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Geschlossene Gesellschaft

Von Madlen Schäfer / 14. Juli 2017
picture alliance / Caro | Waechter

Wer in Deutschland zu den einflussreichsten Menschen gehören will, ist am besten männlich, weiß, groß und gebildet. Das trifft auf dich nicht zu? Keine Sorge, es gibt noch Hoffnung. In Skandinavien ist der Weg in die sogenannte Elite leichter.

„Gleich und gleich gesellt sich gern“, lautet ein Sprichwort. Das gilt auch für die Elitenbildung in Deutschland: Die mächtigsten und einflussreichsten Menschen des Landes haben oft die gleiche soziale Herkunft und bleiben gern unter sich. Je nach Definition zählen zwischen 1.000 und 4.000 Menschen zur deutschen Elite. „Es handelt sich dabei um Personen, die die Gesellschaft per Amt oder Eigentum maßgeblich beeinflussen“, erklärt Soziologieprofessor Michael Hartmann.

Zur Elite gehören damit unter anderem Politiker in höheren Ämtern wie Minister, Parteivorsitzende und Staatssekretäre. Außerdem Bundesrichter, Vorstände und Aufsichtsratsvorsitzenden börsennotierter Unternehmen, Chefredakteure, die Vorsitzenden der wichtigsten Wissenschaftsorganisationen, Gewerkschaftsvorstände, 4-Sterne-Generäle im Militär und einige Kulturschaffende.

Männer fördern Männer, Frauen aber keine Frauen

Wenig überraschend: Wie jede soziale Gruppe grenzt sich auch die obere Schichte einer Gesellschaft nach außen hin ab. Wirtschaftseliten, Politeliten und die Mächtigsten anderer Bereiche bilden im Grunde eine geschlossene Gesellschaft. Ein Außenstehender kann meist nur durch Kooptation, das heißt die bewusste Aufnahme durch bereits akzeptierte Mitglieder, Teil der Gruppe werden.

In der Wirtschaft beispielsweise bestimmen meist die Eigentümer oder Vorstände der Unternehmen, wer innerhalb der Firma und somit letztlich in die Wirtschaftselite aufsteigt. „Bei diesem Verfahren ist das Ähnlichkeitsprinzip entscheidend“, erklärt Elitenforscher Hartmann. Neumitglieder werden meist nach sozialer und ethnischer Herkunft ausgewählt. „Im Wirtschaftsleben ist es fast eine Bedingung, ein weißer, großer Mann mit einem bürgerlichen Hintergrund zu sein. Aber auch in anderen Bereichen sind diese Eigenschaften hilfreich“, sagt Hartmann. Je ähnlicher der Möchtegern-Elitäre der Elite ist, desto höher seine Chancen, in den erlauchten Kreis eingelassen zu werden. So erklärt sich schnell, warum Männer immer wieder Männer fördern.

Auch wenn die Elite inzwischen keine reine Herrengesellschaft mehr ist, stellen aktive weibliche Führungspersönlichkeiten weiterhin die Ausnahme dar. Noch irritierender aber ist: Selbst wenn Frauen einer elitären Szene angehören, bedeutet das nicht, dass damit anderen Frauen der Zugang zu selber Szene erleichtert würde. „Frauen verhalten sich vorsichtiger, um sich nicht dem Verdacht ihrer männlichen Kollegen unterziehen zu müssen, ihr Geschlecht zu bevorzugen“, weiß Hartmann. Eine Frauenquote sei nicht zuletzt effektiver, um einen Bruch von dem allgemein gültigen Ähnlichkeitsprinzip zu vollziehen. Perspektivisch würden dann auch Frauen von Männern ausgewählt werden.

Politik durchlässiger als Wirtschaft

Allerdings spielt nicht nur das Geschlecht eine Rolle. Andere Bereiche wie die Politik sind durchlässiger, weil sie auch eine Rekrutierung über eine Wahl ermöglichen, nicht bloß durch Kooptation. „Deshalb liegt der Anteil der Führungskräfte in der Politik, die aus dem Großbürger- oder Bürgertum stammen, bei 50 Prozent, während er in der Wirtschaft bei rund 80 Prozent liegt“, sagt Hartmann.

Die Grundvoraussetzung schlechthin, um zur Elite Deutschlands aufsteigen zu können, ist jedoch noch immer ein Hochschulabschluss. Mehr als 90 Prozent der aktuellen Elite besitzt ihn. Abweichungen von dieser Regel finden sich in Militär oder Gewerkschaften. Dort sind Studienabschlüsse weniger verbreitet. Den Besuch einer teuren Eliteuniversität können sich Erfolgshungrige aber sparen: „Eliteuniversitäten oder teure Privatschulen spielen in Deutschland keine Rolle“, resümiert Hartmann.

In Frankreich, wo sich eine der exklusivsten Eliten der Welt etabliert hat, sind Eliteschulen und -universitäten von entscheidender Bedeutung für den beruflichen Aufstieg. Die Grandes Ecoles repräsentieren regelrechte Elitenbrutstätten. So tritt Emmanuel Macron als derzeitiger Präsident bereits in die Fußstapfen dreier Vorgänger, die auch auf die berühmte Verwaltungshochschule ENA gegangen sind. „Die Elite kennt sich dort gut, weil sie die gleichen Schulen und Universitäten besucht haben“, sagt Hartmann. In Großbritannien und den USA sind Abschlüsse in Oxford, Cambridge oder Harvard und Yale ebenso bedeutend für den beruflichen wie gesellschaftlichen Erfolg.

Eine Quote für Arbeiterkinder

Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber doch. In den skandinavischen Ländern ist die Elite gemischter. Sie setzt sich lediglich zu 50 Prozent aus Menschen aus dem Großbürger- und Bürgertum zusammen. Auch wenn immer mehr schwedische Abgeordnete einen Hochschulabschluss haben, gibt es noch immer einen großen Anteil ohne akademischen Grad. Der Aufstieg in die einflussreiche Sphären gestaltet sich also deutlich einfacher als in Deutschland.

Die Bundesrepublik befindet sich im europäischen Vergleich im obersten Viertel, wenn es um die Durchlässigkeit der vorhandenen Elite geht. Dort hinein zu kommen gleich immer noch einem Hürdenlauf. Dem Lösungsansatz, dass Stipendien oder Exzellenzprogramme die Situatione verbessern könnten, wie manche denken, erteilt der ehemalige Uniprofessor Hartmann eine deutliche Absage. Bei den Auswahlverfahren für diese Programme würden noch immer die soziale und ethnische Herkunft eine zu starke Rolle spielt. Gerechter könne es nur zugehen, wenn das Bildungssystem offener würde. „Es müsste nicht nur eine Frauenquote geben, sondern auch eine Quote für Arbeiterkinder.“

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