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Von fett zu fit?

Von Christina Braun / 27. Juli 2018
picture alliance / Monkey Business 2/Shotshop | Monkey Business 2

Vom Pilates-Kurs zum Zumba, von der Hantelbank zur Beinpresse: Schwitzen für einen durchtrainierten Körper liegt im Trend. Warum Muskeln in der Wettbewerbsgesellschaft einen so hohen Stellenwert haben.

Das Foto zeigt ein Mädchen im Fitnessstudio mit trendigem Sport-BH und definierten Bauchmuskeln, glücklich strahlt es in die Kamera. Daneben ein Bild desselben Mädchens vor zwei Jahren, als es mehr wog, weniger Sport trieb und sich ungesund ernährte. Die Moral: Vom Mittelmaß zur Spitzenklasse.

Die Dokumentation physischer Transformationen liegt total im Trend. In den sozialen Netzwerken finden sich immer mehr Fitness-Junkies und Sport-Models, die ihre Körper digital zur Schau stellen. Die Botschaft ist immer die gleiche: Investiere deine Zeit, dein Geld und deine Willenskraft in ein intensives Training, dann wirst du nicht nur schlank, sondern auch erfolgreich und glücklich. Doch wer glaubt sowas? Warum haben knackige Körper heute einen so hohen Vermarktungswert?

Selbstoptimiert, aber nicht unbedingt besser

Die Konjunktur des sportlichen Körpers rührt von einem Wandel des Lebensstils. In einer Gesellschaft, die den Großteil ihrer Zeit sitzend verbringt, ist (sichtbare) Muskelmasse nicht mehr selbstverständlich. Nur durch gezieltes Training bauen sich an gewünschten Stellen Muskeln auf. Wer trainiert, zeigt, dass er sich anstrengt – und bekommt dafür Anerkennung. „Sportlich zu sein, ist heute in vielen Gesellschaften ein zentraler Wert, der oft mit Leistungsfähigkeit, Produktivität und Disziplin gleichgesetzt wird. Ein sportlicher Körper wird folglich zur erstrebenswerten Norm“, erklärt Markus Tauschek, Professor für Kulturanthropologie an der Universität Freiburg.

Aus Sicht des Soziologen Ulrich Bröckling repräsentiert das Individuum in unserer Wettbewerbsgesellschaft in allen Lebenslagen dasunternehmerischen Selbst“: eigenverantwortlich, risikobewusst und kundenorientiert, dabei ständig dem Diktat fortwährender Selbstoptimierung unterworfen. Der Körper wird so zur Werbefläche unseres Selbst.

Sich an körperlichen Idealbildern zu orientieren, die in einem Zusammenspiel aus temporären Moden und medialer Verbreitung entstehen, wie die Psychoanalytikerin Dr. Ada Borkenhagen von der Universität Magdeburg im Interview mit der Zeitschrift fluter erläutert, ist nicht neu. Aber Bildbearbeitungsprogramme und Retusche produzieren daraus fettfreie, komplett makellose Körper, die dann zum gängigen Maßstab werden und mit der Realität nicht mehr viel gemein haben.

Die Vermessung der Körper

Doch nicht nur das Ergebnis, auch der Prozess dahin spielt im öfter eine Rolle. Etwa durch neue Technologien, die sportliche Leistung messbar machen: Spezielle Apps zeichnen Fettverbrennung und Kalorienverbrauch auf, Fitnessarmbänder dokumentieren detailliert die Anzahl der Schritte pro Lauf. „Heute gibt es eine Vielzahl technologischer Innovationen, die uns im Alltag daran erinnern sollen, sportlich zu sein“, konstatiert Tauschek. Unmissverständliche Zahlen ermöglichen es jederzeit, Körpermaße nach festgeschriebenen Werten zu klassifizieren und mit anderen zu vergleichen. Diese Zahlen und Statistiken sind besonders auf Fitnessblogs wichtige Parameter, um die eigene Ausdauer anzupreisen und die Erwartungshaltung anderer zu beeinflussen. „Kulturwissenschaftlich problematisch wird es, wenn hier Normen artikuliert werden, die Menschen zu Marionetten machen und ihnen jegliche Handlungsräume absprechen“, so Tauschek.

Fitter aussehen als man ist

Von Sorgen jedoch keine Spur. Fitness-Gadgets und Trainingsprogramme sind so gefragt wie nie. In diesem Jahr macht die Fitnessbranche weltweit einen geschätzten Gesamtumsatz von 5,2 Milliarden Euro und erreicht damit einen neuen Spitzenwert. Daniel Striffler ist Personal Trainer bei Fitlab in Stuttgart und bietet Ernährungspläne, Körperfettmessung und personifizierte Trainingseinheiten. Fast alle seine Kunden wollen ihre Körper verschlanken, kaum einer kommt eigens um des Sportes willen.

„Das Entscheidende heute ist nicht, dass man fit ist, sondern fit aussieht“, erklärt die Psychoanalytikerin Borkenhagen dazu. Ziel ist es nicht mehr, 100 Kilo stemmen zu können, sondern einen Körper zu haben, der so aussieht, als ob er das könne. Dass ein Mensch mit ein paar mehr Pölsterchen gesünder und kraftvoller sein kann als die gertenschlanke Modelversion gerät dabei aus dem Blickfeld, weiß Trainer Striffler.

Sportlichkeit hat ein Geschlecht

Begehrte Äußerlichkeiten hängen dabei auch von der Geschlechtszugehörigkeit ab. „Frauen haben meist eine konkrete Zahl im Kopf, ein Wunschgewicht, das sie mit jedem Mittel erreichen wollen – auch wenn sie dabei Muskelmasse oder Wasser verlieren, was für das weitere Training eher unvorteilhaft ist“, erklärt Striffler. Bei Männern gehe es darum Muskelmasse aufzubauen, die Zahl auf der Waage sei zweitrangig.

Nach westlichen Vorstellungen sollten Männer muskulöse Oberkörper haben, nicht Frauen. Die sollen dagegen schlank sein, mit rundem Po und Busen, so Borkenhagen. Nur dann entsprechen sie dem gängigen Idealbild von fruchtbarer Weiblichkeit. Doch von Äußerlichkeiten auf innere Zustände zu schließen, verbietet sich unter diesen Bedingungen eigentlich.

Sport zu treiben, um gesund zu bleiben und den Bewegungsbedürfnissen des Körpers nachzugehen, scheint immer seltener der Fall zu sein. Heute wird Sport als Mittel eingesetzt, um einen idealisierten Körper zu formen, der dann im Alltag und in sozialen Netzwerken zur Schau gestellt werden kann, um angeblichen persönlichen Erfolg zu dokumentieren. Auf diese Weise wird Sport zur Pflicht. Mit Spaß, Erfüllung und Freiheit hat das nur noch wenig zu tun.

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