DebatteIst Wettbewerb im Kindersport überholt?
Der DFB will den Leistungsdruck im Kinderfußball reduzieren und schafft zur Saison 2024/25 in bestimmten Altersklassen die Meisterschaftsrunden ab. Und bekommt dafür ziemlich viel Gegenwind.
Das Fußballjahr 2023 wird definitiv nicht als Glanzjahr des Deutschen Fußballs in Erinnerung bleiben: Der Bundestrainer wurde entlassen, die Frauennationalmannschaft scheiterte in der Vorrunde und die U21-Mannschaft verabschiedete sich bereits in der Gruppenphase. Trotz dieser sportlichen Rückschläge hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine neue Initiative für mehr Spaß und weniger Wettkampf ins Leben gerufen, die innerhalb der Fußballgemeinschaft für anhaltende Diskussionen sorgt.
Und das kann niemanden überraschen. Sport ist eine Freizeitbeschäftigung, die erstaunlich viele Emotionen hervorrufen kann. Egal, ob es sich um verschiedene Sportarten, Teams oder Einzelwettkämpfe handelt, der Wettbewerbsgedanke ist ein fester Bestandteil des Sports. Unter allen Sportarten ist der Volkssport Fußball zweifellos derjenige, der jedes Wochenende die Massen bewegt. Daher überrascht es nicht, dass bereits die jüngsten Fußballspieler auf dem Platz Höchstleistungen erbringen sollen. Umso mehr überrascht die Initiative des DFB, die den Wettbewerbsgedanken scheinbar verabschiedet.
Ich will – nur noch – Spaß
Die Idee: Für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren soll der Spaß am Spiel fortan wichtiger sein als das Ergebnis. Alle Spiele werden in Zukunft ohne Ergebniswertung ausgetragen. Das hat zur Folge, dass es in der G- und F-Jugend keine Meisterschaften mehr geben wird. Stattdessen sind Spielenachmittage und Festivals mit mehreren Mannschaften und Spielfeldern geplant. In der G- und F-Jugend werden Spiele in kleineren Formaten wie Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei auf kleinen Spielfeldern mit Mini-Toren stattfinden. In der E-Jugend wird auf Fünf-gegen-Fünf oder Sieben-gegen-Sieben umgestellt, mit Kleinfeldtoren und Torhütern. Ein Rotationsprinzip mit festen Spielerwechseln soll sicherstellen, dass auf diese Weise alle Kinder, unabhängig von ihrer Leistung, mitspielen.
Eine weitere bedeutende Veränderung betrifft die Einführung neuer Nachwuchsligen anstelle der bisherigen Bundesligen für A- und B-Jugend. Die hier entscheidende Neuerung besteht darin, dass die Mannschaften aus den 57 Nachwuchs-Leistungszentren nicht mehr absteigen können. So soll eine „Misserfolgsvermeidungsstrategie“ auf Seiten der Jugendtrainer reduziert werden, die durch risikobehaftetes Spiel unter Inkaufnahme von Verletzungsrisiken um jeden Preis den Abstieg verhindern wollen. Ziel der Reform ist auch, diesen Leistungsdruck auf die jungen Spieler zu reduzieren und ihre jeweilige sportliche Entwicklung in den Vordergrund zu rücken.
Die Zeit ist unpassend passend
Das Timing dieser Reform ist interessant, da sie zu einer Zeit kommt, in der der Fußball nicht nur auf dem Profi-Level mit Krisen zu kämpfen hat. Die Nachwuchsförderung im deutschen Fußball hat in den vergangenen Jahren besorgniserregende Rückgänge verzeichnet. In einer kürzlich vom DFB veröffentlichten Studie wurde betont, dass Deutschland in Bezug auf die Talentförderung schlecht abschneide und kein Verein in der Nachwuchsförderung international mithalten könne. Die Entscheidung, den Fokus von Siegen und Verlieren auf den Spaß am Spiel zu verlagern, zeigte in einer Pilotphase mit begleitenden Studien, dass Kinder in der Tat mehr Freude am Spiel haben. Dem DFB zufolge kehrten in der Vergangenheit viele Kinder dem Fußball früh den Rücken, da bisher nur wenige unter ihnen bei Turnieren spielen durften, also bevorzugt wurden, während die anderen durch das bisherige System so frustriert wurden, dass sie die komplett Lust am Mannschaftssport verloren. Der DFB hofft, dass durch die Reform mehr Kinder dem Fußball langfristig treu bleiben.
Wenn man nicht mehr zählt, was zählt dann ?
Diese Reformen sind Teil eines umfassenden Wandels im deutschen Fußball, der darauf abzielt, den Jugendfußball zu stärken und den Fokus stärker auf die individuellen Fähigkeiten und die Motivation der Spieler zu legen.
So gut sich der Vorstoß darstellt, es gibt auch vehemente Kritik, darunter von prominenten Fußballpersönlichkeiten wie Steffen Baumgart und Ralf Rangnick. Ihr Hauptargument gegen die Reform lautet, dass den Spielern in Zukunft der Wille zum Sieg fehlen werde. Zudem könnte den jungen Spielern anschließend der erhöhte, weiter bestehende Druck in den oberen Ligen und im internationalen Wettkampf zu viel werden. Bereits jetzt bemängeln Kritiker mit Blick auf die Nationalmannschaften den „fehlenden Biss“ der Spieler. So gründen sich derzeit Ligen außerhalb des DFBs. Ältere Teams, die den klassischen Spielbetrieb erlebt haben, sorgen sich um die Wertschätzung ihrer bisherigen Erfolge.
Der DFB hingegen bleibt zuversichtlich, dass die Aufregung über diese Veränderungen nachlassen wird, wenn die erste Generation von Kindern im neuen System angekommen ist. In anderen Ländern wie Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und England wurde das Grundgerüst im Kinderfußball bereits vor Jahren umgestellt und hätte sich seitdem bewährt, heißt es. Die Debatte über den richtigen Ansatz ist nun also auch in Deutschland im Gange. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Reform in der Praxis hier bewähren wird.