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ContraDas Bargeld bleibt

Von Markus Nathan / 20. November 2015
picture alliance / SZ Photo | Wolfgang Filser

Ein vollständiger Umstieg auf digitales Bezahlen ist nur auf den ersten Blick sinnvoll. Tatsächlich begrenzt das Bargeld die Macht der Zentralbanken und schützt vor Überwachung durch die Geheimdienste.

Angewandt auf den Alltag wirkt der Vorschlag, das Bargeld abzuschaffen, grotesk: Wer möchte schon für das Bier am Späti die Kreditkarte hinhalten? Oder dem Verkäufer der Obdachlosenzeitung ein paar Bitcoins zustecken? Oder die Teekanne auf dem Flohmarkt via PayPal bezahlen? Was auf den ersten Blick furchtbar unpraktisch wirkt, ist derzeit Gegenstand verschiedener Diskussionen.

Das Bargeld verschwindet

Eine Gruppe schwedischer Banker fordert, vollständig auf digitale Zahlungsmittel umzusteigen. Auch gewichtige Ökonomen wie Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, Harvard-Wissenschaftler Kenneth Rogoff und Wirtschaftsweise Peter Bofinger vertreten diese Position.

Sogar einige Zentralbanken wie die Bank of England oder die Bundesbank haben sich mit der Idee beschäftigt. Kürzlich kündigte sogar der Iran an, Bargeld langfristig komplett abschaffen zu wollen. Einige Länder setzen bereits Maßnahmen um, die das schrittweise Ende des Bargeldes einläuten könnten: In Italien und Frankreich sind seit Kurzem Barzahlungen nur noch bis zu einem Betrag von 1.000 Euro möglic In Dänemark sind kleinere Geschäfte und Tankstellen bald nicht mehr dazu verpflichtet, Bares anzunehmen.

Schwache Argumente

Die Befürworter einer Abschaffung des Bargeldes fahren schwere Geschütze auf – Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung sollen verhindert, Bankraub und andere Delikte deutlich erschwert werden.

Diese Argumente sind aber schnell entkräftet: Steuerhinterziehung funktioniert in erster Linie längst nicht mehr mit einem ominösen Geldkoffer, der im Kofferraum eines PKW in ein kleines zentraleuropäisches Land gebracht wird. Stattdessen werden immer häufiger komplizierte Konstruktionen von Tochter- und Briefkastenfirmen gegründet, deren zahllose (digitale!) Transaktionen für die Steuerfahnder schlussendlich kaum mehr nachzuvollziehen sind. Auch bei Banküberfällen dürfte der Trend zur digitalen Variante gehen.

Die Auswirkungen auf Schwarzarbeit und weitere Delikte etwa im Bereich organisierter Kriminalität richten den Blick auf eine wichtige Konsequenz einer Bargeld-Abschaffung – sie würde schlicht nicht funktionieren, da die Menschen auf alternative Währungen oder Edelmetalle zurückgreifen könnten, um solche Transaktionen weiterhin abzuwickeln. Eine Mischung aus Auslandswährungen, Naturalien und Gutscheinsystemen könnte die Folge sein.

Die ökonomischen Folgen

Selbst wenn es gelänge, alle Menschen zu zwingen, digitale Zahlungsmittel zu verwenden, sind die ökonomischen Konsequenzen einer solchen Maßnahme höchst umstritten. Sicherlich würde sich der Handlungsspielraum der Zentralbanken erhöhen. Diese können ihre Zinssätze derzeit lediglich bis auf Null oder minimal darunter senken, da die Bankkunden bei deutlich negativen Zinsen besser damit fahren, ihr Geld abzuheben und an anderer Stelle aufzubewahren.

Bei rein digitaler Währung könnten Zentralbanken negative Zinssätze festlegen, die über die Geschäftsbanken an die Bevölkerung weitergegeben würden. Je nach Mandat einer Zentralbank könnte diese Möglichkeit genutzt werden, um die Wirtschaft anzukurbeln oder die Inflation zu erhöhen. Die Bürger hätten so einen Anreiz zu investieren und konsumieren, anstatt zu sparen. So weit, so rational – aus einer ökonomischen Perspektive.

Massive Einschränkung der Freiheit

Aber was würde dieser „Anreiz“ für die Bürgerinnen und Bürger bedeuten? Er hätte zur Folge, dass Menschen, die Geld für die Zukunft zurücklegen möchten, Monat für Monat einen Teil ihrer Ersparnisse an die Bank verlieren würden. Das wäre „ein massiver Eingriff in das Eigentumsrecht“, wie es der Münchener Ökonom Gerald Mann formulierte.

Frei nach Dostojewski ist Geld – in der Form wie dieser es im 19. Jahrhundert kannte – geprägte Freiheit. Diese Freiheit würde erheblich eingeschränkt, wenn Sparer gegen ihren Willen Geld verlieren würden.

Gleichzeitig würde die Geldmenge bei Abschaffung des Bargeldes sprunghaft steigen, da die Banken plötzlich über mehr Kapital verfügen würden und dann mehr Kredite vergeben könnten. Banken schöpfen so Geld, indem sie die Einlagen ihrer Kunden vermehren. Ein Anstieg der Inflation wäre die Folge.

Kein Ausbau des Überwachungsstaates!

Das wohl wichtigste Argument gegen eine Abschaffung des Bargeldes ist aber der Datenschutz. Nur wenige Daten enthalten derart präzise Informationen über unser Verhalten wie die Transaktionen, für die wir heutzutage Geld verwenden. Sie verraten, welche Lebensmittel wir wann konsumieren, welche Drogen, Bücher und Medikamente wir kaufen, und an wen wir spenden.

Ein solcher Datensatz wäre nicht nur der Himmel auf Erden für Krankenkassen und die Marketingabteilungen privater Unternehmen, sondern auch für Geheimdienste und die Polizei. Nicht erst seit den Skandalen um NSA, BND usw. wissen wir, dass Unternehmen und Staaten nicht davor zurückschrecken, verfügbare Daten auch für ihre Zwecke auszuwerten.

Eines zeigt die jüngere Vergangenheit auch ganz deutlic Digitale Systeme lassen sich nicht perfekt schützen. Was los wäre in einem Land, in dem das Einkaufen oder Bezahlen plötzlich nicht mehr möglich ist, möchte ich mir lieber nicht ausmalen.



Eine Antwort zu “Das Bargeld bleibt”

  1. Von ripanti am 9. Juni 2016

    Hallo, was ist denn hier los? Sollen vielleicht einige Kommentare gelöscht werden?

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