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ContraSpenden sollen freiwillig sein

Von Madlen Schäfer / 31. Januar 2019
picture-alliance/ ZB | Jan-Peter Kasper

Damit mehr Menschen ein Spenderorgan bekommen können, sollen alle Bürger zu möglichen Spendern erklärt werden – es sei denn, sie widersprechen. Das kommt einer Zwangsabgabe gleich.

Ungefähr 10.000 Menschen warten in Deutschland auf ein geeignetes Spenderorgan, alle acht Stunden stirbt einer von ihnen, weil kein passendes Organ transplantiert werden konnte. Deshalb will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die bisher geltende Regelung, dass Bürger ihre Bereitschaft zur Organspende explizit erklären müssen, abschaffen. Stattdessen soll jeder prinzipiell als Organspender in Frage kommen, wenn er oder sie dem zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat und den Widerspruch belegen kann.

Zum Geber gemacht

Aber dürfen Menschen und ihre Organe mit dem Tod zu einer Art Allgemeingut für die Gesellschaft werden? Muss nicht jeder Mensch das Recht haben, selbst darüber zu bestimmen, was mit ihm nach seinem Tod passiert? Müssen Menschen nicht die Wahl haben und vor einer solch essentiellen Bevormundung geschützt werden? Diese Entscheidungsfreiheit darf ihnen nicht per se vom Staat abgenommen und nur bei entsprechendem Widerruf gewährt werden!

Allein das Wort „Spende“ impliziert Freiwilligkeit und keinen Zwang. Nicht ohne Grund ist das Recht auf Selbstbestimmung im Grundgesetz, Artikel 1 Absatz 1, geschützt. Wie ist es sonst zudem den Angehörigen zu erklären, dass ein von ihnen geliebter Mensch zu Lebzeiten einer Organentnahme keine Zustimmung erteilte, ihm aber dennoch Organe entnommen werden sollen?

Generell dürfen Organe nur explantiert werden, wenn der Hirntod des Spenders eindeutig festgestellt wurde. Das Problem: Zwar ist dieser damit in einen unumkehrbaren Sterbeprozess getreten, aber es ist durchaus strittig, ob dieser Mensch tatsächlich bereits als tot gelten kann, auch wenn die Gesamtfunktion des Gehirns nicht wiederherstellbar ist. 

„Unter anthropologischen Gesichtspunkten ist es nicht offenkundig, dass der Hirntod mit dem Tod gleichzusetzen ist“, erklärte zum Beispiel Professor Dieter Birnbacher auf der Arbeitstagung Neurologische Intensivmedizin (ANIM). Das Hirntodkriterium ist umstritten, weil wichtige Körperfunktionen – wenn auch nicht das Herzkreislaufsystem – weiterhin arbeitsfähig sind.

Für den Organspendeablauf ist es aber von enormer Bedeutung: Da bei einem festgestellten Hirntod gesunde Organe weiter künstlich durchblutet werden können, eignen sich diese besonders gut für eine Transplantation. Und obwohl eine Rückkehr ins Leben bei einem Hirntoten als ausgeschlossen gilt, gibt es solche Fälle. Menschen, die für tot erklärt wurden und die dennoch wieder aufwachten, wie der 13-jährige Trenton McKinley, dessen Eltern bereits einer Organentnahme zugestimmt hatten. Der Junge kehrte ins Leben zurück. Natürlich kommt ein solches Ereignis einem unglaublichen Wunder gleich, aber es gibt diese unwahrscheinlichen Begebenheiten. Zumal in der Medizin.

Mehr Transplantationen durch bessere Schulungen

Das Problem liegt auch nicht in der zu geringen Zahl potentieller Spender, es fehlt schlicht an vorhandenem und geschultem Personal. In Deutschland kamen vor einem Jahr auf eine Million Menschen lediglich 9,3 offiziell hirntote Organspender. Damit gehört Deutschland zu den Schlusslichtern in Europa. Dabei stehen laut einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 84 Prozent der Deutschen der Organspende grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber.

Der Grund für die Diskrepanz von benötigten Spenderorganen einerseits und willigen Spendern andererseits ist an einer anderen Stelle zu finden: in den Krankenhäusern selbst. Das belegt eine Studie der Universität Kiel. Demnach liegt es an einer falschen Organisation, dass zu wenige geeignete Organe tatsächlich transplantiert werden; Kliniken würden im stressigen Krankenhausalltag zu selten die zuständige Deutsche Stiftung Transplantation (DSO) kontaktieren. Mit mehr Pflegekräften und mit mehr speziell geschultem Personal in den Kliniken könnten geeignete Spender rechtzeitig ermittelt und gemeldet werden. Mehr Menschen erhielten das lebensrettende Organ. Ganz ohne neue gesetzliche Regelungen.

Aufklärung statt Zwang

Das Thema Organspende sollte einfach noch weiter in das Bewusstsein der Menschen gelangen. Zwar ist vielen die Thematik bekannt, aber intensiv mit dem Vorgang der Organtransplantation, die sie selbst auf die eine oder andere Art und Weise betreffen könnte, haben sie sich nicht beschäftigt. Genau das aber wäre nötig, um final bei sich selbst oder einem Angehörigen womöglich eine entsprechende Entscheidung zu treffen.

Mit einer verbindlichen Abfrage ab einem bestimmten Alter oder etwa bei der Beantragung bestimmter Dokumente wäre dies möglich. So würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Menschen würden über ihre Möglichkeiten aufgeklärt werden und träfen eine lebenswichtige Entscheidung – völlig selbstbestimmt und ohne die Pflicht zu widersprechen.



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