Person des komplett öffentlichen Lebens
In der Ära der Sozialen Medien haben neue Plattformen die Gesellschaft transformiert: Anonym im Internet gepostete, sogenannte Blind Items erlauben es Millionen von Anhängern, jedes noch so private Detail über ihren Lieblingspromi direkt in ihren Feed zu bekommen.
Promi-Klatsch ist so alt wie das Show Business. DeuxMoi und Crazy Days and Nights haben diesen Promi-Klatsch revolutioniert. Die gleichnamigen Plattformen bieten einen vermeintlich ungefilterten Blick in das Leben von Personen des öffentlichen Lebens. Doch stellt sich die Frage, ob die angeblich dargestellte Realität nicht eher ein massiver Eingriff in die Privatsphäre bedeutet.
Während klassische Medien lange Zeit die öffentliche Wahrnehmung von Prominenten prägten, bringen Soziale Medien eine neue Art von Klatsch hervor, wo Anonymität auf Schnelligkeit trifft. DeuxMoi heißt der wohl bekannteste klatschfreudige Account auf Instagram. Durch „Blind Items“ erlaubt er eine unkuratierte Erzählung: “Normale“ Menschen teilen ihre Begegnungen mit Prominenten – anonymisiert und mit Hinweisen, aber ohne die Namen der Promis zu nennen.
Blindes Vertrauen in Blind Items
Diese Berichterstattung fordert die Prominarrative, an denen traditionelle Klatschblätter festhalten, heraus und gewährt einen Einblick hinter das sonst sorgfältig kontrollierte öffentliche Image. Zwar erinnert das Kleingedruckte daran, dass die Informationen reine Spekulation sind und nicht kontrolliert werden. Doch das hält die Nutzer nicht davon ab, die Blindartikel aus der digitalen Klatschspalte als Nachricht für bare Münze zu nehmen. Für viele steht vor allem das damit verbundene Rätseln im Vordergrund.
Um wen handelt es sich? Könnte das vielleicht die berühmte Filmschauspielerin aus der noch berühmteren TV-Serie sein? Sowas kann man sich schnell zusammenreimen. Blind Items machen Prominente menschlich und irgendwie zugänglicher, in dem sie einen Blick hinter die so akkurat geschminkte Fassade gestatten.
Die Internetseite Crazy Days and Nights ist neben DeuxMoi vermutlich die bekannteste Plattform dieser Art. Auch sie stützt sich auf anonyme Hinweise, wenn es um Blind Items geht, geht aber noch einen Schritt weiter. Hier werden Blind Items bei Veröffentlichung doch mit Namen versehen, zumindest mit denen der Prominenten.
Diese Namensnennungs-, aber auch die Enthüllungsstrategie im Allgemeinen bedienen nicht nur die Neugier der Leser, sondern werfen ethische Fragen auf. Prominente, die einst die Berichterstattung über sich selbst etwa durch Kontakte zur Presse mitbeeinflussen konnten, sehen sich nun unbestätigten Behauptungen schutzlos ausgesetzt, die sich weltweit wie ein Laubfeuer verbreiten können und nur schwer wieder aus der Welt zu schaffen sind. Eine Folge: Zunehmende Klagen wegen Verleumdung.
Es gab aber auch schon Beispiele dafür, dass Blind Items dabei geholfen haben, die zunächst unbestätigten Aussagen anonymer Whistleblower als wahr zu enthüllen. Im Fall der US-amerikanischen Schauspielerin Allison Mack, die wegen Menschenhandels verurteilt wurde, gab es schon früh Hinweise dank Blind Items. 2018 kam heraus, dass Mack unter dem Deckmantel einer Selbsthilfegruppe Frauen für eine Sekte rekrutiert hat, in der diese zum Sex mit dem Sektenführer gezwungen worden waren. Infolgedessen kam sie ins Gefängnis.
Right to know?
In der Wechselwirkung zwischen Prominenten und Klatschplattformen drückt sich eine zwiespältige Dynamik aus, wobei einige Stars diese nahbare Form der Transparenz begrüßen, während andere die zum Teil vorliegende Verletzung der Privatsphäre hart verurteilen. In einer Ära der Desinformation kann jedes Blind Item schwerwiegende Folgen für die Person haben, die im Zentrum des vermeintlichen Geheimnisses steht. Der scheinbar unersättliche Wunsch nach intimen Details über andere wirft die Frage auf, ob dies noch eine harmlose Form der Unterhaltung ist oder zu einer ungesunden Obsession beiträgt, in der öffentlichen Personen das Recht auf ein Privatleben, das diesen Namen verdient, komplett entzogen wird.
Was und wie getratscht wird, wirft ein helles Licht auf die veränderten Bedingungen des Prominenten-Daseins in Zeiten der Sozialen Medien. Dass Beteiligte nach Belieben ihre Begegnungen mit Prominenten heute mit einem großen Publikum teilen können, seien sie gut oder schlecht, wahr oder erfunden, wird in der Community ethisch kaum hinterfragt. Überlegungen hinsichtlich Wahrheit und Fiktion, besonders im Kontext von Namensnennungen und etwaigen Enthüllungen, werfen darüber hinaus grundsätzliche Fragen zu journalistischer Integrität, müssen aber vielmehr die Verantwortlichkeit der Accountbetreiber thematisieren.
Rechtfertigt ein zunehmendes Klatschfieber die möglichen Vorteile der Transparenz gegen das potenzielle Schadensrisiko für den Einzelnen? Eine einfache Antwort darauf gibt es wohl nicht. Unbestreitbar ist die brüchig werdende Grenze zwischen öffentlich und privat. Egal, ob es sich um Promis oder das eigene Leben handelt.