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Das magische „Bing“

Von Nadine Tannreuther / 15. Mai 2024
picture alliance / Sebastian Niehoff/Shotshop | Sebastian Niehoff

Wer würde heute eine schwere, umständliche Fotokamera einem handlichen Smartphone vorziehen, um Bilder zu schießen? Acht Hardfacts zur analogen Fotografie.

Da ist er plötzlich, der schöne Moment, welcher unbedingt für die Ewigkeit festgehalten werden soll. Du zückst dein Smartphone und drückst mit dem Daumen den „Knopf“ des Auslösers auf dem Display. Fertig. Alle Einstellungen wie Verschluss, Blende und Belichtungszeit werden automatisch ausgeführt. Wenige Sekunden später erreicht dieses smarte Foto über einen Messenger deine Freunde. Und wenn es dir besonders gut gefällt, gibst du es mit wenigen Klicks über eine Online-Plattform in den Druck.

So einfach war das nicht immer. Die digitale Fotografie hat eine analoge Geschichte, die seit einigen Jahren ein Revival erfährt. Doch was steckt hinter dieser Rückkehr der analogen Fotografie? Ist das nur ein Ausdruck von Nostalgie?

Ästhetik und Leidenschaft

Tobias, 39 Jahre alt und wohnhaft in Wesel, beschreibt die analoge Fotografie als eine Leidenschaft für Könner, die sich zudem darum verdient machen, das Wissen um das traditionelle Fotohandwerk zu bewahren. Zu seiner Canon AE-1 hat Tobias eine ganz besondere Beziehung, denn sie kommt nur zu besonderen Anlässen aus der Vitrine. „Analoge Fotografie ist für mich ein Highlight, weil man den Augenblick bewusst erlebt und sich wirklich darauf vorbereiten muss. Dabei gilt es, alle Sinne zu schärfen, die Kamera wie einen Bogen zu spannen, um dann im richtigen Moment bewusst loszulassen beziehungsweise auszulösen.“ Dann macht es „Bing“, ein ganz besonderes Geräusch, das Foto ist geschossen, der Moment vorbei. Seinen schwarz-silbernen „Kasten“ hat Tobias 2011 für gerademal fünf Euro in einem Fotogeschäft aus der „Ramschkiste“ gefischt und „fast vor dem Wegwerfen“ gerettet, erinnert er sich. Allein schon das Gefühl, diesen Apparat in Händen zu halten und zu spüren, dass darin etwas passiert, ist für den analogen Hobbyfotografen ein besonders ausschlaggebender Punkt, dieser Leidenschaft und der damit verbundenen Ästhetik nachzugehen. Das Spannende: „Man hat nicht ein sofortiges Ergebnis wie bei der digitalen Fotografie. Erst muss mit höchster Sorgfalt der Film entwickelt werden“. Wenn Tobias nicht seinem Hobby nachgeht, ist er Creative Director und Berufsfotograf – mit einer Digitalkamera, da dieser Prozess im Arbeitskontext schneller geht und Kosten spart, wie er zugibt.

Equipment und Investition

Ob analoge Fotografie im digitalen Zeitalter top ist oder flop, darüber existieren verschiedene Meinungen. Die Spanne reicht von „dauert viel zu lange“ bis „eine einmalige Chance angemessen einfangen“. Sicher hingegen ist jedoch der Unterschied, wie das Bild festgehalten wird: Die Analogfotografie nimmt einen haptischen Film als Träger der Aufnahme, die Digitalfotografie bedient sich eines Sensors. Weiterhin werden für eine Analogkamera vier Dinge benötigt: Kamera, Objektiv, Batterie und natürlich Film. Eine Digitalkamera hingegen benötigt keinen Film und kann beim Equipment bis auf ein Gerät „verschlankt“ werden. Bestes Beispiel: das Smartphone. Gebrauchte Analogkameras, den Eindruck kann man mittlerweile bekommen, werden einem heutzutage auf vielen Flohmärkten regelrecht „hinterhergeschmissen“. Neu geht es bei rund 25 Euro los. Für Luxusversionen, wie vom Hersteller Leica, muss man allerdings stattliche 5.500 Euro investieren. Oder darf es doch die Einwegkamera für durchschnittlich 13 Euro sein? Übrigens: Ein Schwarzweißfilm mit 36 Fotos kostet rund sieben Euro.

Zeit und Fachwissen

Eigentlich zeichnet sich jedes gute Bild durch die Vorbereitung aus: ein spannendes Motiv, der richtige Augenblick und das passende Werkzeug. Bei der Analogfotografie braucht es Fachwissen, man muss alles selbst einstellen: Lichtstärke, Verschlusszeit, Blende und ASA, die Filmempfindlichkeit also, die bei vor Mitte der 1980er gebauten Kameras nicht in ISO, sondern noch in der alten Norm ASA angegeben wird. Klingt nach Fachchinesisch? Ein bisschen. Besonders wenn es um das Entwickeln geht. Dazu muss in einer Dunkelkammer der Film blind aus der aufzubrechenden Patrone von der Rolle gespult werden, um dann in einen Container eingedreht und mit Entwicklerflüssigkeit geschüttelt zu werden. Für die anschließende Filmentwicklung benötigt es Papier, verschiedene chemische Flüssigkeiten, Wasser und eine Belichtungsmaschine. Anwender müssen dabei genau wissen, wie lange welches Papier in welche Flüssigkeit bei nahezu tiefschwarzem, leicht rötlichem Licht eingetaucht werden muss. Das Ergebnis ist entweder schwarz-weiß oder bunt und, ganz wichtig zu bedenken, nicht mit Sicherheit gegeben. Nur bei richtiger Umsetzung (und wenn das Ergebnis gefällt), hängt der Film zum Trocknen auch mal gern über der Badewanne aus. Eine Digitalkamera hat dabei zwar die gleichen Einstellungen und Möglichkeiten, verfügt jedoch über eine umfassende Automatik, auf die man zu jeder Zeit zurückgreifen kann, sodass nur noch „abgedrückt“ werden muss. Das Ergebnis ist im Vergleich zum analogen Foto flexibel, denn es lässt sich jederzeit von jedem mit entsprechender Software bearbeiten.

Trends und Kombinationen

Der Hype der Analogfotografie basiert auf einem ganz besonderen „Look“. Diesen kann Digitalfotografie nicht abbilden, die Fotos erscheinen „flach“. Egal, wer am Werk ist, alles sieht bei allen (irgendwie) gleich aus. Bei analoger Fotografie kommt es auf die Fähigkeiten des Entwicklers und auf die Qualität der verwendeten Materialien an. Analoge Fotografien heben sich daher klar von der aktuellen Flut an digitalen Bildern ab: Sie sind unabhängig von Computer und Software gestaltbar und sie schulen das Auge derer, die auf der Suche nach der richtigen Bildsprache sind. Es lässt sich gut experimentieren, wie zum Beispiel mittels Lichtmaltechnik oder verschimmelten Papieren, einem sehr eigenen Trend, oder Filmen, durch die ganz spezielle Effekte entstehen. Die Ergebnisse der analogen Fotografie zeigten Unikate, findet auch Tobias, und unterstrichen die Magie des Augenblicks. Doch die Fronten sind weniger verhärtet als es scheint. Gezielt lassen sich beide Techniken kombinieren, wenn die Unikate aus der analogen Welt digitalisiert und weiterverarbeitet werden können.

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