Gelebte Integration – Wie aus Fremden Freunde werden
Der Makedonier Jovan Djordjeski (42) und der Bosnier Amir Peganovic (43) sind 1990 vor dem Balkankrieg nach Deutschland geflohen. Hier lernten sie sich kennen und eröffneten 2006 gemeinsam ein Restaurant in Köln: ein beliebter Treffpunkt für Menschen aller Nationalitäten.
Ein ganz normaler früher Abend an einem Wochentag in der Kölner Südstadt. Vor dem Restaurant von Jovan und Amir am Chlodwigplatz trudeln die Gäste ein, um in der Außengastronomie die ersten Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen. Sie möchten aber nicht nur einen Kaffee trinken oder essen, sondern mit den Besitzern und den anderen Gästen Neuigkeiten austauschen.
Dabei ist die Gruppe der Menschen, die sich hier versammelt haben, ein richtig bunter Haufen aus allen Ländern der Erde. Der stets gut gelaunte Jovan begrüßt jeden Einzelnen mit einem freundlichen Lächeln und einer Umarmung. Für ihn ist Gastfreundschaft mehr als guter Service. Das liegt stark in seiner eigenen Geschichte verwurzelt und darin, dass ihm selbst große Gastfreundschaft widerfuhr, als er aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland kam.
„Der allerschönste Ort auf der Welt“
Eigentlich wollte der Makedonier sein Heimatland vor 25 Jahren nicht verlassen, doch der Krieg und die Umstände zwangen ihn dazu. In Deutschland lernte er seine jetzige Frau kennen, eine Kroatin. Heute kann er sich nicht mehr vorstellen, nach Makedonien zurückzukehren. Seine neue Heimat ist Deutschland. „In Köln“, so sagt er, „will ich alt werden mit meiner Familie und mit meinen Freunden. Für mich ist dies der allerschönste Ort auf der ganzen Welt.“
Auch sein bosnischer Geschäftspartner Amir, der mit einer Kosovarin verheiratet ist, begegnet den Gästen mit größtem Respekt und einer spürbaren Herzlichkeit. Die Rollen der beiden Männer sind unterschiedlich verteilt: Während Jovan meist draußen kommuniziert, kümmert sich Amir um die Gäste im Innenraum und um das Personal. So bilden sie ein perfektes Team.
Als sich Jovan und Amir 1993 beim Arbeiten in der Gastronomie kennengelernt haben, war der Beschluss schnell gefasst, bald selbst ein gemeinsames Restaurant zu eröffnen. Die Männer sparten von ihrem Lohn das Geld zusammen, das sie für das Projekt benötigten, und setzten ihren Plan einige Jahre später erfolgreich in die Tat um.
Treffpunkt aller Kulturen
Aber nicht nur die beiden Restaurantbesitzer haben einen Migrationshintergrund. Ihre Mitarbeiter stammen aus Portugal, Marokko, von der Krim, aus dem Iran, aus Italien – und natürlich auch aus Deutschland. „Für uns arbeiten lediglich keine Türken“, scherzt Jovan und lacht. Dabei verpasst er dem türkischen Gast, der sich selbst humorvoll „Asyl“ nennt, einen kleinen Stupser mit dem Ellbogen. Auch „Asyl“ muss lachen. Er nimmt es Jovan nicht übel. Das Miteinander der Kulturen scheint am besten über das universelle Mittel des Humors zu funktionieren.
Die Gäste, die sich vor dem Lokal an einen Tisch ganz eng zusammensetzen, stammen aus der Türkei, aus Serbien, Rumänien, Italien und nicht zuletzt auch aus Deutschland. Vom Friseur bis zur Versicherungsmaklerin, von der Software-Spezialistin bis zum Malermeister, vom Teppichhändler bis zum TV-Star, vom Schlosser bis zum Boxer wie Felix Sturm oder Manuel Charr sind alle Berufe vertreten. Hier fragt niemand, woher du kommst und es ist egal, was du machst.
Besonders lustig wird es, wenn sich eine Gruppe von Homosexuellen zu diesem bunten Haufen dazugesellt. Dann spricht man offen über Liebe, Sex und andere Katastrophen. So plant der TV-Star eine neue Sendung, in der er Sextoys präsentieren möchte. Plötzlich entsteht eine lebhafte Diskussion und jeder steuert seine eigenen Kenntnisse dazu bei. Kleine Videos von YouTube werden ausgetauscht und somit so mancher Horizont erweitert.
Multikulturelle Patchwork-Familie
Eigentlich weiß jeder alles über jeden und nimmt aufrichtig Anteil am Leben der anderen. Das macht das Besondere an diesem Treffpunkt aus. So trägt dieses bunte Restaurant dazu bei, dass sich eine neue kleine multikulturelle Patchwork-Familie gebildet hat. Eine Familie aus den unterschiedlichsten Nationalitäten, in denen Toleranz und Offenheit, Freundlichkeit und Respekt oberste Priorität haben.
Das zeigt, dass Integration vor allem dann bestens funktioniert, wenn sich der zu integrierende Teil gar nicht als „von außen kommend“ betrachtet, sondern von vorneherein als fester Bestandteil der Gesellschaft begreift. „Wir müssen alle zusammenhalten“, sagt der Bosnier Amir, denn nur so hätten auch alle etwas davon.
Diese Geschichten von erfolgreichen Migranten in Deutschland, die es aus eigener Kraft schaffen, ihre Träume zu verwirklichen, sind keine Seltenheit mehr. Die Kunst liegt wohl darin, dass die Nationalität und ethnische Herkunft ihrer Mitarbeiter und Gäste für Jovan und Amir noch nie eine Rolle gespielt haben. „Wohin ein solches Denken führen kann“, so Amir, „hat man ja im Krieg auf dem Balkan gesehen.“ Jovan stimmt dem zu und erklärt, dass es ihm egal sei, woher jemand komme. „Solange er nur ehrlich zu mir ist.“
Und dann will Jovan gehen, nach Hause. „Der Tag war lang. Das Sitzen ist auf Dauer anstrengend,“ sagt er und grinst verschmitzt. Ob alle noch etwas trinken möchten, fragt er in die Runde am Tisch in der Abendsonne. „Geht aufs Haus.“ Den Gästen ist es anzumerken, dass sie sich hier wohl fühlen. Sie wirken glücklich an diesem Ort, an dem die viel zitierte Integration offenbar erfolgreich gelebt wird und alle miteinander verbindet.
Um es mit Dante zu sagen: „Am meisten über einen Menschen sagt nicht aus, wie er mit Freunden umgeht, sondern mit Fremden.“ Und im Restaurant von Jovan und Amir sind auf diese reizende Weise Fremde zu Freunden geworden.