Schulischer Einheitslook – von gestern?
Der Deutsche Elternrat fordert eine Kleiderordnung an sämtlichen Schulen. Viele Schüler*innen sind davon wenig begeistert.
Jeden Tag dieselbe Frage: Was ziehe ich an? Eine Jeans oder doch die Jogginghose? Das neue Croptop, das entspannte Oversized-Shirt oder den Pulli mit politischem Statement?
Für welches Outfit sich Schüler*innen am Morgen entscheiden, ist alles andere als banal, ist der Deutsche Elternrat sich sicher. Mit einheitlicher Schulkleidung will der Rat gegen „zerrissene, lottrige oder freizügige Kleidung“ vorgehen und trifft bei vielen Jugendlichen auf Widerstand. Eine Userin bei X (früher: Twitter) moniert: „In meiner alten Schule waren die Fenster verschimmelt und später kam raus, dass ein Großteil der Schule eigentlich einsturzgefährdet ist, aber lottrige (?) Kleidung ist die größte Gefahr.“
Fakt ist, dass sich Mode mit der Zeit verändert. Während in der Generation unserer Großeltern Jeans und Hoodie als „verlottert“ galten, ist dieser Stil mittlerweile breit akzeptiert. Denkt man. Der Ruf nach modischen Vorgaben kommt immer wieder auf. Etwa wenn über zu freizügige Klamotten oder religiöse Kleidung an Schulen gestritten wird. Dann versiegt die Debatte so unerwartet, wie sie gekommen ist. Das könnte sich aber bald ändern.
Schuluniformen in Deutschland
In Deutschland gibt es, anders als in England, keine wirkliche Tradition für Schuluniformen. Ausnahme aus der jüngeren Vergangenheit bilden die Einheitskleidung der Hitlerjugend zur NS-Zeit oder die Pionier-Blusen in der DDR. Wobei hier der politische, nicht der modische Aspekt im Vordergrund stand.
Statt von „Schuluniformen“ sprechen wir heute von „Schulkleidung“. Darunter versteht man, dass Schüler*innen aus einer Kollektion ihre bevorzugten Anziehsachen selbständig auswählen können. So lässt die aus Schüler*innensicht vielfach kritisierte Einheitskluft zumindest ansatzweise eigenen Modegeschmack zu.
Im September 2000 führte die Haupt- und Realschule Sinstorf in Hamburg als erste staatliche Schule einheitliche Schulkleidung ein. Seitdem sind weitere staatliche und private Schulen dazugekommen. Auf Landes- oder gar Bundesebene durchgesetzt hat sich das Konzept in der Praxis allerdings noch nie.
Schulkleidung nimmt den Druck raus
Monika Banks unterrichtet Englisch an der privaten Schule Phorms Campus München. Dort besteht Schulkleidungs-Pflicht. Die Schüler*innen können aus verschiedenen vorgeschriebenen Oberteilen wählen, auch für die Hose gibt es Vorgaben. Wer nicht in passenden Anziehsachen zur Schule kommt, muss sich umziehen und bei wiederholten Verstößen nachsitzen.
Klar definierte Schulkleidung nehme den Druck raus, so Banks. „Ich muss nicht überlegen, ob ich cool aussehe oder Aufmerksamkeit auf mich ziehe“. Zudem könnten Kinder in diesem Zusammenhang lernen, sich an Regeln zu halten.
Den Vorschlag des Deutschen Elternrats begrüßt sie. „Schulzeit ist Schulzeit und nicht in den Club gehen. Auf der einen Seite bin ich natürlich für Freiheit, aber ich finde, wir verlieren an Professionalität, wenn wir mit so einem relaxten Kleidungsstil in die Arbeit oder Schule gehen.“ Bauchfreie Oberteile oder tiefe Ausschnitte hält Banks im schulischen Rahmen für unangebracht. „Bestimmte Sachen gehören einfach nicht in die Schule.“
Wie viel oder wie wenig Schüler*innen anhaben dürfen, wird auch in Frankreich diskutiert. Dort ist die Debatte zur Schulkleidung zum Kulturkampf ausgeartet. Seit diesem Schuljahr dürfen Schüler*innen nicht mehr die Abaya, ein traditionelles, langes islamisches Gewand, in der Schule tragen. Die Proteste dagegen halten an.
In München handhabt man es nicht ganz so streng. „Unsere Schule steht für Vielfalt“, betont Banks. „Wir hatten schon den Fall, dass eine Schülerin aus religiösen Gründen ein Kopftuch getragen hat. Das gehört zu der Diversität dazu, die wir täglich in der Schule leben.“ Auf Schüler*inneninitiative wurden die Kleidervorschriften für die Oberstufe gelockert.
Individualität und Schulkleidung kombinieren
Für die Schüler*innen käme es bei der Schulkleidung auf Stil und Optik an, ist Ingo Schröder überzeugt, Geschäftsführer bei Fugamo. Das Bielefelder Unternehmen vertreibt Schul- und Firmenkleidung. „Man trägt Sachen, die einem gefallen, lieber. Deswegen ist zum Beispiel ein cooles Logo wichtig.“ Am meisten würden T-Shirts, Jacken, Jogginghosen und Taschen von weiterführenden Schulen angefragt. Laut Schröder alles nicht vergleichbar mit einer englischen Schuluniform. „Das hier sind eher lockere, legere Sachen mit unterschiedlichen Aufdrucken und Stickereien.“ Die Firma produziert die Textilien jedoch nicht selbst, sondern veredelt sie, beispielsweise mit Schullogos.
Den Trend zu Athleisure, eine Art alltagstaugliche Sportkleidung, nimmt Schröder wahr und hält den aktuellen Modegeschmack im schulischen Kontext für geeignet, gibt aber zu: „Viele tragen zum Beispiel gerne diese Oversized-Pullover. Das sieht dann vielleicht nicht so aus, wie sich manche verpflichtende Schulkleidung vorstellen.“
Sicher ist: Wenn sich Individualität und Schulkleidung kombinieren lassen, wie Schröder sagt, hilft das, die eigene Zusammengehörigkeit zu einer bestimmten Subkultur ausdrücken und/ oder sich von den Eltern oder Mitschüler*innen abzugrenzen. Von einer komplett einheitlichen Schulkleidung hält er darum wenig. „Natürlich haben wir Schulen, wo alle die gleiche Farbe tragen. Aber wir haben auch Schulen, wo die Farben der Textilien ganz unterschiedlich sind, nur das Logo ist dasselbe. Das ergibt dann trotzdem ein harmonisches Bild“.