Der Euro Hawk und de Maizières persönliche Misere
Die Entwicklung des Euro Hawks verschlang über eine halbe Milliarde europäische Taler. Das Ergebnis: ein finanzielles Desaster und ein Verteidugungsminister unter Druck. Bereits am 04. April veröffentlichten wir auf Sagwas eine Debatte über das Thema Drohnen und deren Sinnhaftigkeit. Unter der Fragestellung „Wenn Drohnen drohen – Ist der weltweite Einsatz, auch unter deutscher Beteiligung, ein wichtiges Mittel […]
Die Entwicklung des Euro Hawks verschlang über eine halbe Milliarde europäische Taler. Das Ergebnis: ein finanzielles Desaster und ein Verteidugungsminister unter Druck.
Bereits am 04. April veröffentlichten wir auf Sagwas eine Debatte über das Thema Drohnen und deren Sinnhaftigkeit. Unter der Fragestellung „Wenn Drohnen drohen – Ist der weltweite Einsatz, auch unter deutscher Beteiligung, ein wichtiges Mittel in der Krisenbewältigung und Kriegsführung?“ debattierten unsere Blogger Christian Stahl (Contra) und Jan Rößner (Pro), seines Zeichens ehemaliger Offizier der Bundeswehr, das Thema.
Diesmal haben unsere beiden Blogger zwar einen kleinen gemeinsamen Nenner:
Der Entwicklungsverlauf des Mammut-Projektes ist gewaltig schief gelaufen. Was das aber für Konsequenzen für das Thema Drohnen im Allgemeinen und deutsche Beteiligung in Sachen Drohnen-Technologie im Besonderen haben sollte, darin sind sich unsere Diskutanten uneinig. Grund genug, beide wieder in die Arena des Debattierens zu bitten. Ein Streitgespräch.
Christian Stahl
Jan, wir sind unterschiedlicher Meinung, was Sinn und Zweck von Drohnen-Einsätzen angeht, aber sicher einig, dass das 500-Mio-Euro Debakel der „Euro Hawk“-Drohne megapeinlich für die Bundesregierung und das Verteidigungsministerium ist. Warnungen, auch aus der Bundeswehr selbst, soll es schon 2009 gegeben haben. Wie kann es da sein, dass Du weiter ein leidenschaftlicher Befürworter bist?
Jan Rößner
Nur weil erhebliche Fehler gemacht wurden in der Vorbereitung, in der Durchführung und sicherlich auch in der Ursachenforschung und nur weil wieder niemand aus den Fehlern lernen wird, bedeutet das nicht, dass die Notwendigkeit, die Technik einzuführen, in irgendeiner Weise geringer geworden ist. Vielmehr zeigt uns das Debakel, dass wir dringend eine eigene Forschung und Entwicklung im Drohnenbereich brauchen.
Christian Stahl
Notwendig für wen? Wenn 562 Millionen Euro buchstäblich in den Wind geschossen werden für eine unbemannte fliegende Wunderwaffe, die aus Sicherheitsgründen nicht einmal eine Fluggenehmigung bekommt, dann müssten wir uns doch eher grundsätzlich fragen, ob Drohnen nicht ausschließlich für SciFi-Produktionen in Hollywood zugelassen werden sollten.
Jan Rößner
Ich gebe dir vollkommen Recht, Christian, das müssten wir uns dann wirklich fragen. Vor allem, wenn der Grund das Flugzeug an sich wäre. Aber das ist ja zum Glück nicht der Fall. Schließlich reden wir ja von einem Fluggerät, das zur Aufklärung eingesetzt werden sollte, um erstens Zivilisten und Soldaten am Boden in einem Kriegsszenario zu schützen und um zweitens Hilfseinsätze zu verbessern, zum Beispiel in der Zukunft Schiffbrüchige auf hoher See zu finden. Da jedoch das LBA (Luftfahrtbundesamt) keinen vollständigen Einblick in die Technik bekommt (wegen Vorgaben der Amerikaner), hat es auch zu Recht keine Zulassung bekommen. Aber das sind hausgemachte Probleme, die mit dem Gerät absolut nichts zu tun haben.
Christian Stahl
Mit was denn sonst? Du kannst mir doch auch kein Auto verkaufen wollen, mir aber den Motor nicht zeigen und Fahrzeugpapiere verweigern mit dem Argument, dies habe absolut nichts mit dem Auto zu tun? Und wenn Drohnen wirklich für die Rettung Schiffbrüchiger entwickelt würden (schöne Vorstellung übrigens), hätten wir mit den 560 Millionen doch jetzt schon tausenden Mittelmeerflüchtlingen das Leben retten können. Tun wir aber nicht. Drohnen sind Waffen, entwickelt für Kriege, um gezielter zu töten, nicht um Leben zu retten.
Oder, lieber Jan, zum Beispiel, um die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, zu denen Du ja auch lange gehört hast, besser vor Terrorattentaten zu schützen. Mit Schutzausrüstung statt mit verschwendeten Steuergeldern!
Jan Rößner
Der Vergleich mit dem Auto ist hervorragend und ich möchte ihn aufgreifen. Stell dir vor, du kaufst einen Krankenwagen, der dafür eingesetzt werden soll, Menschen zu helfen. Er ist amerikanischer Bauart, ansonsten ist es ein ganz gewöhnlicher Wagen. Jedoch gibt der Typ, der ihn dir verkauft hat, keine Papiere mit, keine Schlüssel und lässt auch noch die Motorhaube verplomben. Du bringst den Wagen zum TÜV und der sagt: „Tja, Herr Stahl, wir wissen, dass es sich hierbei um einen ganz gewöhnlichen Wagen handelt. Aber wenn wir nicht reingucken können, gibt’s auch keine Zulassung!“ Genauso verhält es sich mit unserer Drohne. Daher: Selber entwickeln, Arbeitsplätze schaffen und die Technik für lange Zeit ins Land holen, um sich für die Zukunft bereit zu machen.
Stell dir mal vor, jemand hätte den Gebrüdern Wright (Pioniere der Luftfahrt) gesagt: „Ach Jungs, lasst’s gut sein, unsere Eselskarren und die Eisenbahn reichen doch vollkommen aus!“ Na Prost, Mahlzeit!
Christian Stahl
Haben die 560 Millionen Steuergelder verschwendet? Für unbemanntes Kriegsspielzeug, dass nicht mal fliegen darf? Aber Zynismus beiseite … Wie konnte es denn aus Deiner Insiderkenntnis zu diesem Desaster kommen? Anders als ich, wollten ja alle, die sich so blamiert haben, das Ding.
Jan Rößner
Nun, an dieser Stelle kann ich auch nur mutmaßen. Ich bin der festen Überzeugung, dass aufgrund der momentanen Reduzierung und Umstrukturierung der Streitkräfte einige Verantwortlichkeiten… sagen wir mal… unklar verteilt sind. Zusätzlich hat die Drohnenthematik alle ziemlich überrascht. Die Bundeswehr hat zwar seit langer Zeit schon kleine Drohnen im Einsatz, jedoch traf sie die Einführung größerer Drohnen völlig unvorbereitet. Die zusätzlich negative Wahrnehmung in der Öffentlichkeit trug ihr Übriges dazu bei, dass die meisten sich an der Thematik nicht die Finger verbrennen wollten. Meiner Meinung nach haben alle diese Umstände dazu beigetragen, dass es zu dem Desaster kam.
Christian Stahl
Und dennoch hält de Maizière an seinen Kampfdrohnen-Plänen fest, wie der Spiegel berichtet. In der Antwort auf eine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion spricht er sogar von 16 großen Drohnen, die mit Raketen bewaffnet, in den USA oder Israel bestellt und bereits 2016 eingesetzt werden sollen, obwohl das Problem der Fluggenehmigung bleiben wird. Also, keine deutsche Entwicklung, keine friedliche Nutzung und kein Lernen aus dem Debakel. Das ist doch kompletter Wahnsinn, oder?
Jan Rößner
Lieber Christian, das Festhalten de Maizières an dem Drohnenplan zeigt zumindest, dass dem Verteidigungsministerium die Wichtigkeit des Themas bekannt ist und sie offenbar zwischen einer Fehlentscheidung und Fehlern bei der Durchführung unterscheiden können. Schließlich begibt sich der Verteidigungsminister jetzt beruflich gesehen auf sehr gefährliches Terrain. Bzgl. der Entscheidung für israelische oder amerikanische Drohnen ist die Sachlage eindeutig: Es gibt momentan noch keine entsprechende Technik aus deutschem oder europäischem Hause. Jedoch kann ich nur hoffen, dass es sich hierbei um eine Zwischenlösung handelt, um die Fähigkeit, nicht gänzlich zu verlieren, bis wir selbst in der Lage sind zu liefern. Übrigens bedeutet eine fehlende Zulassung des LBA nicht gleich das Aus für ein Fluggerät. Es gibt die Möglichkeit, die Systeme in kurzfristig gesperrten Lufträumen zu betreiben. Das ist zwar umständlich und langfristig nicht sinnvoll, aber möglich.
Christian Stahl
Vielleicht fliegt de Maizière ja schneller als die Drohne, wenn er an dem unsinnigen und kostspieligen Kriegsspielzeug festhält. Denn nur dafür ist die Drohne gedacht. Für den Kriegseinsatz. Und es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Länder Drohnen herstellen, die aus unterschiedlichen Gründen das Völkerrecht gern mal außen vor lassen. Ich habe großen Respekt vor der Bundeswehr und dem Einsatz unserer Soldaten, die in Kriegsgebieten Kopf und Kragen riskieren. Dabei soll es auch bleiben. Lassen wir das mit den Drohnen für Deutschland bitte sein.
Wenn Drohnen wirklich nur für zivile Zwecke entwickelt würden, könnten wir vielleicht darüber reden. Aber bestellt hat die Drohnen das Verteidigungs- und nicht das Verkehrsministerium. Sehr schön finde ich den Vorschlag, den der Satire-Blog Der Postillon gemacht hat. Das wäre wahre zivile Nutzung und hätte mein Okay: „Gibt es doch noch ein Happy-End im Debakel um die Bundeswehr-Drohne ‚Euro Hawk‘? Da sich die unbemannten Aufklärungsflugzeuge einem möglichen Kriegseinsatz durch Untauglichkeit standhaft verweigern, könnten sie stattdessen schon bald gezwungen werden, Zivildienst zu leisten. Derzeit prüft das Verteidigungsministerium den Einsatz der Drohne in Krankenhäusern, Altenheimen und für diverse Fahrdienste.“
Jan Rössner
Lustig, aber wichtig ist vor allem eines: Drohnen und deren Technologie lassen sich nicht nur für militärische Zwecke einsetzen, sondern haben einen enormen zivilen Nutzen. Der Öffentlichkeit wie auch der Bundesregierung muss klar werden, wie viel Potential in der Technologie und für den Technologiestandort Deutschland steckt. Verpassen wir die Chance, hier den Anschluss zu finden, wird uns das um Jahrzehnte zurückwerfen. Solche Dramen dürfen sich natürlich auf gar keinen Fall wiederholen. Dem Thema muss mit Sorgfalt und Ernsthaftigkeit begegnet werden, um die Weichen für eine erfolgreiche Technologie-Zukunft richtig zu stellen.