Kein Wort zu Geldthemen
Kontostand, Gehalt und Ersparnisse bleiben in vielen Gesprächen außen vor. Dieses Schweigen über Geld verhindert Dazulernen, obwohl Bildung im Finanzbereich essenziell ist.
Schon mal den Nachbarn gefragt, wie viel er verdient? Die Freundin nach ihrem Kontostand? Die Arbeitskollegin, ob sie Aktien hält? Wir reden über Reisen, Rezepte und das Wetter. Doch Gespräche über Geld kommen selbst in engen zwischenmenschlichen Beziehungen zu kurz.
Aus einer Umfrage des Zahlungsdienstleisters Klarna aus dem Jahr 2023 geht hervor, dass jeder dritte befragte Deutsche nie über sein Geld redet. Ein Kommentator des britischen Guardian bezeichnet das Geldsprech-Tabu als „besonders deutsch“. Demzufolge wäre das Reden über Finanzen eine allzu direkte Manifestation der eigenen Position innerhalb der Gesellschaft, die in Deutschland eher subtil – zum Beispiel durch das Fahren eines bestimmten Autos oder das Tragen hochwertiger Modemarken – ausgedrückt würde.
Ein weiteres Indiz dafür, dass das fehlende Gespräch über Geld ein Zeichen für ein Denken in Hierarchien ist, findet sich in einem englischen Artikel der Deutschen Welle. Während im Englischen von „making money“ gesprochen wird, müsse man sich auf Deutsch das Geld verdienen, steht dort. „Verdienen” sei dabei an die Anerkennung anderer gebunden.
„Wir versuchen, soziale Ungleichheiten zu nivellieren und Neiddebatten zu vermeiden”, fasst es Johannes Treu, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre an der IU Internationalen Hochschule in Berlin, zusammen.
Alternativen zum Geldverdienen liefert der Song „Drucker” (2023) der Band Deichkind: „Ich hab gestapelt, hab verhandelt, hab gebettelt und gedealt / An der Börse, unter Tage, Enkeltrick und Pokerspiel / Hab gehustled, Blut gespendet, hab getraded wie ein Schuft / Doch ab heute ist jetzt endlich damit Schluss / Ich druck einfach Geld“, heißt es dort.
Zusammenhang zwischen Chancen und Verlusten?
Wir alle kennen zwar Wege, um an Geld zu kommen – bis hin zur eher satirischen Variante, siehe Song. Was wir meist nicht wissen? Wie viel Familie, Freunde und Bekannte verdienen, sparen, anlegen.
Warum das so ist? „Manche haben Angst, über Geld zu reden, weil sie befürchten, von anderen vorgeworfen zu bekommen, sie könnten nicht mit Geld umgehen”, sagt IU-Wirtschaftsprofessor Treu über Ergebnisse einer eigenen Studie aus dem Jahr 2023. Ein Problem in der Gesellschaft sei, dass zu schnell geurteilt werde, anstatt den Erfahrungsaustausch als Möglichkeit zu sehen, um aus Fehlern zu lernen.
Nur wer weiß, wie viel Geld anderen zur Verfügung steht, kann auf Augenhöhe eigene Gehaltsverhandlungen führen. Das Wissensgefälle zwischen dem Chef, der die Gehälter seiner Angestelltem kennt, und dem Mitarbeiter, der die Lohnerhöhung fordert, wird geglättet. Anders ausgedrückt: Das kapitalistische Herrschaftsverhältnis wird in Frage gestellt.
Und auch bei Fragen von Sparen, Vorsorgen und Investieren führt geteilte Erkenntnis zu einem größeren Wissensschatz. „Wer aus Unwissenheit nicht über Geld spricht, versteht den Zusammenhang zwischen Chancen und Verlusten nicht”, mahnt Johannes Treu.
Eine Lösung für einen offeneren Umgang mit Finanzthemen, für die sich Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) einsetzt, ist die Einführung des Schulfaches Finanzbildung. Dass es vielen Menschen an Informationen und Selbstsicherheit mangelt, geht aus genannter IU-Studie hervor. Nur knapp jeder zweite Befragte fühlt sich vom Schulwesen ausreichend ausgestattet mit finanziellem Grundwissen.
Familie und Finfluencer als Hauptinformationsquellen
41,3 Prozent informieren sich in der Familie zu Finanzfragen. Problematisch daran sei, so Autor der IU-Studie Treu, dass „Familien jeweils ihre sozialen Werte und Normen weitergeben”. Doch wenn die Eltern nie über viel Geld verfügten, weder Aktien noch Eigentum besäßen, gebe es dazu keinen Erfahrungsschatz, der vermittelt werden könne. Heißt: Soziale Ungleichheit bleibt bestehen, wenn das Elternhaus die Hauptinformationsquelle ist, aber wenig Wissenswertes bereithält.
Auf dem zweiten und dritten Platz der Informationsquellen rangieren Finanzratgeber sowie Finanzwebsites. In der Altersgruppe der unter 25-Jährigen setzen 38,1 Prozent auf Influencer, um sich Finanzwissen anzueignen. Auf TikTok und Instagram besprechen „Finfluencer” ihren Umgang mit Geld und geben Finanztipps. Doch neben Kanälen, die wirklich zur Wissenserweiterung beitragen, tummeln sich auf Social Media Akteure, denen nicht primär die Finanzen ihrer Follower wichtig sind, sondern ihre eigenen.
Wer sich mit solchem Finanz-Content weiterbildet, sollte darauf achten, ob es sich um Werbung oder Analyse handelt. Während der eine fundiert ETFs (engl.: Exchange Traded-Funds, übersetzt: Börsengehandelte Indexfonds) vergleicht, wird der andere in Partnerschaft mit unseriösen Investmentseiten riskante Finanzprodukte bewerben, um sich an der Leichtgläubigkeit seiner Follower zu bereichern. Darüber hinaus sprechen zahlreiche Investment-Influencer nur über Gewinne, nicht über Verluste.
Fast jeder zweite Studien-Befragte legt übrigens gar kein Geld zurück, weil dafür am Monatsende schlicht kein Geld mehr übrigbleibt. Aus Angst vor Verlusten oder aus Wissensmangel legen jeweils rund ein Viertel der Befragten auch nichts an. „In Deutschland fehlt die Mentalität des Scheiterns”, sagt Treu. Viele stuften aus Unkenntnis heraus Investitionen grundsätzlich risikoreicher ein als nötig, anstatt sich mit ihnen zu beschäftigen.
Das heißt, man befasse sich mit Geldthemen, beispielsweise beim Einkaufen, so Treu. Wer sich mit der Hilfe von Kassenbuch oder Apps außerdem einen geordneten Überblick über Einnahmen und Konsum verschaffe, könne Bekanntes besprechen und verbessern. Getreu dem Motto: „Schweigen ist Silber, Reden ist Gold”.
„Über Geld spricht man nicht.“ ist inzwischen eine deutsche Untugend. Der Beitrag bringt es gut auf den Punkt.