Bye-bye, American Dream
Der American Dream hat sich ausgeträumt. Die soziale Gerechtigkeit hat es unter Trump besonders schwer. Steffen Haake hat während einer USA-Reise nach ihr gesucht.
Busbahnhof, Los Angeles. Nach nicht weniger als einer Stunde Warten kommt endlich ein Bus. Mobilität funktioniert hier nur mit Privatautos. Die Fahrt führt entlang verfallener Häuser und riesiger Villen. Der Gegensatz ist offensichtlich. Obdachlose an jeder Ecke. Wer sind sie, diese Menschen, die die Traumfabrik vergessen hat?
In den USA besteht ein ungleich größeres Risiko als in Deutschland, vom Arbeitslosen zum Obdachlosen zu werden. Besonders in Kalifornien fällt das auf, da der Kontrast zwischen Reich und Arm dort besonders frappierend ist.
Es ist das Jahr 2017, März, und ich besuche die US-Universitäten Yale, Harvard und Berkeley, um mir ein Bild zu verschaffen von diesem alten, neuen Amerika.
Bei einem Vortrag an der University of Berkeley in der Nähe von San Francisco lerne ich, dass es auch deshalb so viele Menschen ohne Dach über dem Kopf gibt, weil konservative Gouverneure anderer Bundesstaaten Obdachlosen einst Tickets nach Kalifornien schenkten, da diese im liberalen Küstenstaat eher erwünscht waren. So engagieren sich heute noch viele Studenten in Berkeley in der Obdachlosenhilfe.
Es sind nicht mehr ausschließlich ältere Männer, die dem Alkohol verfallen sind, welche in den Straßenschluchten leben. Obdachlosigkeit ist in den USA ein Gesellschaftsproblem, das alle angeht. Besonders häufig scheint es die Kranken zu treffen. Das ist kein Wunder in einem Land, in dem die Versorgung psychisch kranker Menschen vom Einkommen der Familie abhängt. In einem Land, in dem Präsident Donald Trump die durch seinen Vorgänger Obama mühevoll erstrittene rudimentäre Gesundheitsversorgung wieder einzustampfen versucht.
Besonders leiden Einkommensschwache, POCs und LGBTs
Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) schreibt in einem Beitrag der Neuen Gesellschaft / Frankfurter Hefte über die soziale Spaltung der USA, die sich nach der Präsidentschaftswahl verschärft hat. „Land der ungleichen Möglichkeiten“ nennt er die USA.
Arbeitnehmerrechte werden eingeschränkt, Unsicherheiten nehmen zu. Die enorme Ungleichheit zwischen den Menschen verschiedener Hautfarben und Herkunftsländer wächst zum Nachteil der POCs (People of Color) ebenso wie die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern.
Wir versuchen gegenzuhalten!
Women’s March-Aktivistin
In Boston besuche ich eine Wohngemeinschaft, in der Menschen leben, die sich als LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) bezeichnen. Sie erzählen mir, dass sie sich spätestens jetzt in den USA nicht mehr zu Hause fühlen, unter anderem, weil Trump sich sehr chauvinistisch äußert. Bei einer Veranstaltung der Women‘s March-Bewegung ein kleiner Lichtblick: „Wir versuchen gegenzuhalten!“, erklärt mir eine Aktivistin, auf deren Banner „Keep your tiny hands off my rights“ steht.
Laut Braml teilen Superreiche nach dem Regierungswechsel noch drastischer die Macht unter sich auf als vorher. Das neoliberale Mantra drängt den Staat immer mehr zurück, die Infrastruktur ist marode. Viele Politiker sind Multimillionäre, die Zustimmung der Bevölkerung zum Kongress sei „seit Längerem auf ein historisches Tief gesunken“, so Braml. Viele hätten Trump aus Protest gewählt, das hört man allerorten.
Der verblassende amerikanische Traum
Doch was, wenn diese Trump-Wähler realisieren, dass ihr Hoffnungsträger ihnen einen Bärendienst erweist?
„The Fading American Dream“ haben sechs Wissenschaftler aus Stanford und Harvard ein neues Paper genannt. „In den vergangenen Jahrzehnten ist es immer weniger Kindern gelungen, mehr Wohlstand als ihre Eltern zu erwirtschaften“, sagt Raj Chetty, Wirtschaftsprofessor und einer der Studienautoren. Der Traum vom Aufstieg durch Leistung ist zur Illusion geworden. Entscheidend ist vielmehr das Vermögen der Eltern und Großeltern.
Den USA mangelt es indes nicht an Wirtschaftswachstum, dieses kommt aber fast ausschließlich bei den Superreichen an. Die überwältigende Mehrheit hat vom Wachstum nichts, im Gegenteil: Sie leidet unter den Umweltkosten, die das fortwährende Wachstum mit sich bringt. Trump verstärkt dies durch die Rücknahme bisheriger Umweltprogramme.
Wer Amerika sucht, findet es nicht
In Los Angeles endet meine Reise am Pazifischen Ozean, wo auch die Route 66 endet. Schon die Protagonisten im Film „Easy Rider“ aus den 1960ern fahren über diese Straße, um nicht nur sich selbst, sondern vor allem Amerika zu finden. Sie erleben dabei ein ambivalentes Amerika zwischen dem Traum nach Freiheit und dem Albtraum der Ungerechtigkeit. Vieles hat sich seitdem in diesem Land getan. Doch waren sich weder die „Easy Rider“ damals sicher, wo man den American Dream findet, noch bin ich es mir, wenn ich den Blick über die kalifornische Küste streifen lasse.
Chapau – wie der Ostfriese sagt !!