Schafft endlich die Schulnoten ab!
Es sind die Zahlen von eins bis sechs, die Generationen bewegen. Sie werden von Eltern und Großeltern in Anekdoten verpackt, mit Witz und Übertreibung verziert, um zu zeigen: Wie die Kinder jetzt, haben die Älteren in der Schule auch um ihre Noten gekämpft – mal mit Erfolg, mal ohne, mal mit Tricks und mal ehrlich. […]
Es sind die Zahlen von eins bis sechs, die Generationen bewegen. Sie werden von Eltern und Großeltern in Anekdoten verpackt, mit Witz und Übertreibung verziert, um zu zeigen: Wie die Kinder jetzt, haben die Älteren in der Schule auch um ihre Noten gekämpft – mal mit Erfolg, mal ohne, mal mit Tricks und mal ehrlich.
Vermutlich ist das der Grund, weswegen es so schwer fällt, sich eine Schule ohne Noten vorzustellen. Die meisten kennen Schule nur so. Noten scheinen daher wie ein Bindeglied der Generationen zu sein, schließlich haben Großeltern, Eltern und deren Kinder ihre Leistungen in dieses Sechserschema pressen lassen. Und geschadet hat es doch keinem, oder?
Lässt man bei all den Anekdötchen der älteren Generation einmal den einstudierten Witz beiseite, und denkt an den Moment zurück, in dem jemand von einer schlechten Note erfährt, so kann man schon von Schaden sprechen oder zumindest von einem Knacks. Denn mit einer schlechten Zensur leidet das Selbstwertgefühl. Das war damals nicht anders als heute. Jugendliche sind noch nicht an dem Punkt, wo sie eine Ausbildung absolviert haben oder ein Studium oder Jahre im Beruf stehen, um zu sehen, zu was sie alles fähig sind. Sie können ihre schlechten Noten nicht mit Distanz betrachten. Sie sind ein Maßstab in einer Phase, in der sie versuchen herauszufinden, wo ihre Stärken und wo ihre Schwächen liegen. Was also sagt es über einen Schüler aus, der eine 4, 5 oder 6 erhält?
Ausreichend, mangelhaft, ungenügend beschreibt das Bürokratendeutsch diese Leistungen. Übersetzt in ein Gefühl eines Jugendlichen bedeutet es, schlecht zu sein. Im schlimmsten Fall pflanzt sich in dessen Kopf der Gedanke, für dumm gehalten zu werden.
Überraschend sind diese Gefühle nicht. Es wird viel dafür getan, dass Jugendliche so denken und Noten als wichtigen objektiven Maßstab verstehen. Schließlich bewerten wir unsere Welt danach. Wir entscheiden anhand von Noten, wer auf welche Schule kommt, wer welche Ausbildung oder einen Studienplatz erhält. Somit brauchen wir uns nicht zu wundern, dass Schüler Noten einen derartigen Stellenwert einräumen.
Nicht nur das Selbstwertgefühl von jungen Menschen kann durch schlechte Noten einen Knacks bekommen. Die Lehrerin Sabine Czerny, die in Bayern versetzt wurde, weil ihre Schüler zu gute Noten bekamen, macht in ihrem Buch sehr deutlich, wozu Noten beim Lernen führen: Kinder hören auf, Fragen zu stellen. Sie beschreibt, wie ihre Erstklässler nach Tests zu ihr kommen, um zu verstehen, was genau sie falsch gemacht haben. Nach der Noteneinführung hört das auf.
Wissen um des Wissens willen oder um der Noten willen – um was es heute geht, ist nicht immer eindeutig.
Inzwischen gibt es in Deutschland einige wenige Schulen, die den Schritt gewagt haben, keine Noten zu geben. Dazu gehört die Georg-Christoph-Lichtenberg-Oberschule in Göttingen. Dort gibt es zumindest bis zur 8. Klasse keine Schulnoten. Zu den Zeugnisterminen erhalten die Schüler sogenannte Lernentwicklungsberichte, in denen die Schwächen und Stärken jedes einzelnen beschrieben werden. Diese Form der Schule muss sich immer wieder dem Vorwurf der Kuschelpädagogik stellen, dabei sprechen die Zahlen dafür, dass auch so erfolgreich gelernt wird – wenn nicht gar erfolgreicher.
Im Jahr 2010 kam von der Göttinger Schule die beste Abiturientin Niedersachsens. Und um noch eine Zahl zu nennen: Von den 114 Abiturienten im gleichen Jahr hatten nur 89 von der Grundschule eine gymnasiale Empfehlung auf Grundlage ihrer Noten in der vierten Klasse erhalten.
Einer Schule ohne Noten gelingt damit, was andere Schulen nicht erreichen: Durch ein Klima, in dem Fehler erlaubt sind und nicht mit schlechten Noten abgestraft werden, wachsen die Jugendlichen über sich hinaus.
Wen das immer noch nicht überzeugt und das alles zu „kuschelige“ Argumente sind, der kann zahlreiche Studien lesen, die Noten generell ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Um nur eine zu nennen: Die Vodafone Stiftung hat im vergangenen Jahr in einer Untersuchung gezeigt, dass Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern bei gleicher Leistung wie Kinder aus sozial bevorzugten Elternhäuser schlechtere Noten erhalten. Hinzu kommt: Im Durchschnitt erhalten Mädchen bessere Zensuren als Jungen.
Es wird also Zeit, diesen subjektiven Maßstab aus den Schulen zu verbannen und die Leistungen von Kindern und Jugendlichen nicht in ein sechser Korsett zu zwängen. Dafür müssen wir uns von unseren eigenen Schulvorstellungen lösen und die Anekdoten ernsthaft hinterfragen. Nur so können wir verstehen: Noten sind ein Relikt und gehören abgeschafft.
In Berlin gibt es in der Grundschule in den ersten Jahren die Möglichkeit für die Elternversammlung der Klassen, für oder gegen Noten zu stimmen. Wir sind dabei fast immer unterlegen. Die Eltern wollten mehrheitlich die Noten, die Lehrer fanden Noten meist auch ganz toll. „Das Kind muss wissen, wo es steht“ war ein häufiger Satz bezogen auf 6-jährige).
Warum wird die Notengebung an den Schulen gegen alle Erkenntnis verteidigt? Zum einen sitzen Lehrer, Eltern, Schüler und Arbeitgeber dem fatalen Irrtum auf, Noten seien ein valider Vergleichsmaßstab der Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern – eine Annahme, die nicht einmal innerhalb einer Schulklasse, schon gar nicht aber über Klassen-, Schul- und Schulart- oder gar Bundeslandgrenzen zutrifft. Zum andern glauben viele Lehrer, Eltern und sogar Schüler, nur durch Notendruck könnten Schüler zum Lernen motiviert werden. Diese Haltung stellt eine Bankrotterklärung der Schulpädagogik dar.
Seit Jahren meine Forderung: Weg mit dem Mist!
Wer sich weiter mit dem Thema beschäftigen will
„Sind Noten nützlich und nötig?“. Eine Expertise für den Grundschulverband.
Quelle
http://www.grundschulverband.de/veroeffentlichungen/extras/?tt_products%5Bproduct%5D=124&cHash=1493e044e8741d1bcd77278cfab3475e
noten sind eine subtile form von rassismus
das noten nichts taugen, weil sie nichts aussagen, haben sicher alle schon erfahren, die mal junge leute eingestellt haben. da steht irgendwo eine zwei in deutsch und der mensch kann keinen satz fehlerfrei schreiben. da hat jemand auf dem zeugnis eine vier in mathe, aber wenn er interesse an seiner arbeit hat, kann der schneller kopfrechnen, als ich in den taschenrechner eintippen kann.
das problem ist, dass es nur marginal was nützt die noten abzuschaffen, weil es das prinzip von lob und tadel nicht aushebelt und es werden teilweise dann eben bienchen, oder smileys verteilt…
fortsetzung:
es braucht also ein schule, bzw. lehrer_innen, die in der lage sind differenziert mit den kindern und jugendlichen zu arbeiten. solange die lehrer_innen aber das nicht drauf haben gehört die schule abgeschafft!
Noten sind keine objektive Leistungsdarstellung,sondern sie beziehen sich auf die Gruppe, die in Gewinner und Verlierer eingeteilt werden soll. Wenn alle Schüler eine Eins bekommen,waren weder die Schüler noch die Lehrer oder der Unterricht gut,sondern die Klassenarbeit war zu einfach… Verlierer werden produziert! Jegliche Förderungsmaßnahmen innerhalb des Bildungssystems können somit allenfalls erreichen, dass auf einem „höheren“ akademischen Niveau aussortiert wird. Lesenswert dazu finde ich http://www.notenfrei.de/. Mit dem dort vorgeschlagenen System wäre auch informelles Lernen zertifizierbar.
Wer sich die Argumente für und wider der Ziffernnotengebung näher betrachtet – und die Erfolge der wenigen Schulen, die es bereits durchführen kennt, kann sich nicht mehr dafür aussprechen!
Auch dafür setzen wir uns ein: http://www.guteschule.eu
Ziffernnoten schaffen Verlierer und sind demotivierend!
Zensuren haben viele Schwächen. Und dessen sind sich auch Eltern und LehrerInnen sicher bewusst. Entscheidend ist aber nicht die Schwächen und Probleme aufzuzeigen (die jedes System hat), sondern eine überzeugende Alternative zu entwickeln, die die Aufgaben der Zensuren übernimmt. Zensuren sind ja nicht zum lernen da, sondern zur Selektion: beim Berufseinstieg, bei der Promotion, beim Studienfach, beim Ausbildungsplatz, beim Schulabschluss und oft auch schon bei der Schulwahl. Eine Alternative muss nicht nur gleich gutes Lernen gewährleisten, dafür sind die Zensuren eigentlich nicht da, sondern gleichgute Selektion. Denn spätestens an der Universität und beim Ausbildungsplatz müssen tausende junger Menschen selektiert werden. Man kann den Einstieg ins unfaire und unobjektive Zensieren natürlich nach hinten hinauszögern, aber reicht das wirklich aus?