Auftrag erledigt! Oder: Wer braucht noch die Piraten?
Eine Diskussion ist es nicht mehr. Es ist ein Gefecht. Beinahe im Minutentakt hagelt es Einschläge. Gezielt wird in den zahlreichen Internetforen, Kommentaren und Blogs dabei nicht selten auf den Bereich unterhalb der Gürtellinie. Kein Wunder, geht es doch um nichts Geringeres als die Freiheit. Denn diese fordert die Piratenpartei ein, wenn sie in ihrem […]
Eine Diskussion ist es nicht mehr. Es ist ein Gefecht. Beinahe im Minutentakt hagelt es Einschläge. Gezielt wird in den zahlreichen Internetforen, Kommentaren und Blogs dabei nicht selten auf den Bereich unterhalb der Gürtellinie. Kein Wunder, geht es doch um nichts Geringeres als die Freiheit. Denn diese fordert die Piratenpartei ein, wenn sie in ihrem Programm davon spricht „das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken“ zu legalisieren und sogar explizit fördern zu wollen. Kurz: Alle Kunst dem Volke – und das kostenlos. Jeder Download von Musik oder Filmen, jede Nutzung von Fotos oder Texten soll gratis und für jedermann und jederzeit möglich sein. Die Begründung hierfür ist sehr pragmatisch: Der Schutz dieser Werke ist technisch sinnvoll nicht möglich und Verbote haben sich nicht durchgesetzt.
Naturgemäß muss Künstlern und kreativ Schaffenden bei diesem Gedankengang die Hutschnur hochgehen. Zu beobachten war das zuletzt bei Sven Regener, der in der bayerischen Rundfunksendung „Zündstoff“ seinem Ärger jede Menge Luft machte und seitdem im Netz dafür beschimpft wird. Doch er ist nicht der einzige, der so hörbar aufschreit. In einem offenen Brief etwa wehren sich 51-Tatort-Autoren gegen die Abschaffung des geistigen Eigentums. Auch hier antwortet die so genannte Netzgemeinde prompt, diesmal in Gestalt des Chaos Computer Clubs. Diese vielen Artikel werden dann verlinkt, getwittert und tausendfach kommentiert. Es geht hoch her im Internet.
So ist die Diskussion über das Urheberrecht und seine Anpassung an die Herausforderungen der Informationsgesellschaft zum Grabenkampf geworden. Mitverantwortlich für diese Verschärfung sind die Piraten sicherlich, Grund für das Problem sind sie nicht. Der ist viel älter.
Seit das Internet zum Massenmedium geworden ist und beispielsweise Plattformen wir megaupload.com oder kino.to die Möglichkeit eröffneten, umsonst Filme oder Musik anzusehen, zu downloaden und weiterzugeben, ist es vorbei mit der Ordnung, die vorher im Kunstbereich herrschte. Bis dahin war die Verwertungskette klar: Der Künstler, zum Beispiel ein Musiker, schafft ein Werk, eine Plattenfirma kauft es und vermarktet es an Musikliebhaber. Alle konnten so davon und damit leben. Paradiesisch aber waren die Zeiten dennoch nicht. Die Künstler mussten alle ihre Rechte abgeben und richtig verdient haben nicht sie, sondern die großen Firmen. Und wer es überhaupt ins Licht der Öffentlichkeit schaffte und was der Konsument kaufen konnte, unterlag allein der Entscheidung der Industrie. Das ist schon lange vorbei, denn im Internet ist alles zu haben: legal und illegal, kostenpflichtig, aber meistens kostenlos können sich alle ansehen oder anhören, was sie wollen. Die Vermarktungskette ist unterbrochen und das Geld fließt nicht mehr. Dass sich also etwas ändern muss, darüber sind sich alle einig. Nur die Rezepte sind unterschiedlich.
Mir ihren Forderungen nach freier Verfügbarkeit geistigen Eigentums oder Verkürzung der Sperrfristen haben die Piraten die Diskussion erst richtig aufflammen lassen und damit auch die anderen Parteien aufgeweckt. Ganz neu gegründet hat sich etwa der Verein für Netzpolitik, kurz CNETZ. Hier wollen sich Unions-Politiker und deren Sympathisanten der Netzpolitik widmen. Auch sie wollen ein „Internet der Freiheit“, eine Aufhebung des Urheberrechts aber fordern sie nicht. Und schon etwas länger kümmert sich das SPD-nahe „Zentrum für digitalen Fortschritt D64“ um Themen, die der Netzgemeinde am Herz liegen. Und jüngst machte auch der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin mit der Forderung nach einer „Kulturflatrate“ von sich reden und zeigte, dass das Thema des geistigen Eigentums nun auch bei den Grünen ganz oben auf die Tagesordnung gerückt ist.
Das war’s dann aber auch schon mit der Leistung der Piraten. Denn außer dem Thema Urheberrecht, die verdiente Aufmerksamkeit zu verschaffen, haben sie wenig zu bieten. Lösungen stehen in ihrem Programm nicht. Vorschläge, wie Künstler in Zukunft von ihren Werken leben sollen, sucht man vergeblich. Zwar steht oft zu lesen, dass Menschen, die sich illegal Musik herunterladen und diese dann für gut befinden auch viel Geld für Platten und Konzerttickets der Künstler ausgeben würden, nachgewiesen aber ist das nicht. Ein Konzept also fehlt.
Und selbst die Wähler der Piraten sind skeptisch, ob sie Antworten liefern können. Laut einer Forsa-Umfrage steht die Partei im Bundestrend zwar bei satten 12 Prozent, doch nur sieben Prozent der Wähler im Saarland, die den Piraten ihre Stimme gegeben haben, haben dies auch wegen der Inhalte getan. Vertrauen sieht anders aus. Die Lösungen für die aufgeworfenen Fragen, werden wohl doch von den etablierten Parteien erwartet.
Die Piraten haben ihren Zweck also schon erfüllt. Oder wer braucht eine Partei, die zwar Fragen aufwirft, aber keine Antworten liefert?
Ich finde, Deutschland braucht die Piraten mehr denn je, gerade, WEIL sie keine Pseudo-Antworten geben, sondern Fragen stellen. Manchmal naiv, manchmal verschwurbelt, manchmal bedenklich – siehe die Piraten-interne Diskussion: http://www.junge-piraten.de/2012/04/06/offener-brief-der-jungen-piraten-an-die-piratenpartei/
ABER: Die Piraten tun das, was alle anderen demokratischen Parteien seit Jahren versäumen.
Sie streiten.
Das Urheberrecht ist eines der vielen Themen und die GEMA keine Lösung. Also streitet bitte weiter und stellt Fragen, ohne die Antwort zu wissen!
„…doch nur sieben Prozent der Wähler im Saarland, die den Piraten ihre Stimme gegeben haben, haben dies auch wegen der Inhalte getan.“
Ich wüsste gerne, wie das bei den anderen Parteien aussieht. Kennt die Mehrheit der Wähler von CDU oder SPD überhaupt deren Positionen im Detail? Das wäre doch mal ein spannendes Thema für eine Studie.