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Im Notfall betreut

Von kamilachilewski / 27. März 2014

Das Meeting ist für 18 Uhr angesetzt, die Kita schließt um 17 Uhr, der Babysitter hat abgesagt. Wohin nur mit dem Kind? Wer in Deutschland Familie und Beruf vereinen will, scheitert oft an fehlenden Betreuungsangeboten. „Staatliche Kita-Einrichtungen sind nicht sehr flexibel“, sagt Monika Neth. Sie arbeitet beim Kirchlichen Dienst für Arbeit in Kiel und hat […]

Das Meeting ist für 18 Uhr angesetzt, die Kita schließt um 17 Uhr, der Babysitter hat abgesagt. Wohin nur mit dem Kind? Wer in Deutschland Familie und Beruf vereinen will, scheitert oft an fehlenden Betreuungsangeboten. „Staatliche Kita-Einrichtungen sind nicht sehr flexibel“, sagt Monika Neth. Sie arbeitet beim Kirchlichen Dienst für Arbeit in Kiel und hat vor zehn Jahren des Projekt „Company Kids Kiel“ (CoKi) angeregt. Seit Oktober 2005 bietet sie gemeinsam mit der pme Familienservice Gruppe eine flexible Kinderbetreuung an, die Eltern entlasten soll.

24 Stunden, 365 Tage

Die flexible Kieler Kita sieht ganz normal aus: Flaches Backsteingebäude, kleiner Vorgarten, Sandkasten. Auf dem sonnengelben Linoleumboden mit roten Punkten liegt Spielzeug. Doch das Angebot der Kita ist besonders. Neben der staatlich geförderten Kinderkrippe gibt es bei CoKi eine Notfallbetreuung. Das sogenannte Back-Up-Programm ist eine flexible Kinderbetreuung, die zusätzlich zu den Regelöffnungszeiten von Kitas existiert. Berufstätige Eltern können 24 Stunden pro Tag und 365 Tage im Jahr ihre Kinder im Notfall in die Obhut von CoKi geben.

Die Sonderbetreuung bezahlt der Arbeitgeber, der ein bestimmtes Kontingent an Kita-Plätzen kauft. Bei Bedarf melden die Familien ihre Kinder bis 20 Uhr des Vortages telefonisch bei CoKi an. Vor allem am Wochenende komme es oft vor, dass Eltern ihre Kinder für ein paar Stunden in das Back-Up geben, sagt Kita-Leiterin Stefanie Bohn. „Aber es ist auch nicht unüblich, dass ein Platz ab fünf Uhr morgens so bis 21, 22 Uhr abends benötigt wird“, erzählt sie. „Beispielsweise kümmern wir uns um das Kind eines alleinerziehenden Vaters, der Spätschicht hat, von 22 bis sechs Uhr.“

Arbeitgeber kauft Plätze

Die Betreuung zu ungewöhnlichen Zeiten kommt gut an. „Die Familien, die unsere Notfallbetreuung nutzen, sind sehr erleichtert und glücklich über das Angebot“, so Bohn. Allerdings können nur Arbeitnehmer ihre Kinder abgeben, deren Arbeitgeber Plätze bei der Kita gekauft haben. Privatleute können das Angebot nicht einfach nutzen. „Ich habe auch Anfragen von Eltern bekommen, die nicht in einer Vertragsfirma arbeiten, ob wir ihre Kinder für ein paar Stunden aufnehmen können. Für die brach eine halbe Welt zusammen, als das nicht ging.“

Janne Gierthmühlen, 36 Jahre, arbeitet für einen Vertragspartner von CoKi, kann also das Angebot nutzen. Sie steckte mitten in einem Forschungsprojekt für ihre Habilitation, als ihr Sohn zur Welt kam. Als Ärztin am Uniklinikum Schleswig-Holstein und Wissenschaftlerin arbeitet sie viel, ebenso ihr Mann, ein Fachanwalt für Medizinrecht. Eine 60-Stunden-Woche ist bei ihm normal. Das erste Mal kommt Gierthmühlen mit der Back-Up-Betreuung in Berührung, als sie zu einem Kongress nach Mannheim muss und sich spontan niemand findet, der auf ihren Sohn aufpasst.

Seitdem nimmt Gierthmühlen das Back-Up einmal pro Monat in Anspruch. „Die Betreuung ist sehr gut und liebevoll, die Kinder gehen gerne dort hin. Woanders würde es mir vielleicht schmerzlich sein, die Kinder abzugeben“, sagt Gierthmühlen. Derzeit ist sie wieder in Elternzeit. Auch ihre sechs Monate alte Tochter Felia gibt sie manchmal für ein paar Stunden in die Hände der CoKi, etwa wenn sie trotz Elternzeit Vorlesungen geben muss.

Leichter Wiedereinstieg

„Es ist schwierig, in der Wissenschaft gänzlich zu pausieren“, sagt Janne Gierthmühlen. „Ich will das auch gar nicht. Ich mache meine Arbeit gerne, sie macht mir Spaß.“ Für sie sei immer klar gewesen, dass sie Arbeit und Kinder vereinen wolle. „Ich will mein eigenes Leben haben. Wenn die Kids irgendwann aus dem Haus sind, will ich nicht vor einer Leere stehen.“

In einem halben Jahr wird Janne Gierthmühlen wieder anfangen zu arbeiten. Der Wiedereinstieg in das Berufsleben habe schon nach der Geburt ihres Sohnes gut geklappt. „Aber ich weiß, dass der Wiedereinstieg für andere Frauen schwieriger ist“, sagt Gierthmühlen. „Ich habe den Luxus, für ein Unternehmen zu arbeiten, dass die Notfallbetreuung über CoKi anbietet. Das wäre in einem kleineren Unternehmen sicherlich nicht möglich.“

Das Kieler Modell ist kein Einzelfall: Es gibt mehr als 70 Kitas in ganz Deutschlands, die Kinder auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten betreuen. Der Zugang zu diesem Angebot ist jedoch noch nicht für alle Arbeitnehmer offen.

Über die Autorin:
Sophia Hofer macht derzeit ein FSJ Kultur in der Internationalen Bildungsstätte Jugendhof Scheersberg an der Ostsee, wo sie mit Jugendlichen kreativ in kulturellen und politischen Werkstätten zusammenarbeitet. Durch verschiedene Seminare und der Schülerzeitung fing Sophia an Geschichten in unserer Gesellschaft zu recherchieren und darüber journalistisch zu schreiben. Sie publiziert derzeit in lokalen Zeitungen und im Internet.
 

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