Keine Hoffnung für Palästina
Den israelischen Parlamentswahlen am 22. Januar hatten die Palästinenser mit wenig Hoffnung entgegen geblickt. Von den Parteien, die sich zur Wahl stellten, standen nur die zionistische, links-gerichtete Meretz Partei und die von der ehemaligen Premierministerin Tzipi Livni neu gegründete HaTnuah Partei klar für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Die Wahlprogramme der anderen Parteien wurden […]
Den israelischen Parlamentswahlen am 22. Januar hatten die Palästinenser mit wenig Hoffnung entgegen geblickt. Von den Parteien, die sich zur Wahl stellten, standen nur die zionistische, links-gerichtete Meretz Partei und die von der ehemaligen Premierministerin Tzipi Livni neu gegründete HaTnuah Partei klar für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Die Wahlprogramme der anderen Parteien wurden vor allem von wirtschafts- und sozialpolitischen Themen dominiert. Wohnungsbau, Bildung und steigende Lebenshaltungskosten, waren die Belange, die vor anderthalb Jahren zur Gründung einer Protestbewegung in Israel führten, die mehr soziale Gerechtigkeit forderte.
Dass Meretz bei den Knessetwahlen letztlich nur 4,5% der Stimmen und HaTnuah 5% gewannen zeigt, dass in der israelischen Gesellschaft längst kein Konsens über das besteht, was die internationale Gemeinschaft seit Beginn des Oslo-Prozesses vor 20 Jahren unterstützt: Die Errichtung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 in Frieden an der Seite Israels. Im Gegenteil, mit Naftali Bennett war ein Kandidat zum Shooting-Star des israelischen Wahlkampfs geworden, der die Interessen der Siedlerbewegung vertritt und die Annektion von 60% der Westbank fordert. Bennetts Partei HaBait HaJehudi erhielt letztlich 9% der Stimmen und konnte die Anzahl ihrerder Knessetsitze damit vervierfachen.
Doch der Überraschungssieger der Wahl war Yair Lapid mit seiner Partei Yesh Atid, die erstmals bei den Parlamentswahlen antrat und mit 14% zweitstärkste Fraktion in der Knesset wurde. Der ehemalige Fernsehmoderator Yair Lapid hatte einen geschickten Medienwahlkampf geführt, in dem er sich das Image eines politischen Außenseiters gab, der die Interessen der Mittelschicht vertritt. Im Gegenzug zum Aufstieg Yesh Atids hatte die vom ehemaligen Premierminister Ariel Sharon gegründete ehemals stärkste Partei als Likud-Abspaltung entstandene Partei Kadima einen Absturz von 29 auf 2 Sitze (2%) erlitten. So ist Lapid zum Königsmacher der neuen Regierungskoalition geworden, mit deren Bildung der Likud-Vorsitzende Benjamin Netanjahu beauftragt worden ist. Netanjahus, dessen national-konservative Likud Partei hat jedoch in der neuen Knesset Mandate verloren (nun 31, vormals 42 Sitze), obwohl man im Bündnis mit der nationalradikalen bei der Wahl gemeinsam mit Avigdor Liebermans Partei Yisreal Beitenu des ehemaligen Außenministers Avigdor Liebermann angetreten war, hat in der neuen Knesset Sitze verloren. In dem neuen Bündnis errang Likud – Yisrael Beitenu nur noch 31 Sitze (vormals 42).
Auch wenn Lapid international als Hoffnungsträger für eine Wiederbelebung des Friedensprozesses gesehen wird, verheißsst seine Position zur Zwei-Staaten-Lösung für die Palästinenser wenig Gutes. Die Teilung Jerusalems – und damit die Ernennung Ost-Jerusalems zur Hauptstadt eines palästinensischen Staates – lehnt Lapid ab. Er setzt sich zwar für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen ein, doch die Palästinenser sind nach jahrzehntelangem, ergebnislosem Verhandlungsprozess wenig geneigt, sich auf Verhandlungen um der Verhandlungen willen einzulassen.
Die israelische Regierungsbildung ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber in den palästinensischen Medien sind kaum Stimmen zu vernehmen, die große Hoffnung auf eine neue Regierung unter Benjamin Netanjahu setzen. Der Grund für die große Zurückhaltung liegt in den Erfahrungen mit der vorangegangenen Regierung Netanjahus. In diesem Zeitraum von 2009 – 2012 hat sich deutlich abgezeichnet, dass das Voranschreiten des Siedlungsbaus in der Westbank die Zwei-Staaten-Lösung in weite Ferne rücken lässt. Seit der Eroberung der Westbank und Ost-Jerusalems 1967 sind über eine halbe Millionen Siedler in diese Gebiete gezogen. Damit haben die israelischen Regierungen, die die Besiedlung teils toleriert, teils offensiv vorangetrieben haben, gegen die IV. Genfer Konvention verstoßen, die den Bevölkerungstransfer in erobertes Gebiet untersagt. Trotz eines zwischenzeitlich währenden Siedlungsstopps zeigt die Bilanz der Regierung Netanjahu: Tief im Westjordanland wurde der Ausbau von Siedlungen vorangetrieben – auf dem Gebiet der Westbank, das nach bisherigem Verhandlungsstand im Fall einer Einigung auf eine Zwei-Staaten-Lösung dem palästinensischen Staat angehören zugeschlagen werden soll.
Wie schwierig die Räumung von einmal etablierten Siedlungen ist, zeigt nicht nur der Abzug aus dem Gazastreifen 2005, sondern auch die Räumung von Außenposten in der Westbank. Diese sind nicht nur völkerrechtlich, sondern auch nach israelischem Recht illegal. Dennoch werden angeordnete Evakuierungen dort in langwierigen Verfahren herausgezögert.
An der Siedlungsfrage wird sich die Zukunft des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses entscheiden. Das religiöse, nationalistische Lager im israelischen politischen Spektrum ist an einem eigenständigen palästinensischen Staat auf dem Gebiet in den Grenzen von 1967 nicht interessiert. Die Palästinenser stellt dies vor große Herausforderungen. Gibt es eine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung? Die zweitbeste Wahl für die Palästinenser wäre das Zusammenleben in einem Staat, in dem beide – Israelis und Palästinenser – die gleichen Rechte genießen. Doch für diese Variante gibt es unter den israelischen Parteien keinen Anwalt.