Mit Spitzendeckchen gegen die Online-Konkurrenz
Unterkünfte, die über die Online-Plattform Airbnb vermittelt werden, machen Hotels und Pensionen Konkurrenz – sie sind individueller, persönlicher und oft günstiger. Doch nicht alle traditionellen Übernachtungsanbieter knicken davor ein.
Die Schillerstraße im Münchner Bahnhofsviertel. Zehn Hotels und Pensionen liegen zwischen Sexshop und Tabledance-Bars. Zwielichtige Gestalten drängen sich in dunklen Straßenecken und Spielhallen. Neben einem Gold-An- und Verkaufsladen prangt in gelben Lettern fast schon ironisch „Hotel Monaco“.
Viele Touristen buchen sich heute lieber über Online-Portale wie Airbnb in ein schickes Schwabinger Penthouse ein, das verlockender nicht sein könnte: große Dachterrasse, Whirlpool und Blick auf den Englischen Garten. Der Kunde kann auf der Übernachtungsplattform allein in München zwischen 4.000 Inseraten wählen. Vom schicken Loft bis zum Gartenhäuschen ist alles dabei. Oft gibt es zur Unterkunft noch Tipps von den „Locals“ – und, je nach Sympathie, vielleicht sogar eine private Führung durch Stadt und Kneipen. Heftige Konkurrenz für das Hotel Monaco.
Persönlich und herzlich
Der Weg ins Monaco führt durch einen kahlen grauen Flur. Doch kaum öffnen sich die Türen zum Empfangsraum, steht der Gast in einer völlig anderen Welt: der Welt von Christine Sevdas, der Hotelchefin. Einer Welt aus Engeln, Spitzendeckchen und frischen Blumen auf dem Tisch. Jedes der zwanzig Zimmer ist liebevoll dekoriert. Sevdas, mit Herzchenkette und roter Lockenmähne, wirkt wie eine herzliche Mama, die all ihre Gäste selbst empfängt und versorgt. „Das alles ist für mich nicht nur Beruf, das ist mein Leben“, sagt die 52-Jährige strahlend und reicht Tee in einer Blümchentasse.
Als Sevdas das Hotel vor 21 Jahren übernahm, gab es noch keine Online-Buchungen. Heute ist ihr Haus auf Facebook, Instagram, Twitter, Booking und vielen anderen Plattformen zu finden. „Wir waren in München eines der ersten Hotels, die online vertreten waren“, sagt sie. Sie ist überzeugt: Die Hotels, die heute um Kundschaft kämpfen müssen, haben es verpasst, im Internet mitzumischen.
Traditionelle Häuser müssen online sichtbar sein
Wenn sich ein Kunde an den Hotelberater Gustav Burckschat wendet, ist der Grund dafür oft die Digitalisierung. „Viele Häuser sind da noch hinterher“, sagt der ehemalige Hoteldirektor, der seit 2014 Hoteliers berät. Als Verlierer der Übernachtungsbranche sieht Burckschat Hotels, die ihren Onlineauftritt vernachlässigen. „Gerade in kleinen Hotels wird da oft gekürzt“, sagt Burckschat. Das führt dazu, dass diese Unterkünfte online nicht auffindbar sind – anders als die zahlreichen privaten und gewerblichen Inserate auf Airbnb und anderen Plattformen.
Dabei müssten sich die traditionellen Unternehmen nicht vor den neuen Anbietern verstecken. „Wenn die Hotels online gut aufgestellt sind und ihre Alleinstellungsmerkmale wie ein Frühstücksbuffet oder einen Wellnessbereich herausstellen, dann ist auch Airbnb keine große Konkurrenz“, sagt Frank Ulrich John, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes. Im Durchschnitt seien Hotels in München sogar zehn Euro günstiger als die per Airbnb vermittelten Unterkünfte.
Dennoch nimmt Airbnb mehr und mehr den Markt ein. Wie der Hotelprojektentwickler GBI AG in einer Studie zeigt, übernachtet fast jeder elfte Städtereisende inzwischen in einer Privatunterkunft. Das Bett für die Neujahrsnacht 2016 haben zwei Millionen Gäste weltweit laut der Plattform über Airbnb gebucht.
Verschiedene Regeln für neue und traditionelle Anbieter
John beunruhigen diese Zahlen nicht: „Der Städtetourismus an sich boomt. In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Übernachtungszahlen um 180 Prozent gesteigert. Es sind also genügend Gäste für alle da“, so der Branchenexperte. Trotzdem gebe es Handlungsbedarf. „Airbnb-Vermieter zahlen bisher oft keine Steuern. Sie erfüllen im Gegensatz zu Hotels und Pensionen auch keine Brandschutzvorgaben und Hygienevorschriften. Der Markt muss wieder gerecht werden.“
Politik und Wissenschaft diskutieren seit einiger Zeit darüber, wie die Regeln für die neuen und etablierten Unterkunftsanbieter angeglichen werden können. Die Verbraucherzentrale Bundesverband fordert zumindest für gewerbliche Anbieter auf Airbnb striktere Regeln.
Viele Wohnungen werden inzwischen ausschließlich als Airbnb-Unterkünfte genutzt. Das sorgt für Wohnungsknappheit, die Mieten steigen. Seit Mai 2014 ist es gemäß dem Zweckentfremdungsverbot in Berlin zwar gesetzlich verboten, eine Mietwohnung ohne Genehmigung über Airbnb zu vermieten, allerdings ist die Dunkelziffer sehr hoch, heißt es in einem Datenjournalismus-Projekt der FH Potsdam (http://www.airbnbvsberlin.de).
Konkurrenz für den Wohnungsmarkt
„Das Problem sind nicht die kleinen Privatanbieter, die ab und zu ihr Wohnzimmer vermieten“, meint John. „Wir haben Angst vor den Unternehmen, die Airbnb für kommerzielle Zwecke missbrauchen und teilweise mehr als vierzig Wohnungen anbieten.“ Laut der FH-Potsdam-Studie haben etwa zehn Prozent der Airbnb-Nutzer in Berlin mehr als eine Wohnung. Sie gelten als gewerbliche Anbieter mit eindeutigen Gewinnabsichten.
Die Online-Konkurrenz führt zu einem Wandel in der ganzen Hotelbranche. „Viele Hoteliers richten ihre Häuser individueller und persönlicher ein, um dem ganzen einen privaten Touch zu geben“, sagt John.
Im Hotel Monaco ist das schon immer so gewesen. Beim Auschecken gibt es für die Gäste aus den USA noch ein Stück Kuchen und ein Selfie mit der Hotel-Mama. Die Urlauber bedanken sich überschwänglich. „Diese Familie kommt wieder“, ist sich Sevdas sicher. Schnell gießt sie Tee in Blümchentassen: Gerade kommen wieder Gäste, die bei ihr und nicht über Airbnb gebucht haben.