X Icon Facebook Icon

Grüße aus Dubai

Von Tom Albiez / 26. Mai 2021
picture alliance / Loop Images | Tyson Paul

Instagram, Facebook und Co. sind längst integraler Bestandteil unternehmerischer Werbebudgets geworden. Besonders das lukrative Influencer Marketing floriert. Allein im deutschsprachigen Raum wurde der Umsatz von Influencern im Jahr 2020 auf eine Milliarde Euro geschätzt. Gleichzeitig wächst die Kritik daran.

Der Berliner Moderator und Youtuber Marvin Wildhage feierte kürzlich auf Youtube einen viralen Hit mit einem Video, in dem er erläutert, wie er mit viel Aufwand eine vermeintliche Gesichtscreme namens „Hydro Hype“ einer deutschsprachigen Influencerin in Dubai untergejubelt hat. Dubai lockt inzwischen Influencer aus der ganzen Welt – zunehmend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – mit billigen Lebenshaltungskosten in chicen Apartments, zumindest solange die größte Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate medial als absolute Oase gefeiert wird. Dort hat besagte Influencerin Wildhages Fake-Produkt ziemlich skurril promotet – offenbar in dem Glauben, es handele sich um eine seriöse Marke. Und das, obwohl unter den Inhaltsstoffen unter anderem Uran und Asbest angegeben waren.

Sicherlich kann man vom moralischen Standpunkt her über den Fortgang dieser Aktion diskutieren: Ist es fair, eine solche Falle zu stellen und jemanden öffentlich derart zu verspotten? Eher nicht, jedoch bringt Wildhage damit ein bisher vernachlässigtes Thema aufs Tableau, das durchaus diskurswürdig ist: Welche Rolle spielt das Phänomen des Influencer Marketings in der Werbewelt? Und wem nützt das?

Jeder Fünfte lässt sich durch Influencer manipulieren

Laut einer Studie des Bundesverbands der Digitalen Wirtschaft (BVDW) aus dem Jahr 2020 hat jede/r fünfte Deutsche/r schon mal ein Produkt nur deswegen gekauft, weil er beziehungsweise sie es zuvor bei einem Influencer gesehen hat. Die Marktmacht des Influencer Marketings ist also nicht zu unterschätzen und deswegen scheuen sich die großen Firmen auch nicht, hohe Summen in diese Social Media-Stars zu investieren.

Laut einer anderen BVDW-Umfrage unter Marketingverantwortlichen Anfang dieses Jahres gaben 14 Prozent der Befragten an, Budgets mit mehr als 100.000 Euro pro Jahr für Influencer Marketing einzuplanen. Tendenz steigend. Interessant dabei ist, dass neben den sogenannten Macro Influencern mit einer ziemlichen Reichweite bei den Entscheidungsträgern auch die Micro Influencer sehr beliebt sind. Darunter ist eine Gruppe von Influencern zu verstehen, die eine vergleichsweise geringe Anzahl an Followern hat, welche aber ein hohes Engagement aufweisen und eine besonders aktive und gut vernetzte Community in ihrer jeweiligen Nische bilden. Empfehlungen von Micro Influencern an ihre Follower erreichen darum proportional mehr Leute als im Fall so mancher Top Influencer, denen der intensive Community-Austausch fehlt.

Influencer Marketing bedient den Individualisierungstrend

Unabhängig davon, wie Influencer zu differenzieren sind, eines steht fest – an Aufträgen mangelt es den Erfolgreichen der Branche nicht. Egal ob Youtube, Facebook oder Instagram: Der Markt boomt. Hohe Investitionen, um noch näher an die eigene Zielgruppe zu gelangen, darauf kommt es an. Laut Smartly, einem Tool-Anbieter für Social Advertising, fließt das meiste Geld für Social Media-Ads übrigens immer noch direkt an Facebook, dicht gefolgt von Instagram.

Für die moderne Firma von heute sind Influencer ein ausgesprochen nützliches Mittel zum Zweck, um nicht zu sagen: ideal, vor allem wenn Influencer vertrauenswürdig, weil authentisch rüberkommen. Influencer Marketing hebt Werbung auf eine persönliche Ebene, geradezu als logische Folge des allgemeinen Individualisierungstrends. Statt stumpf uninteressante TV-Spots oder Anzeigen zu konsumieren sucht man sich in den sozialen Netzwerken durch die Wahl seiner Influencer die Werbung gewissermaßen selbst aus, garniert mit der persönlichen Note des jeweiligen Starlets.

Glaubwürdigkeit sollte keine Floskel sein

Von den Summen, die Influencern weltweit zufließen, profitieren zuvor andere Kanäle. Und auch Prime Time war doch noch nie wirklich billig, könnte man jetzt argumentieren, wenn Top Influencer aufgrund ihrer üppigen Vergütung öffentlicher Kritik ausgesetzt sind. Problematisch wird es aber, wenn Werbung nicht als solche ersichtlich ist und sich Influencer mit dem, was sie da tun, nicht kritisch auseinandersetzen. Offen gekennzeichnete Werbung auf Influencer-Kanälen, die wirklich hinter dem Produkt stehen, das sie promoten, sollte der Normalfall sein. Alles andere erodiert das Vertrauen in die Social Media-Welt, was letztlich auch auf die werbetreibenden Unternehmen zurückfällt. Influencer Marketing ist eben nicht nur Werbung, sondern „Beziehungsmanagement“ mit der Community.

Dass der Influencer-Markt noch eine ganze Weile spannend und dynamisch bleiben wird und gewinnorientierte Firmen weiter in neue Felder und Kanäle hineindrängen werden, ist abzusehen. Zum Beispiel in TikTok, das zwar werbetechnisch bisher eine untergeordnete Rolle spielt, allerdings durch seine hohe Reichweite zunehmend für Aufmerksamkeit sorgt. Neue Gesichter, aber auch altbekannte aus der Youtube– und Instagram-Szene sind längst in der chinesischen Kurzvideo-App aktiv und wecken die Begehrlichkeiten großer Marken. Die Karten werden somit permanent neu gemischt. Und auch das gehört zum Influencer-Dasein: Entgegen dem ersten Anschein schafft es wohl niemand ohne Anstrengung nach ganz oben. Wer sich öffentlich präsentiert, wird sich immer der Kritik anderer aussetzen, ob berechtigt oder nicht. Influencer brauchen also mitunter ein dickes Fell. Firmen auf der anderen Seite, die fleißig Werbebudgets vergeben, sollten gerade bei ihren Kooperationen mit gehypten Influencern Fingerspitzengefühl an den Tag legen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Ähnlicher Beitrag
Neues Thema
Meist kommentierter Artikel
Nach oben