Frausein kostet
Weniger verdienen, aber mehr zahlen: Bis Frauen und Männer wirtschaftlich gleich behandelt werden, ist es noch ein weiter Weg.
Frauen bluten einen großen Teil ihres Lebens einmal im Monat. Das ist für die Betroffenen nicht nur unpraktisch, sondern auch schmerzhaft. Mit anderen Worten: wenig luxuriös. Und teuer! Die Huffington Post hat ausgerechnet, dass britische Frauen im Laufe ihres Lebens durchschnittlich umgerechnet 16.000 Euro für ihre Periode ausgeben. Politik und Wirtschaft sind daran nicht ganz unschuldig: 19 Prozent Mehrwertsteuer müssen Frauen in Deutschland für Hygieneartikel drauflegen – für Luxusprodukte wie Kaviar und Trüffel fallen nur sieben Prozent an.
Damit steht Deutschland international schlecht da: In Ländern wie Kenia, Nicaragua und dem Lebanon werden Hygieneartikel mehrwertsteuerfrei verkauft, in den USA, Großbritannien und Malaysia liegt die Besteuerung bei weniger als zehn Prozent. Offensichtlich ist es vor allem unter reicheren Staaten beliebt, die Bedürfnisse ihrer Einwohnerinnen finanziell auszunutzen.
Wer schön sein will, muss zahlen
Auch die Wirtschaft verdient an Frauen gut: Auf Frauen zugeschnittene Produkte sind meist deutlich teurer als ihre männlichen Äquivalente. 12 bis 218 Prozent Unterschied sind es laut einer Stichprobe der Verbraucherzentrale Hamburg, die Frauen regelmäßig draufzahlen. Meist gibt es außer dem Preis nicht viel, das für Frauen oder Männer bestimmte Produkte voneinander unterscheidet: Rosafarbener statt blauer Kunststoff an einem Rasierer, eine leicht veränderte Duftnote in einem Parfüm. Deshalb sprich man umgangssprachlich von der „Pink Tax“ für Frauen. Korrekt ist jedoch der neutralere Begriff „Gender Pricing“ – denn auch Männer können von dem unbegründeten Preisunterschied betroffen sein. Dass Preise an die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten angepasst werden, ist ein gängiges Prinzip der Marktwirtschaft, in der Angebot und Nachfrage die Preise bestimmen. Frauen sind bereit, mehr Geld in ihr Erscheinungsbild zu stecken, und zahlen deswegen bei Kosmetika oder beim Friseur drauf – Männer müssen für Eintrittskarten oder Dienstleistungen wie KFZ-Versicherungen oft mehr ausgeben.
Gleichberechtigung ist Kopfsache
Dabei verdienen Frauen immer noch weniger als Männer. Zwar sind es nicht die vielzitierten 21 Prozent Lohnunterschied – aber auch die tatsächlichen 5,5 Prozent, die Frauen im Vergleich zu Männern im gleichen Alter, mit vergleichbarer Berufserfahrung und Tätigkeit im gleichen Unternehmen durchschnittlich weniger bekommen, sind erschreckend. Weit schlimmer noch ist die Einstellung, auf denen der Unterschied basiert. Nicht nur unter Männern sind Rollenklischees tief verwurzelt.
Auch wenn beide Partner eine Vollzeitstelle haben, arbeiten Frauen trotzdem durchschnittlich dreimal so viel im Haushalt wie Männer. Hausarbeit scheint also immer noch Frauensache zu sein. Verdienen die weiblichen Kolleginnen weniger als die männlichen, heißt es, sie hätten sich in den Gehaltsverhandlungen nicht durchsetzen können – Frauen eben. Außerdem könnte eine Frau ja jederzeit schwanger werden. Eine Informatikerin, die in ihrer Freizeit Fußball spielt, finden viele irgendwie unweiblich.
Frauen sind keine wandelnde Männerfantasien
Aber Frauen sind weder eine geschäftliche Risikoinvestition noch wandelnde Männerfantasien. Beide Geschlechter sind unterschiedlich, mindestens anatomisch, das ist gut so und nicht wegzudiskutieren, aber eines sollte dabei indiskutabel feststehen: Sie sind gleich viel wert. Sie können gleich gute Arbeit leisten und verdienen deshalb in jeglicher Hinsicht dieselben Rechte, aber natürlich auch Pflichten. Bevor das nicht in die hinterste Hirnzelle einer jeden Person vorgedrungen ist, hat tatsächliche Gleichberechtigung keine Chance.
Das böse F-Wort
Wer sich selbst als FeministIn sieht und sich gegen Rollenklischees auflehnt, trifft oft auf heftigen Widerstand. Sich zum Feminismus zu bekennen, ruft manchmal ähnliche Reaktionen hervor, als würde man einen Bankraub eingestehen. Mindestens ein genervtes Augenrollen ruft das F-Wort selbst bei den verständnisvollsten Menschen hervor.
Ist es wirklich so abwegig, Feministin zu sein in einer Welt, in der Zeitschriften jungen Mädchen erzählen, dass sie leicht zu haben seien, wenn sie beim ersten Date küssen? In einer Welt, in der eine perfekt geschminkte Blondine im Fernsehen Mädchen lobt, weil die „so schön sexy posen“ – und andere tadelt, weil sie ihren BH nicht ausziehen wollen? Feministin zu sein ist die logische Schlussfolgerung aus den gegebenen Bedingungen. Wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Menschen systematisch degradieren, muss sich etwas ändern.
Weniger Wut, mehr Köpfchen
Zum Erfolg fehlen dem aktuellen Feminismus jedoch mindestens zwei Dinge: Rationalität und Unterstützung von oben. Unternehmen und vor allem die Politik müssen mithelfen, Frauen die Rolle in der Gesellschaft zuteilwerden zu lassen, die sie verdienen. Natürlich wird ein Unternehmen bei gleicher Qualifikation aus wirtschaftlichen Gründen lieber jemanden einstellen, dem kein Mutterschutz bevorsteht. Aber es ist die Aufgabe der Politik, dem entgegenzuwirken. Die Politik legt die Spielregeln fest, innerhalb derer die Wirtschaft agieren kann. Keine einfache Aufgabe, denn gleichzeitig gilt es, Männer nicht zu benachteiligen.
Das ist Feminismus: Chancengleichheit. Keine männlich dominierte Welt – aber auch keine weiblich dominierte. Und da liegt oft auch der Fehler des Feminismus: Mit seiner Irrationalität sabotiert er sich teilweise selbst. Statt einem wütenden, unfairen Feminismus brauchen wir einen reflektierten, kreativen. Jeder soll und muss sich einbringen, wenn wir eine gleichberechtigte Gesellschaft wollen. Denn von alleine wird sie nicht kommen.
Was ich gut finde: Hier wird nicht von einem angeblich riesigen Paygap von rund 22% geredet, sondern von den realen ca. 6%. Und diese sind durchaus unterschiedlichen individuellen Faktoren geschuldet (Gerechtigkeit wird häufig mit Gleichheit verwechselt. Nicht alle sollen das Gleiche verdienen, sondern alle sollen die gleichen Chancen haben) Also: Chapeau für so viel Courage, die Realität auszusprechen, statt alternative Fakten zu präsentieren. Was die Besteuerung von Hygieneprodukten angeht, so muss man fairerweise erwähnen, dass unser Land durch unsere Steuergelder finanziert wird. Und das Geld kommt in Form unterschiedlichster Leistungen den Menschen – Frauen und Männern jeglichen Alters, jeglicher sexueller Orientierung, jeglicher Religion etc. – zu Gute. Insofern ist meiner Ansicht nach nicht die Frage entscheidend, ob für eine Packung Binden 19% Ust. fällig werden, sondern was der Staat mit unserem Geld macht. Und da muss man leider sagen, dass Landes- und Bundesregierungen mit der SPD verdammt schlechte Entscheidungen treffen. Und selbstverständlich könnte man auch die Besteuerung von Kaviar und Schnittblumen erhöhen – da haben sich die Sozialdemokraten während ihrer (Mit-)Regierungszeiten auch nicht gerade mit allzuviel Enthusiasmus ins Zeug gelegt.