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ProDie Droge Macht

Von Steffen Haake / 4. März 2016
picture alliance / Sergey Nivens/Shotshop | Sergey Nivens

„Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut“: Was der liberale englische Historiker Lord Acton vor mehr als 100 Jahren schrieb, gilt heute mehr denn je. Das Erlangen von Macht wirkt auf Menschen persönlichkeitsverändernd. Selbst wenn sie ursprünglich noble Ziele verfolgt haben, kehren sie sich oft zu ihrem eigenen Vorteil von diesen ab, sobald sie an der Macht sind.

Schweizer Forscher haben in einem 2014 veröffentlichten Experiment Versuchsprobanden „Diktator spielen“ lassen. Nach einiger Zeit bereicherte sich fast jeder der Experimentteilnehmer auf Kosten der Bevölkerung. Besonders in der Anonymität korrumpiert Macht auch die Ehrlichen: Je geringer die öffentliche Kontrolle der Mächtigen, desto größer die Gefahr des Machtmissbrauchs.

Macht ist ein beliebtes Stammtischthema. Von der Schwiegermutter bis zum Politiker redet fast jeder von Macht, und noch lieber von Machtmissbrauch. Die Medien sind voll davon: Besonders Wirtschaftslenkern und Politikern wird nachgesagt, dass sie ihre Macht missbrauchen. Doch auch Journalisten, Verleger, Juristen und andere gehen teils verantwortungslos mit ihrer Macht um. Ein Richter im Ruhestand hat mir neulich am Tresen gebeichtet: „Mein ganzes Berufsleben habe ich über andere Menschen gerichtet, ihre Schicksale geprägt. Das verändert einen Menschen immens.“

Psychologen sagen, wer als Richter oder in anderen Machtpositionen negiert, von der Droge Macht angezogen zu werden, sei schon mittendrin in der Abhängigkeit. Wie bei anderen Drogen werden Mächtige abhängig vom Rausch der Macht – das führt zu falschen Entscheidungen. Henry Kissinger, während des Vietnam-Krieges US-Außenminister, gestand einst, Macht sei das stärkste Aphrodisiakum.

Die Grünen und die Macht: Eine machiavellistische Hassliebe

Albrecht Müller, Berater der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt, rechnet in seinem Buch „Machtwahn“ mit der rot-grünen Bundesregierung ab. Er beschreibt darin, wie die Macht besonders Politiker der Grünen verändert habe. Waren die Grünen ursprünglich als „Anti-Parteien-Partei“ angetreten, haben sie es letztlich fast besser als andere Parteien verstanden, ihre Macht zu erhalten.

So war die spätere Grünen-Parteichefin Claudia Roth früher Managerin der Band Ton Steine Scherben, deren Albumname „Keine Macht für Niemand“ Programm war. Übrigens handelte es sich bei dem Album um eine Auftragsarbeit für linke Kreise, die den Titel jedoch letztlich nicht als Parole für sich verwendeten, weil er ja auch keine Macht für sie bedeutet hätte.

Abraham Lincoln sagte einst: „Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“ Das Beispiel des ehemaligen Außenministers Joschka Fischer zeigt einen linken Friedensaktivisten, der sich zum realpolitischen Machttaktiker entwickelt und – neben zweifellos vorhandenen Verdiensten – Deutschland wieder in Kriege geführt hat: vom völkerrechtswidrigen Kosovokrieg bis zum Afghanistankrieg. Der vormalige Atomgegner berät heute als Lobbyist den Energieriesen RWE und betreibt Greenwashing, hängt Unternehmen also ein „grünes Mäntelchen“ um.

Vor 500 Jahren schilderte der Politiker und Theoretiker Niccolò Machiavelli in seinem Hauptwerk „Der Prinz“, wie Macht durch skrupelloses Taktieren zu erhalten sei. Er erklärt Taktiken, mit denen man sich ein Einflusssystem aufbauen kann. Einer seiner Ratschläge: „Zieh viele darüber zurate, was du tun sollst, aber teile nur wenigen mit, was du ausführen wirst.“

Den Fuchs und den Löwen empfand Machiavelli als vorbildlich im Ringen um Macht.

Am Ende wurde der teils skrupellose Machiavelli Opfer anderer skrupelloser Politiker. Nachdem die Familie Medici im italienischen Florenz wieder an die Macht gekommen war, folterte sie Machiavelli, da sie glaubte, er sei in eine Verschwörung verwickelt. Nur durch Glück kam er frei und schrieb Bücher im Exil.

Macht begrenzen und Politik verjüngen

Was ist die Konsequenz aus mehr als 500 Jahren korrumpierender Macht? Es muss die strikte Begrenzung ebendieser sein.

Unser demokratisches System der Gewaltenteilung, Opposition und freien Presse ist ein wichtiger Ansatz. Doch das reicht nicht. Die Politik muss verjüngt werden. Politiker dürfen sich nicht zu sehr an Macht gewöhnen und sollten sie nach einer Weile wieder abgeben – freiwillig.

Wir brauchen viel mehr junge Menschen in den Parlamenten, die das Ziel verfolgen, Macht nicht als Zweck, sondern Gestaltungsmacht als Mittel für Veränderungen zu erringen. Die jungen Politiker sollten sich nicht in alte Machtkämpfe verstricken, sondern Inhalte diskutieren.

Nach einigen Jahren in Verantwortung sollten sie sich wieder aus der Politik verabschieden, allerdings nicht, um in die Wirtschaftslobby zu wechseln, die sie in vorauseilendem Gehorsam zuvor begünstigt haben.

 

Lies weiter bei…

Debatte | Was ist Macht?

Contra | Mächtig, aber nicht korrupt



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