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Gutes, das sich sehen lassen kann

Von Nannette Swed / 10. August 2017
Yehuda Swed/ vegan child Lizenz ©

Engagement kommt in vielen Facetten daher. Wenn daraus mehr werden soll als ehrbares Wirken im Kleinen, braucht es enorm viel Einsatz und Durchhaltevermögen. Eine Berliner Mutter versucht genau das mit einem ganz besonderen Ladenkonzept.

Seit etwa zwei Jahren verzichte ich auf tierische Produkte, wo immer ich kann. Angefangen hat alles mit der Geburt meines ersten Sohnes. Durch die Elternzeit hatte ich mehr Gelegenheit, über das, was ich meinem Kind vorleben möchte, nachzudenken. Außerdem entwickelte ich mehr Sensibilität für andere und einen tieferen Respekt vor anderen Lebewesen.

Seit meiner Pubertät mache ich mir Gedanken über die Vereinbarkeit meines Lebenstils mit dem Wohl der Tiere. Doch der Druck, so zu essen/ sein wie alle, war noch zu groß. Meine Kämpfe drehten sich damals eigentlich nur darum, das klar zu kriegen, und mich nicht schlecht damit zu fühlen. Ernsthaft mit Veganismus ausgesetzt hatte ich mich bis dato jedoch nicht. Ich vermute, dass es vielen so geht. Zwar haben wir oft ein ungutes Gefühl bei unseren Konsumentscheidungen. Aber weil es alle so machen, wird es schon in Ordnung sein – so unsere Vermutung, unsere Ausrede.

Dann gebar ich meinen Sohn, ich selbst schaffte Leben. Was folgte, war die Einsicht, dass niemand anderes für meine Entscheidungen die Verantwortung trägt. Nur ich. All das, was für mich nicht in Ordnung ist, das muss ich ändern.

Nicht nur vegan essen

Gesagt, getan. Zunächst habe ich meine Ernährungsgewohnheiten umgestellt. Auch meine inzwischen beiden Kinder ernähre ich vegan. Und achte dabei auf ausgewogene, nährstoffreiche Mahlzeiten. Doch das war nur der Anfang. Weil es wenig Sinn ergibt, tierische Produkte aus dem Speiseplan zu streichen, aber immer noch Lederschuhe zu tragen, kaufte ich bald auch keine aus Tierprodukten hergestellte Kleidung mehr.

Bei jedem Kinderschuhkauf stand ich vor der Entscheidung: plastikhaltiger, veganer Schuh made in China oder ein „nachhaltiges“ (wenn wir die Ökobilanz der Tierhaltung außer Acht lassen) Lederschühchen made in Portugal? Eine solche Wahl ist qualvoll – nicht nur für mich. Ich will sie nicht mehr treffen müssen und entschied für mich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Mit vegan child plane ich, den weltweit ersten Shop ausschließlich für vegane Kindermode zu eröffnen. Ein One-Stop-Shop, sozusagen. Nicht einfach nur eine kleine vorzeigbare Abteilung, die als Feigenblatt dient.

Geld sammeln, aber wie?

Gründen ist inzwischen relativ einfach – Durchhalten ist die Kunst. Denn um eine anhaltende soziale Wirkung zu haben, muss ein Unternehmen in die Breite wachsen.

Um vegan child zu finanzieren, habe ich eine Crowdfunding-Kampagne bei Startnext initiiert. Auf diese Weise bekomme ich auch von potentiellen Konsumenten ein Feedback zur Idee. Im Gegensatz zu vielen anderen Konzepten steht nicht nur ein konkretes Produkt, sondern gleich ein ganzer Webshop im Fokus. Das ist eine Herausforderung, wenn man Menschen gewinnen will, die das Projekt mitfinanzieren sollen.

Zusammen mit Sorbas Shoes, einem jungen Berliner Schuhlabel, habe ich einen neuartigen Kinderschuh auf den Markt gebracht, der alles hat, was ich bei Kinderschuhen vermisst habe: Er wärmt, ist nachhaltig, fair und ohne Tierleid produziert sowie frei von Plastik. Eine seltene langfaseriger Bio-Baumwolle dichtet den Schuh bei Nässe ab.

Zwar erhalte ich in sozialen Netzwerken viel positives Feedback für mein Engagement. Vor allem moralische Unterstützung bekomme ich allenthalben, finanzielle dagegen leider wenig. Nur ist das nicht das einzige Hindernis.

Global versus lokal

Ich möchte mich mit vegan child an ein großes Publikum wenden. Also habe ich die Kampagne international ausgerichtet. Nachhaltigkeit, Fairness und Tierwohl sind längst globale Themen. Sie gehen Menschen in allen Ländern etwas an.

Startnext ist allerdings eine deutsche Plattform, die dementsprechend weniger effektiv Interessierte aus anderen Ländern erreicht. Amerikanische Verbraucher etwa könnten sich durch die andere Währung und die unbekannten Größenangaben abgeschreckt fühlen. Mit Blick auf das deutsche Publikum könnte es eventuell von Nachteil sein, dass der Kampagnentext auf Englisch ist.

Welche Probleme sich auch immer bieten, für mich bedeutet Gründen vor allem: Learning by doing. Ich weiß jetzt, was ich in meinem Webshop unbedingt besser machen muss. Insbesondere das Thema Partizipation soll eine wichtige Rolle spielen. Wer vegan child unterstützt, soll seine Meinung zu veganen Produkten äußern und so helfen, die Veganisierung der Mode tatsächlich voranzubringen.

Sollte das Crowdfunding entgegen aller Hoffnungen nicht erfolgreich sein, werde ich an dem Thema dranbleiben. Denn hinter der Idee von vegan child steckt eine neue soziale Bewegung, ein moralischer Anspruch und der Wille, ein Angebot zu schaffen, dass es so bislang nicht gibt. Ich bin mit den Produzenten und den für die Kampagne entwickelten Produkten auch schon ein gutes Stück weit gekommen. Aufgeben geht eigentlich gar nicht mehr.

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