ContraEnteignung löst das Problem nicht
Um die Mieten bezahlbar zu machen, fordern Mieterbündnisse die Enteignung von privaten Wohnungsbaugesellschaften. An den grundlegenden Problemen ändert das nichts.
55 Quadratmeter – so groß ist meine Zweiraumwohnung im Neuköllner Norden. Gemeinsam mit meiner Freundin und meinem dreijährigen Sohn leben wir in einem Berliner Altbau auf engstem Raum. Spielsachen fliegen durch die Wohnung – kaum aufgeräumt, herrscht schon wieder Chaos, weil einfach zu wenig Platz ist. Ein eigenes Zimmer wäre für den Kleinen längst überfällig. Es muss nicht groß sein, 10 Quadratmeter würden schon reichen, damit er in Ruhe spielen und Freunde einladen kann. Doch dieser bescheidene Wunsch nach einer etwas größeren, aber bezahlbaren Wohnung gleicht in Zeiten des Berliner Mietenwahnsinns einer utopischen Forderung. 1.500 bis 2.000 Euro für eine Dreizimmerwohnung? Das ist einfach nicht drin – auch nicht am Stadtrand. Die ausweglose Lage auf dem Wohnungsmarkt macht mich fassungslos, wütend und besorgt um die Zukunft meiner Familie. Trotzdem halte ich nichts von populistischen Forderungen nach der Enteignung privatwirtschaftlicher Wohnungsbauunternehmen. Die Vorstellung, dass Enteignungen oder andere drastische staatliche Eingriffe die Probleme lösen könnten, ist eine Illusion.
Ich lebe seit 15 Jahren in Berlin. Ich habe gesehen, welche Folgen der gut gemeinte, aber wenig durchdachte Mietendeckel auf den Wohnungsmarkt hatte. Hunderte Menschen drängten sich bei den wenigen Besichtigungsterminen, selbst Gutverdiener suchten monatelang erfolglos nach einer Wohnung – von Studenten und Azubis ganz zu schweigen. Ich habe Menschen getroffen, die sich auf Hunderte von Wohnungen beworben haben, ohne jemals eine Einladung zur Besichtigung zu erhalten. Diese Erfahrungen sind nicht nur subjektive Eindrücke, sondern lassen sich auch wissenschaftlich belegen. Laut einer Studie des ifo Instituts führte der Mietendeckel zu einem drastischen Rückgang des Mietwohnungsangebots, während die Nachfrage unverändert hoch blieb. Gleichzeitig verlangsamte sich der Neubau von Mietwohnungen in Berlin im Vergleich zu anderen Städten deutlich. Ich befürchte, dass die immer wieder aufgebrachte Forderung nach Enteignungen eine ähnliche Fehlentwicklung nach sich ziehen könnte.
Hohe Kosten, wenig Wirkung
Befürworter der Vergesellschaftung argumentieren, dass dadurch Wohnraum dem profitorientierten Markt entzogen und langfristig günstige Mieten gesichert würden. Doch dieser Ansatz ignoriert die wirtschaftliche Realität. Allein in Berlin würden Entschädigungen für große Wohnungsunternehmen Schätzungen zufolge bis zu 39 Milliarden Euro kosten. Geld, das dringend an anderer Stelle benötigt wird etwa für den Neubau von Wohnungen.
Denn was nützt es, bestehende Wohnungen nur in neue Hände zu überführen? Die Gesamtanzahl der Wohnungen bleibt gleich, das eigentliche Problem – der Wohnungsmangel – bleibt bestehen. Statt Milliarden für Enteignungen auszugeben, sollten diese Mittel besser in den Bau neuer Wohnungen und die Förderung gemeinwohlorientierter Projekte fließen. Nur ein größeres Angebot an Wohnraum kann den Preisdruck langfristig senken.
Unsicherheit und Investitionsrisiken
Die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen wäre ein hochkomplexer, jahrelanger Prozess. Gerichtliche Auseinandersetzungen über die Höhe der Entschädigungen und die Verfassungskonformität würden sich über Jahre hinziehen. Währenddessen bliebe der Wohnungsmarkt in einem Schwebezustand – private Investoren würden abwarten und der Staat müsste immense Summen aufbringen, ohne dass kurzfristig neuer Wohnraum entsteht. Diese Unsicherheit könnte den Markt weiter destabilisieren, anstatt ihn zu beruhigen.
Fehlende Anreize für den Wohnungsbau
Die rechtlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten führen dazu, dass private Investoren abgeschreckt werden. Sie spielen eine zentrale Rolle beim Neubau und der Entwicklung von Wohnraum.
Das Ergebnis wäre fatal: Der dringend benötigte Neubau würde stagnieren, weil Unternehmen sich aus Angst vor staatlichen Eingriffen zurückhalten. Weniger Neubauten bedeuten wiederum, dass das Problem der Wohnungsnot bestehen bleibt und sich langfristig sogar verschärft.
Staat als schlechter Vermieter?
Ein weiteres Problem ist die Verwaltung. Befürworter behaupten, dass der Staat als Vermieter gerechter agieren würde als private Unternehmen. Doch die Realität sieht anders aus: Viele kommunale Wohnungsunternehmen kämpfen mit Ineffizienz und Sanierungsrückständen. In Großstädten stehen teils Hunderte staatlich verwaltete Wohnungen leer, weil Sanierungen verschleppt oder Verwaltungsprozesse zu langsam sind.
Warum sollte eine staatliche Verwaltung plötzlich effizienter arbeiten, nur weil private Eigentümer enteignet wurden? Anstatt Marktmechanismen auszuhebeln, sollten bestehende Probleme in der Verwaltung gelöst werden.
Es gibt bessere Lösungen
Statt auf Enteignungen zu setzen, sollte der Staat das Bauen wieder attraktiver machen. Auch die Bürokratie muss verschlankt werden – Genehmigungsverfahren dauern oft Jahre, dabei brauchen wir Wohnraum jetzt und nicht erst in einem Jahrzehnt.
Genossenschaften und gemeinwohlorientierte Projekte sollten mehr Unterstützung bekommen, denn sie bieten langfristig stabile Mieten und sorgen dafür, dass Wohnraum nicht zum reinen Spekulationsobjekt wird. Gleichzeitig muss gegen spekulativen Leerstand und überzogene Mieten konsequenter vorgegangen werden, damit sich der Markt wieder in eine faire Richtung entwickelt.
Doch auch all das wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Wohnungsfrage grundlegend zu lösen. Das Problem ist mittlerweile so gewaltig, dass neue, mutige Konzepte gefragt sind. Warum also nicht an die Erfolge der 1950er Jahre anknüpfen und ein staatlich gefördertes Mietwohnungsbauprogramm auf den Weg bringen?