ProOhne Kritik geht es nicht
Die Globaliserung hat zwei Seiten und wird deshalb zu Recht kritisiert. Die Furcht vor argumentativem Missbrauch darf die Kritik als solche nicht verstummen lassen. Sonst bleibt das System weiter ungerecht.
Der derzeitige Konflikt mit den USA um Schutzzölle lässt auch 2018 wieder die Frage aufkeimen: Wer profitiert langfristig von der Globalisierung? Der offene Handel hat Wirtschaftssysteme weltweit für immer verändert. Der extreme Konkurrenzdruck verschafft vor allem Großkonzernen Marktvorteile. Sie sind die eigentlichen Gewinner der Globalisierung. Nur ein Bruchteil kleinerer Unternehmen kann mit ihnen konkurrieren.
Gleichzeitig wird die Schere zwischen Arm und Reich überall immer größer. Bedeutende Wirtschaftsentscheidungen fällen die Industrienationen ohne Rücksicht auf die Belange von Entwicklungsländern. Im Zuge des harten Preiskampfes sollen Produkte so günstig wie möglich hergestellt werden. Qualität und Nachhaltigkeit spielen eine untergeordnete Rolle. Produktionen werden in Billiglohnländer verlagert, in denen dadurch zwar Arbeitsplätze geschaffen werden, die Arbeiter von fairen Löhnen und anständigen Arbeitsbedingungen aber meilenweit entfernt sind.
Die Kritik ist immer noch aktuell
Grund genug also für Kritik. Globalisierung bedeutet immer auch wirtschaftliches Wachstum auf dem Rücken der Natur. Der vermehrte Handel und die zunehmende Industrialisierung ruinieren unsere Umwelt! Überfischte Meere, verschmutzte Flüsse, zerstörte Wälder. In der südamerikanischen Region Gran Chaco, beispielsweise, werden zig Hektar Urwald abgeholzt, nur um noch mehr Soja anzubauen. Deutschland ist einer der Hauptabnehmer. Soja wird hierzulande als Futtermittel für die Fleischproduktion genutzt. Dass Herstellungsprozesse durch die verbesserte Mobilität kleinteiliger werden und alle möglichen Produkte an nahezu jeden Ort der Welt gebracht werden können, mag eine Errungenschaft darstellen – sie beschleunigt aber den Treibhauseffekt!
Selbst wenn die Globalisierung tatsächlich fast nur Vorteile brächte, macht sie das automatisch zu einem fairen Unterfangen? Organisationen wie Attac finden das nicht. Dabei profitieren selbst die Kritiker der Globalisierung: Attac vernetzt sich dank digitaler Errungenschaften mit gleichgesinnten zivilgesellschaftlichen Initiativen weltweit. Gemeinsam erreichen sie so massenhaft Menschen, um ihre Forderungen auf die Straße und in die Parlamente zu bringen. Prominente unterstützen sie dabei. „Über den Zustand der Welt zu jammern reicht nicht. Selbst den Arsch hochzukriegen, sich zusammenzutun, um was zu verändern, darauf kommt es an!”, lässt sich etwa Bela B. von der Band Die Ärzte auf der Attac-Website zitieren.
Spätestens der Protest gegen TTIP und CETA haben die Globalisierungskritik in Europa vom Rand wieder in die Mitte der Gesellschaft getragen. Über digitale Kommunikationswege konnten die kritischen Aspekte der Vertragswerke viel schneller viel mehr Verbreitung finden als es 20 Jahre vorher möglich gewesen wäre. Und: Die Kritik hat nicht nur junge Leute mobilisiert. Globalisierungskritiker verschafften sich in weiten Teilen der Gesellschaft Gehör und kamen mit ihren Argumenten an. Dem Widerstand gegen die Handelsabkommen mit den USA und Kanada gaben zahlreiche Demonstrationen in mehreren Städten ein Gesicht. Allein in Berlin gingen 2015 laut den Demo-Veranstaltern rund 250.000 Menschen auf die Straße – der größte Protest seit vielen Jahren.
Globalisierung gemeinsam gestalten
Ein ähnliches Bild gab der Protest gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg ab. Tausende okkupierten die Straßen und kritisierten das Vorgehen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer scharf. Allerdings kam es bei den Märschen zu zahlreichen Ausschreitungen: Mehr als 180 Menschen wurden verletzt, eine Vielzahl von Sachschäden entstand. Bereits im Vorfeld wurde Attac dafür kritisiert, dass das als linksextrem bekannte Bündnis Welcome to Hell ebenfalls an der Großdemo teilnehmen sollte. Gewalttätige Ausschreitungen seien da vorprogrammiert, so die Kritik an den Kritikern.
Obwohl die Gewalt rund um G20 offensichtlich einen sehr negativen Beigeschmack hinterlassen hat: Das verringert nicht den Wert der Globalisierungskritik an sich! Globalisierungsgegner und -kritiker haben erkannt, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Einigen muss man sich noch über geeignete Handlungsmethoden und -mittel.
Natürlich ist die Globalisierung als solches nicht mehr aufzuhalten und sie ist als Konzept auch nicht generell zu verurteilen. Allerdings muss sie anders aussehen. Es kann nicht sein, dass manche 2018 immer noch fragen, ob eine gerechtere Welt möglich sei. Natürlich ist sie das! Positive Wirtschaftsbilanzen dürfen Kritiker nicht verstummen lassen, sonst haben die vielen Verlierer der Globalisierung in der Öffentlichkeit bald gar keine Stimme mehr.
Lies weiter bei…