DebatteSind Roboter die besseren Recruiter?
Künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag wird mehr und mehr zur Realität. Auch vor Personalabteilungen macht sie keinen Halt. Begrüßen uns schon bald Roboter zum Vorstellungsgespräch?
Es herrscht Fachkräftemangel in Deutschland. Die Zeiten, als Personaler entspannt im Schreibtischstuhl Däumchen drehen konnten und mit guten Bewerbungen überhäuft wurden, sind vorbei. Recruiter müssen mögliche Mitarbeiter auf sozialen Netzwerken oder Networking-Events aktiv ansprechen. Mehr als 80 Prozent der deutschen Unternehmen setzen auf die aktive Suche nach neuen Mitarbeitern. Und dann: mehrteilige Gesprächsrunden, Tests, Case Studies, Assessment Center. Alles zeit- und kostenintensiv.
Kein Wunder, dass Personalabteilungen immer öfter den Einsatz Künstlicher Intelligenz diskutieren. Besonders logische, repetitive Aufgaben sollen Computer übernehmen. Bei der Bewerberauswahl könnte eine Software den „perfect fit“ ausrechnen.
Suche nach dem perfekten Match
Derzeit gibt es viele Nachteile durch die mühselige Suche nach dem perfekten Match. Zu lang ist oftmals die Wartezeit, bis eine offene Stelle besetzt ist – bei einem Fünftel der Stellen dauert es mehr als zwei Monate. Immens sind die Kosten, die dadurch entstehen: Produktionseinschränkungen und Umsatzausfälle sind die Folge. Bei einer mittleren Stelle mit bis zu 55.000 Euro Jahresbruttogehalt sind es mehr als 9.000 Euro Kosten, die in einer zweimonatigen Suchphase nach neuen Mitarbeitern auftreten.
Künstliche Intelligenz soll Abhilfe schaffen: Indem Roboter-Recruiter nach vordefinierten Kriterien mit Hilfe eines trainierten Algorithmus auf die Suche nach perfekten Kandidaten gehen. In Lebenslaufdatenbanken, sozialen Netzwerken und anderen Sourcing Tools.
Soweit das digitale Ideal. Tatsächlich sind viele Personalabteilungen noch auffällig analog unterwegs – die Digitalisierung hört bei vielen mit der Abgabe der Online-Bewerbung auf. Bei einer Befragung der WirtschaftsWoche gaben nur 12 Prozent der Entscheider in deutschen Unternehmen an, dass ihre HR-Abteilungen ein eigenes Budget für die Digitalisierung haben.
HR 4.0: Künstliche Intelligenz als Entscheidungshilfe
Nicht nur bei der Kandidatensuche soll Künstliche Intelligenz eingesetzt werden können, sondern auch im Interviewprozess. Kompetenzen der Bewerber könnten passend zur zu besetzenden Stelle gemessen und gerankt werden – ganz ohne Hilfe von menschlichen Personalern.
Viele Unternehmen benutzen bereits Chatbots, die mit Bewerbern kommunizieren. Der intelligente Algorithmus der Chatbots lernt mit jeder Unterhaltung Neues dazu und antwortet beim nächsten Gespräch noch passgenauer. Chatbots könnten sogar Bewerber interviewen und eine erste Vorauswahl treffen, bevor im nächsten Schritt ein Recruiter aus Fleisch und Blut wieder das Steuer in die Hand nehmen.
Unfallfrei geht das noch nicht von statten. Das zeigte sich mit Microsofts KI-Chatbot „Tay“. Das Unternehmen testete Anfang 2016 einen Chatbot für die Öffentlichkeit, der aus Internetquellen stetig dazulernen sollte. Laut Medienberichten entartete „Tay“ innerhalb von weniger als 24 Stunden zum rassistischen Zeitgenossen, sodass der Bot wieder offline genommen wurde.
Über Chatbots können Forscher der australischen La Trobe University nur müde lächeln. Mit „Matilda“ haben die Ingenieure einen Roboter entwickelt, der menschliche Emotionen analysieren kann. „Matilda“ arbeitet sich bei Vorstellungsgesprächen durch einen umfassenden Fragenkatalog und kann menschliche Emotionen wie Gesichtsausdrücke und -regungen deuten und darauf reagieren. Laut der Wissenschaftler kann der Roboter-Recruiter so beurteilen, ob ein Bewerber auf eine bestimmte Stelle passt.
Mensch oder Maschine – wer hat das letzte Wort?
Ein komplett digitaler Rekrutierungsprozess scheint dennoch in weiter Ferne, zumindest in Deutschland. Die finale Entscheidung darüber, wer von den Bewerbern eingestellt wird, darf laut Bundesdatenschutzgesetz nicht von einem Algorithmus getroffen werden. Im Gesetz heißt es sinngemäß, dass nur eine natürliche Person über Persönlichkeitsmerkmale werten darf, die zu einer Einstellung oder Ablehnung eines Bewerbers führen, nicht aber eine Software basierend auf Künstlicher Intelligenz. Denkbar ist dennoch, dass sich Personaler in Zukunft bei ihrer Entscheidung mehr und mehr auf die Bewertung ihren digitalen Pendants verlassen werden.
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