Extremwetter- oder das neue Normal?
Der Klimawandel ist da – und mit ihm auch ein anderes Wetter. Überschwemmungen wie im Ahrtal 2021, eine Vielzahl an Hurricanes wie in den USA diesen Sommer oder die Fluten im Süden Spaniens: Die Katastrophen häufen sich. Doch wie erklärt die Wissenschaft den Zusammenhang und was bedeutet das für uns?
„Wir können uns darauf einstellen, dass wir hier komplett untergehen werden“, sagt Michael Lang am frühen Abend des 14. Juli 2021. Er steht auf der Terrasse seiner Vinothek in Marienthal, das Wasser der Ahr tritt bereits leicht über das Ufer. Nicht einmal einen Tag später blickt Lang vom angrenzenden Weinhang auf sein Haus. Die Flut riss das halbe Nachbarhaus mit, zerstörte neben seinem Lokal auch seine Wohnung im Obergeschoss. Noch am Morgen mussten wenige Grundstücke weiter Menschen vom Dach ihres Hauses gerettet werden. Lang ist fassungslos, seine Stimme bricht: „Mir fehlen die Worte.“
Die Szene stammt aus einer Reportage des WDR. Die Menschen vor Ort werden die Überflutungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vermutlich nie vergessen. Auch deutschlandweit hat sich die Flut ins kollektive Gedächtnis eingeprägt. Innerhalb eines Tages fiel mehr Regen als sonst in einem ganzen Monat. Mindestens 135 Menschen starben, bis heute sind die Menschen dabei, ihre Wohnorte wieder aufzubauen.
Extremwetter und Klimawandel hängen zusammen – nachweisbar
Der Klimawandel macht solche Extremwetterereignisse wahrscheinlicher. Für die Flut im Ahrtal hat die Initiative World Weather Attribution (WWA) errechnet, dass diese durch den menschengemachten Klimawandel 1,2- bis 9-Mal wahrscheinlicher geworden sind. Diese konkreten Zahlen, wenn sie auch eine große Bandbreite aufweisen, sind Ergebnis jahrelanger Forschung. Die Verbindung zwischen Klimawandel und Wetter kann mit einem simplen Phänomen erklärt werden: Warme Luft nimmt mehr Wasser auf als kalte. Je wärmer, desto nasser. Aber auch die Zusammensetzung der Atmosphäre und die Wolkenbildung verändern sich durch Treibhausgase. All das beeinflusst das lokale Wetter.
Die Klimawissenschaft tat sich lange schwer, den Einfluss des Klimawandels auf konkrete Wetterereignisse zu beschreiben. Denn Wettervorhersagen sind komplex. Alles, was mehr als 14 Tage in der Zukunft liegt, lässt sich aktuell nicht seriös vorhersagen. Klima hingegen bezeichnet[,] vereinfacht gesagt[,] das Durchschnittswetter der letzten 30 Jahre in einer bestimmten Region.
2014 gründet sich die WWA und schließt die Lücke zwischen Klimaforschung und Meteorologie. Dafür nutzt das Team um die Deutsche Friederike Otto historische Wetterdaten und Computermodelle und vergleicht zwei Szenarien: „(…) das Wetter in einer Welt ohne Klimawandel mit dem Wetter in unserer heutigen Welt“, schreibt Otto in ihrem Buch „Wütendes Wetter“. Die Welt ohne Klimawandel gleicht dabei exakt unserer Welt – nur rechnen die Forscher*innen die Effekte des menschlichen Treibhausgasausstoßes heraus. Die Modelle berechnen die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses in beiden Szenarien.
Diese Methode, basierend auf Statistik, hängt entscheidend von der Verfügbarkeit und Qualität der Wetterdaten sowie der verwendeten Computermodelle ab. Die Ergebnisse zeigen, dass Extremwetter sich häuft – und Prävention dringlich ist.
Nach Klimawandel folgt Klimaanpassung
Das WWA betreibt Attributionsforschung. Sie untersucht also, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel für das Auftreten individueller Wetter- oder Klimaextreme verantwortlich ist. Sie zeigt Risiken vor Ort auf und hilft so, geeignete Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Versicherungsunternehmen machen sich das längst zunutze und schätzen die Attributionsforschung als „wichtige Weiterentwicklung der Klimaforschung“, so der Gesamtverband der Versicherer (GDV). Denn der Klimawandel wird sich deutlich bemerkbar machen. „Wir rechnen damit, dass sich Schäden infolge des Klimawandels bis 2050 mindestens verdoppeln werden“, teilt der Verband auf Anfrage mit und schätzt, dass sich die klimawandelbedingten Kosten für Verbraucher*innen ohne flächendeckende Prävention in den nächsten zehn Jahren verdoppeln könnten: „Versicherungsschutz wird also teurer werden. Mancherorts vielleicht sogar zu teuer“, so das mahnende Fazit des GDV. Denkbar wäre auch, dass Extremwetterschäden schlicht nicht mehr versichert werden können.
Wer wissen will, wie es um den eigenen Wohnort bestellt ist, kann öffentliche Tools wie den Klimaatlas des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW) nutzen. Er bietet öffentlich zugängliche Informationen zu Lufttemperatur, Niederschlägen, Sonnenscheindauer sowie zu Extremereignissen wie Starkregen und Trockenperioden. Ergänzt wird dies durch Hochwassergefahrenkarten, die örtlich konkrete Szenarien für Überflutungen zeigen, einschließlich der Wassertiefe bei Extremhochwasser.