Alternative: Ausbildung
Bei kaputten Rohren wochenlang auf den Installateur warten, für die Frühstücksbrötchen eine halbe Stunde mit dem Auto fahren: Ein Szenario, das aufgrund von fortschreitendem Fachkräftemangel immer realistischer wird. Immer mehr junge Menschen gehen lieber an die Uni als in die Lehre. Beide Bildungswege müssen wieder gleichwertig sein. „Talentierten jungen Menschen wird in unserer Gesellschaft weisgemacht, […]
Bei kaputten Rohren wochenlang auf den Installateur warten, für die Frühstücksbrötchen eine halbe Stunde mit dem Auto fahren: Ein Szenario, das aufgrund von fortschreitendem Fachkräftemangel immer realistischer wird. Immer mehr junge Menschen gehen lieber an die Uni als in die Lehre. Beide Bildungswege müssen wieder gleichwertig sein.
„Talentierten jungen Menschen wird in unserer Gesellschaft weisgemacht, nur Abitur und Studium zählten etwas“, ärgert sich Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Diese Auffassung stürzt das deutsche Handwerk zunehmend in Schwierigkeiten. Im vergangenen Jahr, so berichtet Wollseifer, sind 15.000 Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben. Die Zahl der Auszubildenden sinkt auch, weil immer mehr Schulabgänger ein Studium beginnen. Laut Berufsbildungsbericht des Bundesfamilienministeriums ging 2013 erstmals mehr als die Hälfte des Abiturjahrgangs an eine Universität oder Fachhochschule.
Auch höher qualifizierten Jugendlichen eine Ausbildung im Handwerk schmackhaft machen – so lautet deshalb die Devise des ZDH. „JOBSTARTER Plus“ heißt das Programm, das vom Bildungsministerium unterstützt wird. Der Fokus liegt auf Studienaussteigern, die man mit gezielter Beratung an der Uni, individuellen Ausbildungskonzepten und hochwertiger Fortbildung locken will.
Der 26-jährige Johannes Müller ist so ein Studienaussteiger. Er selbst konnte das neue Programm noch nicht in Anspruch nehmen, als er sein zweites Studium vor zwei Jahren abbrach. Er weiß aus eigener Erfahrung: „Ich stehe da nicht alleine – so einige Studenten sind ganz schön unzufrieden. Wenn sie dann eine Ausbildung als Alternative aufgezeigt bekommen, finde ich das sehr sinnvoll.“
Wenig gesellschaftliches Verständnis
Johannes Müller selbst begann im Herbst 2012 eine Schreinerausbildung im mittelfränkischen Erlangen – und war von Anfang an begeistert. Dass seine Ausbildung um einiges schlechter angesehen wird als sein Studium, merkt er oft. „Wenn ich mich mit Fremden unterhalte, haben die oft erstmal kein Verständnis für meinen Weg“, berichtet Müller. „Anstatt davon auszugehen, dass ich mich aus Interesse für eine Lehre entschieden habe, meinen viele, ich hätte mir einfach eine leichtere Alternative zum Studium gesucht.“
Auch der Wissenschaftsrat, das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland, hat sich mit dem Problem des Fachkräftemangels aufgrund steigender Studierendenzahlen befasst. Eine seiner Empfehlungen kommt zu dem Schluss, dass die berufliche Ausbildung dringend Aufwertung braucht. Die Entscheidung zwischen ihr und einem Studium dürfe sich nicht „auf Vorurteile oder vordergründige Image- und Prestigegesichtspunkte“ stützen, sagt der Ratsvorsitzende Wolfgang Marquardt.
Der Wissenschaftsrat fordert deshalb, schon in der Schule und insbesondere der gymnasialen Oberstufe umfassend und gleichberechtigt beide Bildungswege – den der Ausbildung und den akademischen – aufzuzeigen. Denn für viele Abiturienten stellt sich auch wegen fehlender Information die Option einer Ausbildung gar nicht.
Arbeitslose Akademiker und Fachkräftemangel
„Ich habe mein Abi gemacht und dann eben studiert – ich glaube schon, dass das so erwartet wurde“, erinnert sich Johannes Müller. „Gerade weil man ja so lange auf die Schule gegangen ist.“ Aus heutiger Sicht aber halte er es nicht mehr für zwingend notwendig, dass alle studieren, denn „irgendjemand muss ja auch arbeiten“.
Sonst, so fürchtet auch ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer, fehle es schon bald an der handwerklichen Grundversorgung beispielsweise an Optikern, Bäckern, Fleischern und Bauhandwerkern. In Brandenburg und der Eifel etwa sei der Mangel schon heute spürbar.
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag beklagt das Fehlen von ausbildungswilligen Jugendlichen. Wenn der Trend sich wie bisher fortsetzt, stehen 2030 rund eineinhalb Millionen mehr Akademiker drei Millionen weniger Fachkräften gegenüber, prognostizieren das Bundesinstitut für Berufsbildung und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. „Das ist Irrsinn: Wir bilden mit viel Geld Akademiker aus, die dann arbeitslos sind“, beklagt Wollseifer. „Talentierten jungen Leuten müssen wir zeigen, dass die berufliche Bildung keine Sackgasse ist.“
Der Wissenschaftsrat empfiehlt mehr Durchlässigkeit zwischen Lehre und Hochschulbetrieb. Das gilt hinsichtlich der erwähnten Studienaussteiger, die eine Ausbildung anfangen, aber auch in Bezug auf beruflich Ausgebildete, die sich – vielleicht auch ohne Hochschulzugangsberechtigung – akademisch fortbilden wollen. Besonders positiv bewertet der Rat Konzepte, die berufliche und akademische Bildung kombinieren, etwa das duale Studium.
Johannes Müller, der Schreiner-Azubi aus Erlangen, hat sich gegen gesellschaftliche Erwartungen und drohende Unzufriedenheit im Job für einen Weg entschieden, der ihn erfüllt. Dieser Weg könnte ihm in ein paar Jahren das gleiche Bildungsniveau bescheren wie seinen ehemaligen Kommilitonen. Denn Bachelor und Meister sind laut Deutschem Qualifikationsrahmen gleichwertig. Müller: „Wenn ich nun schon keinen Bachelor mache, dann eben den Meister.“
Welche Glücksformel wollen wir denn den jungen Erwachsenen anbieten?
Mit dem Handwerk und dem Meister kannst Du später genauso Studieren?
Der Meister ist doch genauso viel Wert und gleichgestellt dem Bachelor, oder?
Ich denke wir in der heutigen Zeit ist alles möglich, man kann Dank Google und Co ja auch alles erfahren.
Aber wollen wir uns denn nicht den Fragen der Jugend stellen?
Egal ob Meister, Techniker, Ingenieur oder als Studierter mit einem Abschluss, wichtig ist das ganz eigene Glück.
Glück definiert die Generation Facebook und Whats Ap schon ganz von alleine.
Ich bin selber Handwerksmeister und das isf gut so. Dafür werde ich auch leider noch viel zu oft belächelt. Aber nicht von Studierten, sondern von Leuten die weder Studiert noch den Meister gemacht haben.
Deutschland das ist die geniale Kombination aus Dualer Ausbildung und der Studiumsmöglichkeit in alle Fachrichtungen.
Ideengeber und Motivator, Wirtschaftslokomotive und Jobmotor, wir haben in den letzten Jahren alles gehabt.
Lasst uns einen Schulterschluss machen und dafür Sorgen, dass sich das Handwerk nicht vergleicht oder als zweites Sprungbrett ins Studium sieht.
Das Handwerk mit seinen Meistern, Gesellen und Auszubildenden ist alleine eine Reise in die Zukunft wert.
Mut zum Handwerk
Kai Einfeldt
Pressesprecher
http://www.meisterschulen.de
Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir nicht verstehen konnten, dass unsere Mitschülerin trotz gutem Abitur eine Friseurausbildung anfing. Da muss definitiv ein Umdenken stattfinden.
LOL! Mit Abitur ne Friseurausbildung?! Wie geil ist das denn!!
…es muss aber auch ein Umdenken in Firmen stattfinden.
Ich habe eine Ausbildung zur Handelsassistentin IHK abgeschlossen. Uns wurde das von einem großen Textilfachgeschäft als ideale Alternative zum Studium verkauft. Dennoch kammen fertig studierte BWLer und wurden trotz mangeldes Praxiswissens schneller Abteilungsleiter als wir. Auch der Weg in höherer Positionen stellte sich als schwieriger dar, als für studierte. In dieser Hinsicht würde ich mir wünschen, dass Deutschland irgendwann mal so weit ist wie die USA oder UK – es zählt das Können und das erworbene Fachwissen und nicht der Abschluss…