Ich konsumiere – also bin ich?
Mein Auto, mein Haus, mein Boot: Wer konsumieren kann, dem geht es gut. Aber Zigarettenkonsum, Alkoholkonsum, Drogenkonsum… Das sind doch alles negativ konnotierte Begriffe in unserer Gesellschaft, oder? Über einen Begriff und diverse Auffassungen
Natürlich weiß das Wirtschaftslexikon, was gemeint ist. Unter „Konsum“ versteht man im Allgemeinen Sprachgebrauch „die Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung durch private oder öffentliche Haushalte“. Der private Haushalt hat dabei grundsätzlich „in der Nutzung des Einkommens eine Wahl“: zwischen Konsumverzicht, also Geld sparen oder ausgeben. Logisch.
Was aber bedeutet das Konsumieren konkret im Alltag? Wie beeinflusst Konsum unsere Einstellungen? In einer kleinen Umfrage geben Passanten aus Wiesbaden und Mannheim Auskunft über ihren ganz eigenen Umgang in Sachen Konsum.
Vier Menschen, vier Ansichten – ein Stimmungsbild
Für Alicia K. (23) bedeutet Konsum, „Essen und Lebensmittel, vorwiegend Obst, Gemüse und Schokolade zu verzehren“. Außerdem zählt die junge BWL-Studentin die Medien zu den Konsumgütern. Konsumieren nimmt in ihrem Alltag ansonsten nicht viel Platz ein. ,,Ich versuche, wenige und dafür frische Lebensmittel einzukaufen, damit ich nichts wegwerfe. Im Bereich der Medien achte ich auf eine mäßige Nutzung von Facebook und Instagram. Vor allem bei Nachrichten ist es für mich wichtig, nicht zu sehr beeinflusst zu werden.“ Alicia K. würde, anstatt zu konsumieren, gerne mehr selber produzieren, denn „wir haben in der Familie einen eigenen Gemüsegarten mit Tomaten, Zucchini, aber auch Obst wie Johannisbeeren, Trauben und Äpfel“, freut sie sich. „Bananen und Kiwis haben wir ebenfalls gepflanzt, die bringen jedoch noch keine Erträge. Für den Winter kochen wir dann Marmelade und Gelee oder machen Wein, beziehungsweise Traubensaft“, erzählt die junge Frau. Unter Druck fühlt Alicia K. sich nicht. „Konsum ist für mich nicht zwanghaft, sondern ein Teil vom Leben. Ich bezeichne meinen Lebensstil als stabil und nicht suchtgefährdet, bei Anderen sehe ich jedoch vor allem in Zeiten von Corona einen Hang dazu, vermehrt Lebensmittel zu kaufen. Ich achte sehr darauf, was ich will oder brauche, und gebe gerne den Tipp weiter, ohne Hunger einkaufen zu gehen und das Benötigte auf einen Zettel zu schreiben.“
Ivo L. (53) hingegen muss bei der Frage ,,Was bedeutet für Sie Konsum?“ erst einmal kurz innehalten. „Gute Frage“, so seine erste Reaktion und ergänzt kurz darauf: „Lustbefriedigung!“ Den Wert, den Konsum dabei in seinen Leben einnimmt, schwankt stark. ,,Mal mehr, mal weniger. Ich zähle mich zur Kategorie Frustkäufer“, formuliert er es. „Vor allem, wenn es mir nicht so gut geht. Konsum bedeutet für mich vorneweg: Ich gönn‘ mir was.“ Mehr selber machen, anstatt zu konsumieren, würde er allerdings nicht wollen, denn „was ich nämlich selbst produzieren kann, kaufe ich sowieso nicht, wie beispielsweise Fotos.“ Als zwanghaften Konsum definiert der leidenschaftliche Hobby-Fotograf: „Wenn man mehr kauft als man braucht. Besonders in Deutschland wird oft für Andere konsumiert. Beispielsweise sind Lebensmittel zu günstig, weil Andere kaum sehen können, ob es sich um Nahrung aus dem Discounter oder dem Feinkostladen handelt. Auch Kleidung und Autos symbolisieren den Konsum für Andere. Eigentlich idiotisch! Dabei erinnere ich mich an die Sparkassenwerbung: mein Haus, mein Auto, mein Boot…“
Von Konsum spricht Sunju K. (30), wenn sie einen Gegenstand oder eine Dienstleistung erwirbt oder beansprucht. Darüber hinaus hat Konsum für sie einen hohen Stellenwert, „da ich gerne shoppe. Aktuell aber eher online“. Doch die junge Hundebesitzerin hat mehr vor. „Gerne möchte ich Klamotten selbst herstellen können. Sobald ich mehr Zeit habe, werde ich mir das Nähen mit einer Nähmaschine anhand von YouTube-Videos selbst beibringen.“ Und, wie sieht es mit unkontrolliertem Konsum in ihrem Leben aus? „Eine Art Sucht bedeutet für mich, wenn man mit dem Einkaufen nicht mehr aufhören kann. Zum Beispiel, wenn man etwas hat und trotzdem Ähnliches kaufen muss. Vielleicht, weil es eine andere Farbe hat oder wenn es im Angebot ist.“ Aber auch in eine andere kritische Situation will Sunju K. auf keinen Fall geraten. „Die schlimmste Situation nach zwanghaftem Konsum wäre für mich, dadurch Schulden zu erlangen.“
Und was verbindet jemand mit der Lebenserfahrung von 74 Jahren mit dem Begriff „Konsum“? „Gute Frage“, antwortet Rainer V. nachdenklich. In der Kindheit äußerte sich durch das Elternhaus Konsum in Form von Knappheit. „Dann gab es berufliche Phasen, wo es gut ging, Konsum war eine Belohnung. Durch einen Tumor kam ich dann wieder an den Ursprung zurück: Konsum bedeutete Verzicht.“ Anschließend gründete Rainer V. eine Firma, in die zunächst viel investiert werden musste, doch „die letzten sieben Jahre lief das Geschäft und nun genieße ich Konsum in Form von Kunstantiquitäten. Konsum ist für mich heute Selbstbelohnung.“ Zumindest manchmal, ergänzt er. „Je nachdem, was geht. Es gab Zeitpunkte, wo ich keinen Spielraum hatte. Doch es macht Spaß, wenn ich nicht jeden Pfennig umdrehen muss. Dies empfinde ich als Teil von Freiheit, nämlich nicht ständig über Knappheit nachdenken zu müssen.“ Im Alltag fotografiert auch Rainer V. gerne, lässt Steinskulpturen entstehen und entwirft Schriftarten für Bücher und Webseiten. „Das befriedigt mich sehr“, sagt er. Eine Art Suchtempfinden kennt er nicht. „Jedoch bin ich mir über Situationen bewusst, in denen ich unglücklich bin und wo ich mir überlege, was ich mir kaufen könnte. Dazu zählen Lebensmittel und Süßigkeiten, aber auch Fotoequipment und Bücher. Das hat dann auch manchmal den Charakter des Manischen.“