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Mission Impossible?

Von Riem Spielhaus / 21. Oktober 2013
picture alliance / Geisler-Fotopress | Dwi Anoraganingrum/Geisler-Fotop

Die Erwartungen an die durch die Bundesregierung geförderten Islamischen Zentren in deutschen Universitäten sind hoch. In Windeseile sollen sie ein neues Fach etablieren, Lehrerinnen und Lehrer für den islamischen Religionsunterricht produzieren, für das in den meisten Bundesländern noch nicht einmal die Lehrpläne feststehen und am liebsten auch noch die ‚guten Imame‘ für Deutschlands Moscheen ausbilden, […]

Die Erwartungen an die durch die Bundesregierung geförderten Islamischen Zentren in deutschen Universitäten sind hoch. In Windeseile sollen sie ein neues Fach etablieren, Lehrerinnen und Lehrer für den islamischen Religionsunterricht produzieren, für das in den meisten Bundesländern noch nicht einmal die Lehrpläne feststehen und am liebsten auch noch die ‚guten Imame‘ für Deutschlands Moscheen ausbilden, die dann die Integration von Muslimen und am liebsten auch gleich alle „Problemjugendlichen“ übernehmen sollen.

Damit droht auch den Islamzentren die Überfrachtung mit Aufgaben und Erwartungen, die sie nüchtern betrachtet gar nicht erfüllen können. Das ist bequem, denn falls etwas schiefgehen sollte, braucht man den Schuldigen nicht lange zu suchen.

Dabei ist das Projekt der intensiven Förderung eigenverantwortlicher normativer akademischer Auseinandersetzung mit dem Islam an staatlichen Universitäten in dieser Form in Europa einmalig. Gerade unsere skandinavischen Nachbarn schauen interessiert auf die Entwicklungen in Münster, Osnabrück, Frankfurt/Main, Tübingen und Erlangen.

An diesen fünf Orten entstanden in den vergangenen Jahren mit Hilfe der Förderung aus dem Bundesbildungsministerium größere Forschungs- und Lehrzusammenhänge mit insgesamt 16 Professuren und einer Vielzahl an Forschungsprojekten, die in den kommenden vier Jahren nicht nur Veröffentlichungen und Konzepte sondern auch akademisches Personal hervorbringen werden.

Herausforderungen eines neuen Fachs

Ein neues Fach einzurichten, ist generell mit großen Herausforderungen verbunden. Es war nicht einfach, geeignetes Personal zu finden, das sowohl mit den islamischen Wissenschaften als auch der deutschen Sprache und Gesellschaft vertraut sein sollte. Die nun berufenen Lehrkräfte haben entweder an etablierten Universitäten der islamischen Welt studiert oder sie kommen aus einem anderen Fach und wurden dafür in Deutschland ausgebildet.

Sie müssen nun definieren, was es bedeutet, in Deutschland so etwas wie islamische Theologie zu betreiben. Und hier treten schon die ersten Spannungen zu Tage: kann und sollte man überhaupt von Theologie sprechen? Oder rückt diese Bezeichnung das hierzulande neu entstehende Fach bereits zu nah an die christliche Theologie heran und impliziert damit Parallelitäten, die es weder vorhanden noch wünschenswert wären? Müsste man das neue Fach vielmehr, so wie im Arabischen, Islamische Wissenschaften – oder nach Empfehlung des Wissenschaftsrates Islamische Studien – nennen?

An den vier Standorten läuft zum Teil seit mehreren Semestern der Lehrbetrieb mit hunderten Studierenden in mehreren Jahrgangsstufen. Die Lehrenden stöhnen wie auch in anderen Studiengängen über die strukturellen Mängel des Bachelorsystems, das Studierende darauf trimmt, Punkte anstelle von Wissen und Kompetenzen zu sammeln. Ein Problem stellt auch die offensichtlich immer schlechter werdende Vorbereitung auf das Studium durch die deutsche Gymnasialbildung dar. So benötigen die Erstsemester zunächst eine Einführung in die einfachsten Basistechniken des wissenschaftlichen Arbeitens vom Schreiben bis zum Präsentieren.

Dennoch entwickeln sich engagierte Studierendenschaften, in denen sich der Nachwuchs über das übliche Maß hinaus für das neue Fach einsetzt. In selbst organisierten und durchgeführten Lehrveranstaltungen, die später auch nicht angerechnet werden können, widmen sie sich der Lektüre von islamischen Grundlagentexten, die an die Post-68er Zeiten erinnern, als studentische Gruppen nach Vorlesungsschluss gemeinsam ‚Das Kapital‘ lasen und gegen ihre ‚durch den Kapitalismus korrumpierten Macho-Professoren‘ wetterten.

Auseinandersetzungen über die orientalisierenden Texte nichtmuslimischer deutscher Islamwissenschaftler, die in Veranstaltungen über die islamische Geschichte gelesen werden, erinnern mich an mein Afrikanistikstudium in den frühen 1990ern. Während dort gefordert wurde, die kolonialen Darstellungen durch Stimmen und Perspektiven schwarzer Autorinnen und Autoren zu ersetzen, meinen Studierende heute zu wissen, dass Muslime ihre eigene Geschichte grundlegend anders darstellen als ‚westliche‘ Orientalisten. Solche Momente des Protests sind kostbar für die Lehre. Sie ermöglichen Seminarleitern die Verortung von Wissenschaftlern anzusprechen und zu diskutieren, wer und was in Schriften über ‚den Islam‘ und ‚die islamische Welt‘, über ‚die Muslime‘ und nicht zuletzt über ‚Europa‘ bisher weggelassen bzw. betont wurde und wie unterschiedliche Perspektiven die Konstruktionen von Wirklichkeit beeinflussen.

Studierende der Islamischen Studien kommen aus unterschiedlichsten muslimischen Gemeinden oder sind erst seit kurzem Muslime. Damit waren sie verschiedensten Vorbildungen ausgesetzt und bringen vielfältige Vorstellungen über den Islam und dessen Grundlagen in das Studium ein. Manche Studentin, die mit dem Bild eines friedwertigen Propheten aufwuchs, stößt sich an Episoden aus dem Leben Muhammads, die über dessen Kriegszüge berichten. Auch dies kann zu Meinungsverschiedenheiten unter den Studierenden und mit den Lehrenden führen und ruft nicht nur einen Streit über Standards und Verlässlichkeit von Quellen und kollektiven Narrativen sondern auch Fragen nach dem Umgang mit unbehaglichen Teilen der eigenen Religionsgeschichte hervor.

Der Seminarraum wird somit zum Spiegelbild der Vielfalt muslimischen Lebens und Glaubens. Eines der wichtigsten Lehrstücke für alle Beteiligten ist daher der Umgang mit religiöser Pluralität unter den Muslimen. Die Minderheitensituation mag das Konfliktpotential sogar verstärken. Stellt doch die Auseinandersetzung mit dem Islamverständnis auch immer eine Auseinandersetzung mit dem muslimischen Selbst dar, dass außerhalb des Seminarraums vor allem negativ gesehen wird. Gesellschaftlicher Islamkritik und antimuslimischen Tendenzen möchten nicht wenige Musliminnen und Muslime am liebsten ein rosarotes Bild vom Islam entgegensetzen. Solchen einfachen Antworten gilt es jedoch zu wiederstehen. Neben den Fakten über den Islam und die zahlreichen Methoden und Ansätze von Philosophie über Koraninterpretation brauchen Studierende auch noch Begleitung bei der Reflektion über die Situation von Muslimen in Deutschland und Europa.

Fremdheitsgefühl an den Universitäten

Auch der universitäre Kontext ist keineswegs vorurteilsfrei. Die mehrheitlich in dieser Gesellschaft durch sicht- oder hörbarem Migrationshintergrund als fremd markierten Studierenden und Lehrenden werden gleichermaßen von den etablierten benachbarten Fachvertreter_innen beäugt: Können und wollen die denn überhaupt Wissenschaft oder spielen die nur Bazar?

Die intensive finanzielle Förderung durch die Bundesregierung provoziert die Hinterfragung durch islamische Gemeinden genauso wie Neid und Missgunst in anderen vor allem benachbarten und chronisch unterfinanzierten weil politisch nicht mehr als wichtig erachteten Wissenschaftsfeldern. Die Einen halten die an den neuen Islamzentren vertretenen Positionen für erkauft und politisch gelenkt, die Anderen finden eine religiöse Verortung mit den Grundsätzen der Wissenschaftlichkeit unvereinbar und plädieren grundsätzlich für den Ausschluss religiös normativer Forschung aus dem Universitätskontext.

In diesem schwierigen Kontext sind nun die fünf Standorte gefordert, inhaltliche Visionen für ein in Deutschland verortetes Islamverständnis zu entwickeln, dass gleichzeitig den Normen von Wissenschaftlichkeit und islamischer Ethik, der Pluralität der Studierendenschaft und islamischer Gemeinden genauso wie dem kritischen Blick der Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fächern gerecht wird. Und das alles unter der Kontrolle durch Medien und Politik. Das sie es nicht allen Recht machen können werden, ist vorhersehbar.

Es bleibt also zu hoffen, dass die komplexe Gemengelage um die Islamischen Studien im positiven Sinne unvorhersehbare und überraschend kreative Ansätze islamischen Denkens hervorbringen wird.

Hinweis: Am 24.10.2013 findet in der Friedrich-Ebert-Stiftung ein öffentliches Diskussionsforum statt, das eine Zwischenbilanz der Islamischen Zentren zieht. Beginn ist um 17.30 Uhr in der Hiroshimastr. 28, 10785 Berlin-Tiergarten. Der Eintritt ist frei. Das ausführliche Programm finden Sie unter http://www.fes-forumberlin.de/pdf_2013/130902_FES_IslamischeTheologie_6.pdf

Eine Antwort zu “Mission Impossible?”

  1. Von Stefan Wehmeier am 27. Oktober 2013

    Die „hohe Politik“ und die Religion

    Je höher die „gesellschaftliche Position“ in einer a priori fehlerhaften (kapitalistischen) Marktwirtschaft, desto geringer ist in der Regel das Begriffsvermögen des jeweiligen Patienten gegenüber dem eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation, der freien Marktwirtschaft (klassisch: Paradies) ohne Privatkapitalismus (klassisch: Erbsünde) – in der generell das negative Prinzip „Macht ausüben“ durch das positive Prinzip „Kompetenz beweisen“ ersetzt wird.

    Wir sehen also, dass sich Machtausübung (über andere Menschen, nicht über Dinge) und Kompetenz gegenseitig ausschließen; und die klassischen Bedeutungen in den Klammern entlarven die Religion (Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe = Investor) als eine Institution zum Machterhalt – und damit zum Erhalt längst unnötiger Inkompetenz, die aus den Bewohnern dieses kleinen blauen Planeten das gemacht hat, was wir heute sind:

    http://www.youtube.com/watch?v=qNJ0fMdeWEc

    Ja, liebe Kinder, echte prophetische Musik findet sich immer dort, wo die Moralverkäufer sie am wenigsten erwarten, denn was ist schon die „Moral“ gegen Eigennutz = Gemeinnutz (wahre Nächstenliebe):

    „Heute, unter der Herrschaft der Monopole, widerstreitet die Betätigung des Eigennutzes oft genug dem gemeinen Wohl. Daher die gut gemeinten Ratschläge der Moralisten und Ethiker, den Eigennutz zu bekämpfen. Sie haben nicht begriffen, dass der Eigennutz an und für sich durchaus am Platze ist, und dass es nur einige rein technische Mängel unserer Wirtschaft sind, derentwegen der Eigennutz so häufig zu Ungerechtigkeiten führt. In einer monopolbefreiten Wirtschaft hingegen, in der es nur eine Art des Einkommens, den Lohn, geben wird, laufen Eigennutz und Gemeinnutz dauernd parallel. Je mehr die Einzelnen dann, ihrem Eigennutz gehorchend, arbeiten, umso besser werden sie den Interessen der Allgemeinheit dienen.
    Der heutige endlose Widerstreit zwischen Eigennutz und Gemeinnutzen ist eine ganz zwangsläufige Folge des herrschenden Geldstreik- und Bodenmonopols. Eine von diesen beiden Monopolen befreite Wirtschaft entzieht diesem Widerstreit für immer die Grundlage, weil in ihr der Mensch aus Eigennutz stets so handeln wird, wie es das Gemeininteresse erfordert. Die seit Jahrtausenden von Religionsgründern, Religionslehrern, Philosophen, Moralisten usw. aufrecht erhaltene Lehre von der Sündhaftigkeit der menschlichen Natur wegen ihrer Eigennützigkeit findet damit ein für allemal ihr Ende. Es ist keineswegs notwendig, dass wir, diesen Lehren folgend, uns durch Äonen hindurch abmühen, um uns selbst zu überwinden, um eines Tages vielleicht doch noch gemeinnützig zu werden – sondern wir können schon jetzt, heute, in dieser Stunde, die Verbrüderung der bisherigen Widersacher Eigennutz und Gemeinnutz vollziehen. Es ist dazu nicht erforderlich, dass wir den Menschen reformieren, es genügt vielmehr, wenn wir das fehlerhafte Menschenwerk, unser Geldwesen und Bodenrecht, ändern.“

    Otto Valentin (Die Lösung der Sozialen Frage, 1952)

    Wie konnten wir also glauben, dass die berühmteste Persönlichkeit der Welt, auf der bis heute die planetare Zeitrechnung basiert, nicht schon wusste, was wahre Nächstenliebe ist?

    http://www.deweles.de/willkommen/apokalypse.html

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