich’s nochmal mit Boxen. Oder Hula-Hoop.“ Ich bin begeistert. Vielleicht ist das genau der Anfang, den sie braucht.
Sport muss nicht perfekt sein. Nicht intensiv, nicht durchgeplant. Aber wenn wir anfangen, ihn als Geschenk an Körper und Geist zu begreifen (statt als Pflicht), dann kommt auch die Lust. Schritt für Schritt. Und das Beste daran: Unser Gehirn hilft mit, wenn wir es lassen.