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Surfen, um zu leben

Von Judith Dauwalter / 18. Juli 2018
picture alliance/EPA-EFE | NIC BOTHMA

Surfen wird 2020 in Tokio erstmals olympische Disziplin sein. Eine Gelegenheit, den Sport zu professionalisieren. Und damit auch eine Chance für das südasiatische Sri Lanka: Die über 1.300 Kilometer lange Küstenlinie wird seit Ende des Bürgerkriegs 2009 fleißig genutzt. Davon sollen nun sowohl Touristen als auch Einheimische profitieren.

Foto: Judith Dauwalter

Weißer Sandstrand, strahlender Sonnenschein, mannshohe Wellen. Über 100 Menschen schauen gebannt aufs Meer. Touristen, die im Strandrestaurant die Milch aus frisch geernteten Kokosnüssen schlürfen. Einheimische, die sich ein paar Meter weiter im Schatten zusammengesetzt haben und emsig fachsimpeln. Dazwischen, auf einer erhöhten Betonterrasse mit bestem Blick aufs Wasser, fünf „Richter“ an einem länglichen Tisch. Sie sind bewaffnet mit Stift, Papier und Regelbuch – „judge“ steht in schwarzer Schrift auf dem Rücken ihrer weißen T-Shirts.

Schauplatz dieses zweitägigen Spektakels Ende Januar ist Hikkaduwa, etwa 100 Kilometer südlich der sri-lankischen Hauptstadt Colombo gelegen. 56 junge Sportler aus dem ganzen Land sind hierher zu den ersten nationalen Surfmeisterschaften zusammengekommen. Auf den Wettbewerb in Hikkaduwa sollen zwei weitere folgen – am Ende wird der Landesmeister gekürt. Die besten Sportler sollen außerdem zur Nationalmannschaft geformt werden, die Sri Lanka erstmals bei internationalen Wettbewerben vertreten könnte: bei den World Surfing Games in Japan im September, den San Diego Beach Games im kommenden Jahr und vielleicht ja sogar 2020 bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Meilenstein für Touristen und Einheimische

„Wir bilden die Surfer auch anhand internationaler Standards in Sachen Technik, Bewertungskriterien und Sicherheit weiter“, erzählt Hiran Ukwatte, Präsident der Surfing Federation of Sri Lanka (SFSL). Die SFSL hat sich mit dem Ziel gegründet, als erste landesweite Organisation, geeignete Talente zu qualifizieren und zu fördern, und organisiert deshalb auch die laufenden Meisterschaften. „Wir wollen alle an einen Tisch bringen. Das ist ein Meilenstein für den Tourismus, aber auch für das ganze Land“, betont Ukwatte. Einen ersten Erfolg für seine Mühen kann er bereits verzeichnen: Vor wenigen Monaten hat der Weltverband, die International Surfing Association (ISA), die SFSL offiziell als Mitglied anerkannt.

Foto: Judith Dauwalter

Stolz und Respekt angesichts einer aufregenden sportlichen Zukunft für Sri Lanka sind dem SFSL-Präsidenten an diesen Wettbewerbstagen anzumerken. Geschäftig und in alle Richtungen lächelnd bewegt er sich an diesem Tag zwischen den Zuschauergruppen hindurch, verteilt kostenlosen Joghurt, bleibt zwischendurch stehen und klopft seinen Helfern anerkennend auf die Schulterm. Dann klingelt sein Handy und Ukwatte klärt ein paar organisatorische Fragen, bevor er den Surfern, die gleich antreten, viel Erfolg wünscht. Obwohl sich die Menschen am Strand eng drängen, ist Ukwatte kaum zu übersehen. Sein gelbes, langärmeliges Shirt trägt die Aufschrift „lifeguard“, um die rote Badehose hat er eine Tasche gebunden, in der sich tatsächlich Rettungsausrüstung befindet: Er steht auch der nationalen Lebensrettungs-Gesellschaft vor.

Schwimmen statt ertrinken

Wellenreiten ist hier nicht nur als Zeitvertreib gedacht. Die Förderung des Sports könnte dabei helfen, ein großes landesweites Problem anzugehen: Durchschnittlich 900 Menschen ertrinken jährlich im Meer, so ein Bericht aus dem Jahr 2014. Zu viele – in Relation zu den circa 20 Millionen Einwohnern und in Anbetracht der geographischen Lage der Inselnation.

In Sri Lanka können längst nicht alle Kinder schwimmen

Auch deshalb ist die ISA seit knapp zwei Jahren auf Sri Lanka tätig und veranstaltet Lehrgänge wie die Surf Safety Days. In dieser Zeit üben hochqualifizierte Ausbilder aus aller Welt mit den einheimischen Surflehrern und Sportlern Rettungsgriffe, Erste Hilfe an Puppen sowie standardisierte Handzeichen in Notsituationen. Auf diese Weise für Sicherheit und Rettungsmaßnahmen im Wasser sensibilisiert, sollen die Surfer dann nicht nur ihre touristischen Schüler begleiten, sondern ihr Wissen auch ihren Landsleuten vermitteln.

Surfen ist mein Leben“

Foto: Judith Dauwalter

Von den 56 einheimischen Surfern aus der Gruppenphase sind am Nachmittag des zweiten Wettbewerbstages in Hikkaduwa noch vier Sportler übrig geblieben. Damit sie in einiger Entfernung auf dem Wasser unterscheidbar sind, tragen sie T-Shirts in unterschiedlichen Farben. Auf kontrastreiches Schwarz, Orange, aber auch Blau und Weiß ist die Wahl gefallen. Die Gestalten scheinen auf ihren kurzen Brettern leicht über dem Wasser zu schweben. Die Augen der Jury sind fest auf sie gerichtet. Auch ausgeschiedene Surfer bestaunen die Manöver: Elegantes Gleiten, Wenden, sogar gewagte Sprünge sind zu sehen.

Beobachtet man den 19-jährigen Lakshita, Finalist im orangefarbenen Shirt und von allen kurz „Lucky“ genannt, auf dem Brett, kommt man aus dem Staunen kaum heraus. „Surfen ist mein Leben“, bringt er seine Liebe für den Wassersport auf den Punkt. Aufgewachsen ist Lucky gut 50 Kilometer entfernt von Hikkaduwa, in der Surferhochburg Weligama, wo er heute schon eine kleine Surfschule leitet.

Dass sein Sport zunehmend mehr Touristen anlockt, freut ihn: „Das ist gut für uns Einheimische, es schafft Arbeitsplätze und die Möglichkeit zur Selbstständigkeit“. Dann geht er mit einem breiten Grinsen im Gesicht, das von kinnlangen schwarzen Locken eingerahmt wird, in Richtung Podium, wo er an diesem Tag in Hikkaduwa für den dritten Platz ausgezeichnet wird. Nur einen Monat später bei der zweiten Runde der Meisterschaften wird es sogar Platz eins sein, was ihn seinem Ziel, Mitglied des Nationalteams zu werden, noch näher bringt. Ein ziemlicher Glückspilz eben.

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