ContraNachwuchstalente finden und fördern
Das neue Trainingskonzept des DFB ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Wettkampf soll künftig keine Rolle mehr spielen. Welche Konsequenzen damit einhergehen, wird übersehen.
„Fußball für alle“ soll es wohl künftig von den Rängen schallen, wenn es nach dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) geht. Man will Erwachsenenfußball auf Weltniveau und hofft, diesen künftig durch ein neuartiges, lapidares Regelsystem in der Nachwuchsförderung zu erreichen.
Konkret geht es dem DFB um die Abschaffung der Ergebniswertung bei den Fünf- bis Elfjährigen in der G- und F-Jugend. Spielenachmittage statt Meisterschaftsrunden. Die Junioren-Bundesliga in der U17 und U19 wird ersetzt durch eine DFB-Nachwuchsliga, in der die Leistungszentren verankert sind. Ziel ist also vor allem eine Neuausrichtung der Ligen.
Keine Frage, es ist löblich, sich für mehr Vielfalt und gleichberechtigte Teilhabe auszusprechen. Im Sport zählen Selbsterfahrung und Teamgeist und der entsteht am besten durch ein Zugehörigkeitsgefühl. Vergessen wird, dass sich dieses Gefühl nicht automatisch einstellt, nur weil jeder alles darf. Es muss sich ebenso entwickeln, wie sportliche Fähigkeiten selbst.
„Ohne Ergebnis kein Erlebnis“
Dieter „Didi“ Hamann, ehemaliger Fußballspieler und -trainer, ist einer der ersten Kritiker des Vorhabens. Der 49-Jährige hält die neue Ausrichtung für bedenklich, sagte öffentlich: „Für mich gilt: Ohne Ergebnis kein Erlebnis. Deswegen kann ich den Schritt, den der DFB gemacht hat, überhaupt nicht nachvollziehen“.
Was bringt es, Wettkampf pauschal zu verdammen? Wettbewerb, das ist auch Spannung, Spiel und Selbsteinschätzung. Wer Einsatz zeigt, trainiert, der soll dafür natürlich mit Lob, Positionswechsel und Pokal belohnt werden, so die nachvollziehbare Überzeugung der Gegner der DGB-Initiative.
Nur wer die negativen Konsequenzen im Blick behält, wird sich bemühen, Fehler zu vermeiden. Wenn sie doch passieren und Scheitern die Folge ist, gehört diese Erfahrung zur „Charakterschulung“, wie Hamann es nennt. Verlieren lernen gehört zu einer ganzheitlichen Entwicklung dazu. Konkurrenz und Druck aushalten auch.
Erschwerte Umstellung
Der Leistungsgedanke ist tief in der Gesellschaft verankert. Manche Landsleute, nein, zu viele verstehen keinen Spaß, wenn es um Leistung geht. Dass das auf Dauer falsch ist, sollte common sense sein. Und doch: Nur weil sich messen (lassen) Teil des Leistungsgedanken ist, darf letzterer nicht verteufelt werden.
Man will es Kindern erleichtern, die Freude am Spiel zu behalten und gleichzeitig weiterhin herausragende SportlerInnen züchten, die im anspruchsvollen Erwachsenensport bestehen. Der dadurch erschwerte Sprung aus dem einen System ins andere – gleichbleibende –, kommt in der Debatte kaum zur Sprache.
Anstatt junge SportlerInnen anzuleiten, wie man sich Herausforderungen stellt und mit der Zeit lernt, sie zu meistern, wünscht man sich beim DFB also Naturtalente, die zu glücklichen Profis heranwachsen. Bereits 2019 wurde mit dem „Projekt Zukunft“ entschieden, den Druck auf die einzelnen SpielerInnen zu senken. Beibehalten wurde, dass die Nachwuchsleistungszentren der Vereine auch in Zukunft die Talente ausbilden sollten. Denn der DFB verfolgt das Ziel, mit deutschem Fußball international zu glänzen. Um nichts Anderes geht es am Ende.
Im Dauer-Spielbetrieb
Jetzt also das neue Update. „Anstrengung muss sich lohnen“, „fördern durch fordern“… auf ein plakatives Motto folgt in der Regel gleich das nächste, nur um schließlich aus der Zeit zu fallen. Einzig darüber reden, welchen Stellenwert Leistung noch hat oder wie viel Druck eine gelungene Ausbildung beziehungsweise Talentförderung verträgt, lohnt sich nicht. Aussparen lässt der Punkt sich trotzdem nicht.
Die Null-Bock-Haltung sogenannter Leistungsverweigerer etwa braucht niemand, auch keine fröhlichen Freundschafts- und Festivalspiele. Doch die gibt es. Unlust und Unfähigkeit sind ihr gutes Recht. Bloß wird ihnen ihre nicht vorhandene Begabung als Mangel an Ehrgeiz, nicht als Talentmangel ausgelegt. Also dürfen sie sich durch den neuerlichen, weil inklusiven Spielbetrieb quälen. Das macht auch sie zu Hauptleidtragenden.
Denn hinter jedem Kind steckt letztlich ein mehr oder weniger engagiertes Elternteil, das durchaus Interesse daran hat, mit den Erfolgen des Nachwuches zu brillieren. Der elterliche Eifer führt Sportagebuch. Vielmehr hierauf müsste der DFB Einfluss und so Druck von den Kindern nehmen.
Aussicht auf Erfolg gehört zum Sport
Kaum zur Sprache kommt indes eine andere Seite. Was ist denn mit der Trainerausbildung: Wo bleibt hier die Revolution? Man sieht in den U-Mannschaften, den U-Nationalmannschaften, den Auswahlmannschaften, dass da die Qualität auf der Trainerseite gelitten hat. Wie gelingt hier eine neue Ausrichtung in der Talentförderung? Was darf man fordern?
Wem harmloses Bolzen reicht, kann auf ausgewählte Sportereignisse im Kinderfußball wie Meisterschaftsrunden verzichten. Alle anderen sollen Möglichkeiten haben, in Einzel- und Gruppentrainings einen Schritt weiterzugehen. Ein sportliches Leitbild im Fußball braucht den jugendlichen Ansporn, die Aussicht auf Erfolg, wie in anderen Sportarten auch.