Alle unter einem Dach
Im Berliner House of One sollen zukünftig Anhänger der drei monotheistischen Weltreligionen unter einem Dach beten, arbeiten und sich austauschen. Obwohl Gläubige und Skeptiker Christentum, Judentum und Islam oft als Konkurrenten wahrnehmen, ist Projektleiter Roland Stolte vom Erfolg des Gotteshauses überzeugt. Ein Interview
sagwas: Donald Trump versucht, Menschen aus vorwiegend muslimischen Ländern die Einreise in die USA zu verbieten. In Europa gibt es zunehmende Spannungen zwischen mehr und mehr politisch Rechten und Geflüchteten muslimischen Glaubens. Wie kann das House of One – wenn es denn ab 2019 gebaut wird – dem Konfliktpotenzial rund um Religion etwas entgegensetzen?
Roland Stolte: Religionen sind generell sehr umstritten. Fundamentalisten missbrauchen sie immer wieder. Wir, also die Projektbeteiligten, wollen mit dem House of One einen Ort schaffen, an dem die verschiedenen Religionen den Reichtum ihrer Traditionen leben können. Durch die Flüchtlingsankünfte ist die gesellschaftliche Dringlichkeit eines Austauschs noch viel größer geworden: Die Geflüchteten, zunächst fremde Menschen mit fremden Religionen, wollen hier heimisch werden. Durch das House of One können auch sie sich integrieren und müssen trotzdem nicht auf das Bekannte verzichten.
Noch ist das House of One in der Planungsphase. Gibt es auch negative Reaktionen auf dieses vereinende Projekt?
Es gibt erstaunlich wenig Widerstand. Wir bemerken eher ein großes Interesse – die Menschen sehen in unserer Idee ein Symbol für das Miteinander der Religionen, an dem sie sich beteiligen wollen. Inzwischen haben wir schon Medienberichte und Spenden aus 50 Ländern.
Oft stehen Anhänger von Christentum, Judentum und Islam in vermeintlicher Konkurrenz zueinander – unter anderem um die „richtige“ Weltanschauung. Wie passt das mit der Vereinigung unter einem Dach zusammen?
Vereinzelt hören wir die Sorge, die Religionen könnten zu einer Einheitsreligion verschmelzen. Aber davon grenzen wir uns ja schon durch das Raumprogramm ab: Unter dem einen Dach wird es nämlich drei eigenständige Gebetsräume geben, ein sehr deutliches Signal gegen Vermischung. Jeder lebt die eigene Identität der Religion. Die Begegnung mit den anderen entwickelt sich daraus.
Inwiefern kooperieren die verschiedenen beteiligten Gemeinden bei der Planung des Hauses?
Alle Spenden kommen dem gesamten Haus zugute. So wird vermieden, dass die Religionsgemeinschaft mit dem meisten Geld am Ende den schönsten Raum hat. Wir planen auch die Gestaltung der Räume gemeinsam. Kirchen, Moscheen und Synagogen haben jeweils uralte, gestalterische Traditionen, in die wir uns vertiefen müssen. Das ist sehr aufwendig. In den Religionen gibt es ja jeweils bestimmte Regeln, die beachtet werden müssen, etwa das Bilderverbot in Judentum und Islam.
Juden und Moslems beten häufig nach Geschlechtern getrennt. Wie passt das mit dem Konzept des House of One zusammen?
In den Sakralräumen wird es eine Empore geben, sodass man, je nachdem wie konservativ man eingestellt ist, auch innerhalb des Raums trennen kann. Es wäre ja Unsinn gewesen, das Projekt für alle zu öffnen, wenn einzelne Gemeinden das Gebäude aus theologischen Gründen gar nicht nutzen können.
Einige Konfessionen der verschiedenen Religionen sind nicht am Projekt beteiligt. Die Hauptorganisatoren sind eine protestantische, eine sunnitische und eine jüdische Gemeinde. Was ist mit den anderen Konfessionen, etwa Katholiken und Schiiten?
Wir fördern den Dialog. Als wir 2011 mit dem Projekt begonnen haben, haben wir juristisch festgelegt, dass wir die anderen Konfessionen mit ins Boot holen. Da sind wir auf viel Interesse gestoßen, zum Beispiel beim katholischen Erzbistum Berlin. Erst kürzlich haben wir einen schiitischen Imam aus Georgien als Projektberater gewonnen. Einen Wermutstropfen gibt es aber doch: Unser muslimischer Partner steht der umstrittenen Gülen-Bewegung nahe. Die politischen Schwierigkeiten in der Türkei färben auch auf Berlin ab und behindern den Dialog mit anderen muslimischen Gemeinden. Viele der hier lebenden Muslime kommen aus der Türkei und stehen auch der Politik dort nahe. Doch auch solche Konflikte bringen unser Projekt nicht zum Scheitern.
Unter dem einen Dach wird es drei eigenständige Gebetsräume geben, ein sehr deutliches Signal gegen Vermischung. Jeder lebt die eigene Identität der Religion.
Dient das House of One auch als Inspiration für andere?
Wir erleben weltweit ein großes Interesse daran. Selbst eine Adaption gibt es bereits: In Bangui, der Hauptstadt der vorwiegend christlich geprägten Zentralafrikanischen Republik, entsteht ein ähnliches Projekt, allerdings orientiert an den dortigen Gegebenheiten. Die Idee trägt, doch sie braucht in jedem Land eine andere Ausprägung.
Es könnte passieren, dass Muslime lieber weiterhin in ihre Moschee gehen, Juden in ihre Synagoge und Christen in ihre Kirche. Dann verkommt das House of One zu einer Touristenattraktion.
Ich bin optimistisch, dass das House of One von den Gläubigen angenommen wird. Bisher sind die Gemeinden sehr gespannt, diese Form des Miteinanders zu erproben. Klar, wir werden experimentieren müssen. Zum Beispiel, wie wir gemeinsam Andachten feiern, Friedensgebete ausrichten oder auch wissenschaftlich arbeiten. Manche Sachen werden funktionieren, andere nicht. Aber in den sechs Jahren, in denen wir nun schon kooperieren, haben wir ein sehr großes Vertrauen ineinander aufgebaut.