X Icon Facebook Icon

Wenn junge Menschen durch Filme sprechen

Von Zita Hille / 27. Juni 2024
Credit: Jung & abgedreht

Ein Film über Trauer, ein Film über Routine, ein Film über Sex – und eigentlich alle sind Filme übers Leben. Das Hanauer Jugend-Kurzfilmfestival „Jung & Abgedreht“ ging am 9. Juni in die zwölfte Runde.

Emma versucht einfach nur, ihr Leben weiterzuleben. Doch immer wieder holen sie sie ein: Die Erinnerungen an ihren Freund Jo, der viel zu jung bei einer Schlägerei ums Leben gekommen ist. Immer wieder besucht sie die Gedenkstelle auf einem Hügel, die mit einem fetten Kreuz gekennzeichnet ist. Und sie spricht mit ihm – in einem Monolog auf der Leinwand.

Dieser Film mit besonderem Tiefgang ist einer von vielen nominierten Kurzfilmen, die am 9. Juni im Rahmen des „Jung & Abgedreht“-Jugend-Kurzfilmfestivals im Kinopolis Hanau gezeigt wurden. Noah Bösel (18 Jahre alt) und Regisseur des Films mit dem Titel „Lieber Jo“ war neben vielen weiteren Filmmachenden ebenfalls anwesend.

Zum zwölften Mal fand das Festival bereits statt und bot knapp 300 anwesenden jungen Filmmachenden, Schauspieler:innen, Regisseur:innen, Schaulustigen und Jury-Mitgliedern eine Veranstaltung rund um das Medium Film und allem, was dazugehört. 35 nominierte Filme aus unterschiedlichen Filmkategorien wurden gezeigt, um den besten unter ihnen zu küren und sich auszutauschen. Die Veranstaltung wurde auch per Livestream übertragen.

Die Kurzfilme der 14- bis 27-Jährigen mit einer Länge von maximal fünf Minuten sollten, wie es auf der Webseite heißt, nicht in einer Welt voller Angebote wie YouTube und Co. untergehen, sondern durch das Festival sichtbar gemacht werden. Jedes Genre, jede Filmtechnik und jedes filmische Experiment durfte zur Produktion genutzt werden. Das, was zählt sind Visionen, Ziele und Ideen. „Ihr gebt Hoffnung durch eure Filme“, plädierte auch Dominique Marci als Moderatorin des Tages in ihrem Eröffnungsgedicht an die Teilnehmenden. Genau diesen Appell hatten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer großen Portion Kreativität umgesetzt und sorgten vor Ort für spürbare Emotion in den gemütlichen roten Sitzen des fast vollen Kinosaals. Nach jeder Filmkategorie wurden die anwesenden Filmmachenden nach vorne gebeten und durften Fragen gestellt bekommen, so zum Beispiel auch Noah Bösel als Macher von „Lieber Jo“, der auf eine Frage hin teilte, dass er die Perspektive ganz bewusst auf die von Emma gelenkt hat und nicht auf die von Jo selbst. „Es sollte eben nicht darum gehen, wie die Schlägerei passiert ist und wie Jo gestorben ist, sondern um das Danach. Wie geht Emma damit um, wie macht Emma weiter?“

Realer sexueller Übergriff als Filmvorlage

Klar wurde: Jeder Film hat eine Geschichte zu erzählen. Meist eine Geschichte, die zeigte, wie die Regisseur:innen ein selbst erlebtes Ereignis versuchten, in einem Erzählstrang aufzuarbeiten. So erzählte die junge Regisseurin Linda Verweyen von einem sexuellen Übergriff, den sie in ihrem Film „Jonna & Louis“ im Interviewstil mit fiktiven Charakteren thematisiert. Ebenso aufgearbeitet wurden natürlich Alltagsthemen junger Menschen wie das Ablösen von den Eltern und Sexualität über Dating und den Alltag bis hin zum Umgang mit gesellschaftlichen Problemen und Veränderungen.

Schirmherr des Festivals, Dominic Raacke, als Hanauer Filmemacher mit viel Erfahrung im Filmgeschäft war ebenfalls vor Ort und fühlt die Leidenschaft der jungen Menschen sehr gut nach: „In dieser Stadt habe ich Kino lieben gelernt“, erzählt er in seiner kurzen Eröffnungsrede. „Irgendwann begann ich, selber kleine Filme zu drehen, denn ich wollte nicht mehr nur zuschauen, ich wollte selber machen.“ Filme bräuchten eine große Leinwand, sagt er. Auch der Hanauer Bürgermeister, Dr. Maximilian Bieri, war vor Ort und begrüßte die Jugendlichen. Musikalisch untermalte der DJ C-Rock den Tag mit einer kleinen Bühne draußen bei strahlendem Sonnenschein.

Die Jury bestand dieses Jahr aus elf Mitgliedern, die über die verschiedenen Filme abstimmten und die Gewinner:innen kürten – alles unter der Leitung des Jury-Vorsitzenden, Filmproduzenten und Regisseur Daniel Siebert, der bereits seit dem ersten Tag des Filmfestivals vor zwölf Jahren dabei ist.

Die Gewinner:innen dieses Jahr aus der Kategorie „Young Professionals“ sind Linda Verweyen mit ihrem Film „Jonna & Louis“, einem dokufiktionalen Film, in dem ein sexueller Übergriff über eine Frau im Interviewstil thematisiert wird (Platz 1), und Angelina Damm mit ihrem Film „Entpuppt“ (Platz 2), einem Puppenanimationsfilm, der die Geschichte eines Mädchens erzählt, das nachts Angst im Dunkeln bekommt und sich Schritt für Schritt von ihrer kindlichen Lebenswelt löst. Beide Plätze erhielten ein Preisgeld sowie eine Urkunde, der erste auch eine kleine Statue.

In der Kategorie „Kurzfilme 14-18 Jahre“ belegt Bösel mit „Lieber Jo“ den ersten Platz, den zweiten ergattert der Film „Randleben“ von Lilith Jörg – eine bewegende Geschichte im Stop-Motion-Animation, in der die Obdachlosigkeit in Frankfurt anhand einer Puppe mit dem von der Regisseurin eigens modellierten Puppengesicht thematisiert wird. Auch hier erhielten beide Gewinner:innen ein Preisgeld in Höhe von 500 (Platz 1) und 200 Euro (Platz 2).

Den ersten Platz der Kategorie „Kurzfilme 19-27 Jahre“ belegt der Film „Mut zum Zug“ von Felix Konhäuser, in dem mitten im Nirgendwo auf einen Zug gewartet wird und jeder vorbeifahrende Zug ein Versprechen auf Abwechslung und Veränderung symbolisiert. Platz 2 schafft „Métisse“ von Odessa Choi – eine schwungvolle Selbstanalyse zu Herkunft und Zugehörigkeit im Spannungsfeld der Kulturen. Platz 1 gewann neben der Trophäe ein Budget von 1.500 Euro, das als Startkapital für die Herstellung des Festivaltrailers kommendes Jahr angedacht ist, Platz 2 gingen 200 Euro und eine Urkunde einher.

In der Kategorie der Musikvideos belegte „Famous“ von Bianca Böhm, Faten Bouderbala, Mika Hoppe, Melina Behnert und Diana Frank den ersten Platz, „Tarek & Sam“ von Fabien Lübke den zweiten.

Zuletzt wurden mehrere Sonderpreise in verschiedenen Kategorien verteilt. Das Publikum votete recht eindeutig für den bereits gekürten Film „Randleben“, welcher ebenso den Sonderpreis in der Kategorie „Demokratie (er)leben!“ bekam. Anwesende Vertreter:innen des Zonta-Club als Hanauer Club zur internationalen Zusammenkunft für Frauen kürten mit ihrem Sonderpreis „Jonna & Louis“. Den Sonderpreis „Regionale Helden“ erhielt der Film „Tag1312“, der von diversen Hanauer Schüler:innen gedreht wurde und das Hanauer Attentat aus dem Februar 2020 thematisiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Ähnlicher Beitrag
Neues Thema
Meist kommentierter Artikel