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Mut für die Zukunft: die Transformation einer Ungleichheit

Von Nadine Tannreuther / 19. Mai 2021
picture alliance / Hartmut Rauhut/Shotshop | Hartmut Rauhut

Gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten, nachhaltigen Einfluss auf bestehende Strukturen nehmen – aber wie bloß? Was nicht unmöglich ist, gestaltet sich manchmal schwieriger als gedacht. Wie Erfolg gelingt, machen einige Initiativen uns vor.

„Zukunft statt Braunkohle! Bewahren statt zerstören!“ Noch immer geben sich die Bewohner in Pödelwitz südlich von Leipzig kämpferisch. Zumindest auf Plakaten. Mehrere Jahre haben sie sich gegen das Abbaggern ihres Dorfes eingesetzt. Mit Erfolg. Was zeitweise nicht abzusehen war, mussten sie doch gegen ein Unternehmen auf die Barrikaden, das an die 20 Millionen Tonnen Braunkohle unterhalb der Gemeinde ran will und dafür am liebsten alle Bewohner umsiedeln möchte. 80 Prozent der Hausbesitzer haben das Angebot bereits angenommen. Die übrigen 35 Aktivisten setzen nun alles daran, dem verwaisten Ort wieder Leben einzuhauchen.

Pödelwitz erinnert teilweise an einen dystopischen Science Fiction-Film, in dem sich eine Gruppe von Leuten gegen die sie umgebende Ungerechtigkeit – Umweltzerstörung und ungleiche Machtverteilung – energisch zur Wehr setzt, aber auch etliche Verluste hinnehmen muss, um an ihr Ziel zu gelangen. Ganz automatisch stellt sich einem in Anbetracht dessen die Frage: Was können wir als Gesellschaft tun, um unser Potential zu nutzen und Einfluss auf die Zukunft zu nehmen, um uns ein derartiges oder vergleichbares Schicksal zu ersparen?

Auf der Suche nach einer besseren Wirtschaft

Möglich ist Einflussnahme dann, wenn sich Gleichgesinnte zusammenschließen, wenn sie aktiv für die Transformation grundsätzlicher Belange einsetzen. Ein zentrales Interesse in diesem Fall: die Wirtschaft. Eine Wirtschaft von Menschen für Menschen. Was das heißt? Ökologisch, nachhaltig und sozial agieren, um Umweltressourcen zu schonen, langfristig optimiert für ein gemeinsames Miteinander, sagen die Aktivisten. Denn auch eine Marktwirtschaft verfolgt die Aufgabe, Waren und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, sodass Individuen diese über Kauf beziehungsweise Nichtkauf bewerten können. Verkommt jedoch eine soziale zu einer rein kapitalistischen Marktwirtschaft, leiden nicht nur die Menschen darin, sondern auch Umwelt und Naturschutz. Um dem entgegenzuwirken bedarf es, Kräfte zu bündeln und sich auf Kooperation statt Konkurrenz zu konzentrieren, um absehbare Krisen abzuwenden.

„Ich bin überzeugt davon, dass, wenn wir konkrete Schritte einleiten, es auch anders sein kann. Unser heutiges Handeln beeinflusst unsere gemeinsame Zukunft“, so Ronja Morgenthaler aus Leipzig, junges Mitglied des 2011 gegründeten gemeinnützigen Vereins Konzeptwerk neue Ökonomie. Im Fokus des 25-köpfigen Teams steht die gemeinsame Suche nach einem guten Leben für die Gesellschaft mit den Kernfragen: Wie wollen wir leben? Und wie kommen wir dahin?

Das Konzeptwerk verortet sich selbst an der Schnittstelle zwischen sozialen Bewegungen, Politik und Wissenschaft und wird zusammen mit zahlreichen anderen Akteuren und Unterstützern aus dem sozial-ökologischen Bereich aktiv. „Wir arbeiten an Gesellschaftsentwürfen und visionären Vorschlägen, um diese scheinbare Alternativlosigkeit aufzubrechen. Und weil konkrete Utopien im politischen Handeln Orientierung geben können. Wir wollen keinen Masterplan, der am Reißbrett entworfen wird: Inspiriert durch schon existierende Alternativen und die Vernetzung mit sozialen Bewegungen möchten wir eine demokratische Suche ermöglichen“, heißt es offiziell von Seiten des Vereins.

Ronja Morgenthaler formuliert es so: „Eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft ist dringend notwendig! Dafür gibt es keine Vorgabe, es gibt auch keine Garantie. Doch wir haben das Recht, die Zukunft in die Hand zu nehmen.“ Tun statt abwarten. Heute Einfluss auf morgen nehmen. Aber alles mit Bedacht und auf Basis gesellschaftskritischer Diskurse.

Mehr Teilhabe von Jungen und Betroffenen

Ein vergleichbares Engagement gibt die Initiative Fridays for Future seit einer Weile vor. Und zwar so ansprechend, dass die soziale Bewegung aus Schülern und Studierenden längst weltweit zu finden ist. Ihre Forderung: rasche, umfassende und effiziente Maßnahmen für den Klimaschutz. Eine ihrer Kritiken: Deutschland muss beim Klimaschutz mehr machen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht den Beschwerdeführenden der Bewegung Ende April 2021 Recht gegeben und das deutsche Klimaschutzgesetz als teilweise verfassungswidrig deklariert, da ausreichende Vorgaben für die Minderung der Emissionen ab dem Jahr 2031 fehlen.

Gefragt ist also die Politik. Aber was ist zu erwarten von Parlamentariern, die überwiegend der mittleren Altersklasse zuzurechnen sind? Im Januar 2021 zählte der Deutsche Bundestag lediglich 30 Mitglieder (MdB) aus den Jahrgängen 1986 bis 1990 sowie nur drei Abgeordnete, die unter 30 Jahre alt sind. Bei insgesamt 598 MdB in dieser Legislaturperiode! Das spiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse nur unzureichend wider. Aber Zeiten ändern sich. Galt Politik vielen jungen Leuten gestern noch als langweilig, erscheint sie heute offenbar immer mehr unter ihnen einen Einsatz wert. Eine solche politisierte Generation beweist, dass sie den wachsenden Wunsch nach Veränderung mit mehr Mut, Redefreude und Durchsetzungsvermögen bedienen kann und will.

Von Erfolg gekrönt werden kann Engagement für Gemeinwohl und konstruktives Zusammenleben allerdings nur dann, wenn nachhaltiger Einfluss allen möglich ist und auch wahrgenommen wird. Der Widerstand in Pödelwitz ist noch nicht beendet. Die verbliebenen Bewohner wollen künftig Gleichgesinnten zur Seite stehen und ihre Erfahrungen mit anderen Dörfern, die dem Tagebau weichen sollen, teilen.

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