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„Warhammer“ – Ein Spiel und seine Chaosgötter

Von Aloys Osewold / 13. April 2022
picture alliance / REUTERS | May James

Gibt es gute Seiten am Chaos? Die Fantasy-Settings eines legendären Spiels sind düster, aber ihre Spieler wollen es nicht sein.

„Ich kann deine Angst fühlen Mensch.
Sie ist spürbar gegenwärtig.
Ich kann mit den Fingern darüberstreichen
und ihr krankes Aroma schmecken.
Ist dieses Entsetzen Nährboden für Hass,
dann lass mich daran laben
und dich dabei völlig auslöschen.“

(Dämon des Slaanesh zu seinem Opfer)

Der britische Spielehersteller Games Workshop hat sich an ein jahrhundertealtes Spiel mit Zinnsoldaten für Kinder und Erwachsene erinnert und 1979 eine eigene Version dieses Spiels herausgebracht. Die Figuren waren zwar auch aus einem Zinngemisch, aber anstelle des traditionellen geschichtlichen Bezuges orientierte man sich an dem beliebten Genre des heroischen Fantasy. Eine Welt, in der nicht nur Menschen, sondern auch verschiedene Spezies wie Zwerge und Elfen um die Vorherrschaft kämpfen.

„Warhammer“ nannte sich diese neuartige Dimension. Seit der ersten Edition der Science-Fiction-Version „Warhammer 40.000“ 1987 erreicht das „Warhammer-Universum“, das ohne Spielbrett auskommt („Tabletop“), eine angesichts erfolgreicher Verkaufszahlen immer größer werdende Spielerbasis, die sich bis heute bei internationalen, analogen Turnieren trifft. Mit der Zeit kamen mehrere Tabletop-Systeme, Brettspiele und sogar Romanserien hinzu, wodurch das Spielsystem umfangreicher und komplexer wurde. Eine Konstante aber blieb: das Chaos.

Absoluter Gehorsam in einer chaotischen Welt

Wir befinden uns im 41. Jahrhundert nach Christi Geburt. In der Welt von „Warhammer 40.000“ herrscht Dauerkrieg. In einer dystopischen Umgebung kämpft die Menschheit, von einem totalitären Regime bedroht und von finsteren Mächten bedrängt, um ihr Überleben. Die Spielenden kommandieren aufwändig bemalte Miniatur-Armeen, um die Truppen eines anderen Spielenden in epischen Schlachten auf den Spieltischen zu besiegen.

Die im Spiel vorkommenden Chaosgötter symbolisieren negative Seiten der menschlichen Seele: Khorne steht für Blutvergießen und Brutalität, Nurgle für Krankheit und Verfall, Tzeentch für Lüge und Hinterlist, Slaanesh für Lust und exzessive Ausschweifung. Sie ernähren sich von den Emotionen und Schwächen der intelligenten Spezies. Um diese auf ihre Seite zu ziehen, entsenden die Chaosgötter grausame Dämonen, die ihren Opfern Begierden einflüstern, bis diese schwach werden und den Dämonen folgen.

Es geht also um ein totalitäres Imperium, das von seinen Bürgern absoluten Gehorsam und extreme Opferbereitschaft verlangt. (Wer sich dabei an aktuelle Ereignisse anno 2022 erinnert fühlt, ist sicher nicht alleine.)

Wer stiftet das Chaos?

Khorne ist der Gott des Blutes und der Gewalt. Er sitzt in einer Festung aus Messing auf seinem Bronzethron auf einem Berg aus Schädeln, um ihn herum: Vulkane und Flüsse aus Blut. Überall Kampfgeräusche von Schlachten, die das gesamte Reich beschallen. Wo auch immer Gewalt herrscht, da findet Khorne seine Anhänger. Dabei ist es ihm egal, ob es das Blut der Gegner oder das der eigenen Anhänger ist, das vergossen wird. Die Anhänger Khornes verfügen über den absoluten Willen, niemals im Kampf aufzugeben, denn ihr Gott verachtet Feiglinge.

Der Gott der Fäulnis und des Verfalls heißt Nurgle. Er steht in seinem Herrenhaus aus verfaultem und löchrigem Holz vor einem riesigen Topf. In diesem rührt er verschiedene Krankheiten an, die er mit einem Schwung seiner madenzerfressenen Kelle auf die Sterblichen verteilt. Von seinen Anhängern wird er auch Väterchen Nurgle genannt, denn er kümmert sich liebevoll um seine Anhänger und beschenkt diese reichlich mit seinen Krankheiten und Parasiten, die sie widerstandsfähig gegenüber Schmerzen machen.

Der wohl rätselhafteste Gott im Chaosuniversum ist Tzeentch. Er steht für Wandel und Magie, aber auch für Hinterhältigkeit, Intrigen und Verrat. Sein Reich ist ein Labyrinth von Wegen, die nie ihr Ziel erreichen und in dessen Mitte sein Kristallschloss steht: errichtet aus Lügen und mit Wänden, welche die innersten Sehnsüchte der Besucher verzerrt widerspiegeln, sodass sie ihren Verstand verlieren. Im Zentrum steht eine Bibliothek, die jedes Buch enthält, das jemals geschrieben wurde und geschrieben werden wird. Tzeentch zugetan sind Gelehrte und Geheimgesellschaften.

Der vierte Chaosgott heißt Slaanesh, Gott der Dekadenz. Er ist von androgyner Schönheit und lebt in einem Schloss umringt von konzentrischen Ringen, die seine Besucher verführen sollen. Er ist der einzige Gott des Chaos, der es liebt, Besucher in seinem Reich zu empfangen. Jeder der sechs Ringe symbolisiert dabei eine der Todsünden: Stolz, Prahlerei, Neid, Unkeuschheit, Völlerei und Trägheit. Der Kreis des Stolzes (oder der „Bedeutung“) etwa stellt sich für jeden Besucher anders dar. Krieger werden zu Generälen, Politiker zu Kanzlern und wer Anweisungen gibt oder anfängt zu debattieren, wird unausweichlich wahnsinnig und wittert überall Verrat. Slaaneshs Anhänger finden sich unter Künstlern, dem Adel und bei denjenigen, deren Sinne durch Drogen vernebelt sind.

Von dunklen Mächten getrieben?

Wer denkt, dass das Chaos hier das ultimative Böse darstellt, irrt. Denn das Chaos verfolgt eine eigene Ordnung: Jeder Chaosgott verkörpert neben der negativen eine ebenso positive Seite. Khorne steht nicht nur für Grausamkeit und Wut, sondern auch für Mut und Wahrheit. Nurgle verkörpert neben Fäulnis und Krankheit auch Erneuerung und Wiedergeburt. Tzeentch ist nicht nur Verrat und Hinterhältigkeit, sondern auch Wissen und Fachkunde. Und Slaanesh repräsentiert außer Verführung und Dekadenz auch Schönheit und Eleganz. Unter anderem diese Doppeldeutigkeit ist es, die den Reiz dieses Spiels für die Warhammer-Community ausmacht.

Doch zur Wahrheit gehört auch: Für viele Außenstehende ist nicht nur die fiktive Welt an sich befremdlich, sondern auch die Tatsache, dass das Spiel auf diverse Versatzstücke faschistoider Ideologie und Symbolik aufbaut. 2021 trat bei einem Turnier mit 800 Teilnehmern im spanischen Talavera ein Spieler namens „Österreichischer Maler“ sogar mit faschistischen und rechtsradikalen Symbolen auf seiner Kleidung auf, darunter ein Symbol der Wehrmacht aus dem Zweiten Weltkrieg. Infolgedessen weigerte sich ein anderer Spieler, gegen den offenbar rechtsgerichteten Gegner anzutreten.

Die Turnierleitung sprach in diesem Fall den Sieg dem „Maler“ zu, anstatt ihn zu sanktionieren. Entwickler Games Workshop erklärte in seinem offiziellen Blog dagegen, dass man in Zukunft keine Symbole von „Hass-Gruppierungen“ auf offiziellen Events mehr dulden werde. Wer durch Symbole „real existierender Hassgruppen“ auffällt, „wird gebeten zu gehen“. Und weiter: „Wir wollen dein Geld nicht.“

Von Hass getrieben sei das „Imperium“, nicht die Warhammer-Anhänger, die nicht in die rechte Ecke gestellt gehörten, wehrten sich die Spieler im Nachhinein.

Immerhin so viel Ordnung muss sein.

4 Antworten auf „„Warhammer“ – Ein Spiel und seine Chaosgötter“

  1. Von Chris am 16. April 2022

    Erwähnenswert wäre eventuell natürlich, dass die Veranstalter der Turnieres in Spanien durchaus gewillt waren den Nazi rauszuwerfen, dieser aber leider damit drohte die Polizei zu rufen, da es in Spanien nicht verboten ist, derartige Symbole öffentlich zur Schau zu stellen. Und zum Sieger des Turnieres wurde der Typ, weil kein einziger anderer Teilnehmer mit ihm spielen wollte

    1. Von Max am 20. April 2022

      Solange die Symbole oder Zeichen nicht verboten sind und der Veranstalter dahingehend keine Hausregeln im Vorfeld aufgestellt hat, ist dieser regelkonform vorgegangen, auch wenn dahingehend die Veranstaltung ad absurdum geführt wurde. Die Drohung des Spielers die Polizei hinzuziehen, ist selbstverständlich ebenfalls lächerlich, da es sich hier um eine reine zivile Auseinandersetzung gehandelt hätte.
      Im Übrigen sind in Deutschland ebenfalls nicht grundsätzlich Symbole und Zeichen der Wehrmacht verboten, sondern werden in den Paragrafen 86/86a StGB und 3/ 20 VereinsG definiert und aufgelistet.

  2. Von Manni am 21. April 2022

    Hmm, was genau will der Autor uns mit diesem Artikel nun sagen? Der Nazi-Spieler hat nichts mit den Chaos-Göttern in Warhammer zu tun. Faschistoide Tendenzen und Gatekeeping, Frauenfeindlichkeit und offenen Rassismus findet man vor allem bei Spieler von Space Marines (klassische Übermenschen) imperialer Armee oder seltener bei den Kultarmeen (Inquisition o.ä.). Das Thema ist kompliziert, spannend und wichtig, Kern ist hier vor allem, wie es Games Workshop durch unüberlegte Handlungen geschafft hat, aus einer Persiflage und einem Zerrbild einer Zukunft etwa zu machen, was Spieler plötzlich glorifizieren. Z.B. indem man rechten 40k-Influencern wie Archcast nie konsequent auf die Finger gehauen hat und vermutlich auch selbst das Produkt zunehmen zu seriös genommen hat. Man vergleiche nur mal die Artworks der 80er mit denen der aktuellen Codices. Vielleicht ist es aber auch Zeitgeschehen, dass in den 80ern das Imperium der Menschheit noch als faschistoides Wahnbild einer Welt verstanden wurde, während diese Ideen heute plötzlich – interessant – wirken. Das alles wird in dem Artikel aber nicht mal angekratzt.

    Wirkt hier leider ein wenig so als würde man versuchen eine Verbindung zwischen einer Preiserhöhung von HoWe Würstchen und der letzten Heimpleite des FC Bayern herbei zu schreiben.

    Besser macht es dieser Artikel hier, der wirklich Wert ist gelesen zu werden: https://wargameexplorer.com/post/gatekeep-the-gatekeepers-really/

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