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Wie aus Politik Hass wird

Von Tom Albiez / 30. März 2022
picture alliance / imageBROKER | Siegfried Grassegger

Hass ist der Keim jeden Krieges. Er spaltet Bevölkerungsgruppen, führt zu Terrorakten und Massensterben. Und schürt dadurch noch mehr Hass. Gewinner gibt es keine. Verlieren tun am Ende alle, die Kriegstreiber und die Überfallenen.

Der derzeitige Krieg in der Ukraine führt uns allen schonungslos vor Augen, dass Frieden und Sicherheit in Europa keine Selbstverständlichkeit sind. Und eigentlich auch nie waren, könnte manche kritisch einwerfen. Unbestritten ist, ein Blick in die jüngste Vergangenheit erteilt uns vielfältige Lektionen, wie nicht bloß Not, sondern schlicht Lügen und ausufernder Hass zu unglaublichen Gräueltaten führten.

Ethnienhass: Blutvergießen auf dem Balkan

Am 30. August 1995 entschloss sich die NATO einzugreifen. Zu diesem Zeitpunkt tobte der Krieg im damaligen Bosnien-Herzegowina bereits seit drei Jahren. Der Vielvölkerstaat Jugoslawien war gescheitert, Unabhängigkeitsbestrebungen von Kroaten und Slowenen hatten zwei neue Staaten entstehen lassen. Nun kämpften Kroaten, Bosnier und Serben gegeneinander. „Ethnische Säuberungen“ wurden durchgeführt. Eines der schlimmsten und später bekanntesten Kriegsverbrechen war gerade in Srebrenica geschehen: 8.000 muslimische Bosniaken, Jungen und Männer, wurden unter Führung des serbischen Generals Ratko Mladić in einem brutalen Massaker hingerichtet. Die stationierten niederländischen UN-Blauhelmsoldaten mussten hilflos zuschauen – für ein Angreifen hatten sie kein Mandat.

Durch gezielte Militärschläge der NATO wurde die serbisch-bosnische Armee schließlich zu einem Friedensabkommen gezwungen. Auch im darauffolgenden Kosovokrieg in den Jahren 1998 und 1999 griff das nordatlantische Verteidigungsbündnis ein. Obwohl die derzeitige Lage auf dem Balkan als relativ befriedet gilt, sind die ethnischen Konflikte in Südosteuropa bis heute nicht beigelegt. Vor wenigen Jahren schickte Serbien einen Zug mit der Aufschrift „Kosovo ist Serbien“ in die Richtung des Nachbarlands. Grüße vom Feind.

Konfessionskrieg: Paramilitärs in Nordirland

Während in den 1990er Jahren auf dem Balkan der Krieg tobte, wütete in Irland noch die IRA, die sich selbst als vermeintlich offizielle Irish Republican Army bezeichnete. Der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten um die Zugehörigkeit Nordirlands zu Großbritannien kostete tausende Menschen das Leben. Die katholische IRA versuchte, die Vereinigung von Nordirland mit der Republik Irland durch Bombenhagel zu erzwingen, zugleich kämpften protestantische Paramilitärs für einen Verbleib im Königreich.

1998 endete der Nordirland-Konflikt offiziell durch einen ausgehandelten Waffenstillstand unter Beteiligung der irischen und britischen Regierung. Sowohl Protestanten als auch Katholiken sollten infolgedessen angemessen in der nordirischen Regierung vertreten sein. Doch erst 2005, ganze sieben Jahre später also, erklärte die IRA-Führung endgültig die Niederlegung der Waffen. Bis heute gibt es allerdings einzelne radikale Gruppierungen, die der Gewalt nicht abgeschworen haben. Der Friedensprozess ist damit nicht gänzlich abgeschlossen.

Den politischen Gegner entmenschlichen

Das erste Opfer in kriegerischen Konflikten ist bekanntlich die Wahrheit. Jugoslawien- und Irlandkrieg sind Beispiele dafür, wie Propaganda dazu eingesetzt wird, tödlichen Hass zu schüren. Die Mär einer scheinbaren Gruppenzugehörigkeit wird herangezogen, um eine als „fremd“ titulierte Gruppe sogar als „Feind“ zu identifizieren. Das vermeintliche „Wir“ wird gegen „die Anderen“ ausgespielt. Es geht um tief sitzende Angst, eine akute Bedrohung, das Verhindern von Unterwerfung. Der Clou: So konstruiert dieses „Wir“ auch sein mag, es funktioniert. Weder ging es im Nordirlandkonflikt wirklich um die vorherrschende christliche Konfession noch in den Jugoslawienkriegen um die tatsächliche Überlegenheit der jeweiligen Ethnie. Diese gezielten, manipulativen Identitätszuschreibungen sollten die Menschen zusammenschweißen und die Grundlage für gegenseitige Hassgefühle bilden.

Mittel zum Zweck war demnach immer wieder die Taktik, den Gegner zu entmenschlichen. Ein solcher Feind soll nicht als gleichwertiger Mensch mit eigenen Sorgen und Hoffnungen wahrgenommen werden. Das Gegenüber repräsentiert plötzlich nur noch einen „Verbrecher“, der Gräueltaten verübt. Noch heute werden politische Gegner wahlweise als „Nazi“, „Sünder“, „Mörder“ oder „Parasit“ verunglimpft, damit man jegliches Mitgefühl im Keim ersticken kann. So behauptete die britisch-amerikanische Propaganda während des Ersten Weltkriegs, deutsche Soldaten würden belgische Babys verstümmeln und verspeisen. Man wollte das eigene Volk auf den Krieg gegen die „Hunnen“ einstimmen. Die deutschen Nationalsozialisten perfektionierten diese perfide Form der “Informationsvermittlung“ und legten damit den Grundstein für den Massenmord an Juden und Slawen. Die sogenannte „Minderwertigkeit anderer Rassen“ wurde als Argument für deren angeblich rechtmäßige unmenschliche Behandlung angeführt.

Der Irrsinn des Hasses

Schlussendlich sind vor allem diejenigen „Verbrecher“ zu nennen, die Lügen verbreiten, um ihre eigenen Gewalttaten zu rechtfertigen oder zu vertuschen. Führungspersonen, die ihre Macht ausnutzen, um ohne Rücksicht auf Verluste Menschen in den Kampf ziehen zu lassen. Nur um am Ende die Staatsgrenzen neu ziehen zu können, an Rohstoffe zu gelangen und Macht zu demonstrieren. Dass diese Gebiete blutgetränkt sind, mit zerstörten Häusern und verwüsteter Infrastruktur zurückbleiben, wird in Kauf genommen. Für die große kranke Idee.

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